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Hess, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet: Hessen und Rheinhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,2: Berlin: Dt. Verl. für Kunstwiss., 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52864#0311

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EHEMALS SCHLÜCHTERN • BENEDIKTINERABTEI

Unpubliziert.
Gegenwärtiger Bestand: Bei einer archäologischen Grabung wurden 1985 nebst unzähligen Resten von unbemal-
ten Blankgläsern und Butzenscheiben rund neunzig bemalte rote, gelbe, blaue und farblose Reste einer mittelalter-
lichen Verglasung gefunden, die in den Archivräumen des Hanauer Geschichtsvereins verwahrt werden1. In einer
Auswahl (Fig. 213) werden einige Bordüren- und Ornamentreste sowie die Fragmente einer spätromanischen Figur
und eines gotischen Kopfes abgebildet.

Geschichte des Baues und seiner Verglasung: Nach der Verlängerung des Langhauses der frühkarolingischen
Klosterkirche um 1100 wurde um 1200 der Chor erweitert und die Andreaskapelle angebaut. Um 1354/56 erfolgte die
Vergrößerung der am südlichen Seitenschiff ansetzenden Katharinenkapelle sowie die Errichtung der Huttenkapelle
nördlich des Westturms. Im 15. Jahrhundert wurden die alten Bauteile des Langhauses durch einen 1446 geweihten
Hallenbau ersetzt; 1508/19 erfolgte schließlich die weitgehende Erneuerung der Klostergebäude2. Da die Glasmalerei-
scherben in einer durch Münzfunde datierbaren, um 1525 im Ostturm eingerichteten Schuttdeponie gefunden wur-
den, ist eine genaue Lokalisierung innerhalb des Baues nicht mehr möglich.

Erhaltung: Mit Ausnahme einiger resistenter Blankgläser sind die Gläser stark korrodiert; viele sind nahezu opak
geworden. Die Zeichnung ist partiell bis zur Unlesbarkeit reduziert. Deshalb wird die hier gezeigte Auswahl (Fig.
213) zur besseren Lesbarkeit nicht in Fotos, sondern in maßstäblichen Zeichnungen abgebildet, die Peter Jüngling von
der archäologischen Arbeitsgruppe des Hanauer Geschichtsvereins angefertigt und freundlicherweise zum Abdruck
zur Verfügung gestellt hat.

Stil, Datierung: Die gekröselten, unbemalten Blankgläser in Dreieck-, Rechteck- und Rautenform sowie die Reste
von Flechtwerkbändern dürften von Ornamentfenstern des 13. Jahrhunderts stammen. Noch spätromanisch ist dage-
gen das nur gerade 4 cm breite, stark korrodierte Fragment der Armpartie einer nach rechts gewandten Figur (Fig.
213, 1), das offenbar als einziger Rest der Verglasung der um 1200 erneuerten Apsis oder der Andreaskapelle erhalten
geblieben ist. Alle übrigen Scherben sind dagegen um 1350/60 anzusetzen und können damit in die Fenster der Katha-
rinen- oder Huttenkapelle lokalisiert werden. Während die großflächigen Hintergrundornamente (Fig. 213, 6) auf
kreuzschraffiertem Grund auf Formen des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts zurückgreifen, lassen sich die pla-
stisch herausgearbeiteten Blätter (Fig. 213, 7) und die verräumlichten Sockel (Fig. 213, 4, 10) nicht vor 1350 ansetzen,
zumal sich die erhaltenen Reste der Rahmenarchitektur gut mit den Glasgemälden aus dem Ostchor der Klosterkirche
zu Arnstein an der Lahn vergleichen lassen3.


Fig. 213. Scherben in Auswahl (nach Zeichnungen von Peter Jüngling, Hanau).

1 Dem Leiter der archäologischen Arbeitsgruppe des Hanauer Ge-
schichtsvereins, Peter Jüngling, danke ich für seine großzügige Hilfe und
für die zur Verfügung gestellten Zeichnungen. Eine Publikation des
gesamten Grabungsfundes wird von ihm vorbereitet.
- Zur Baugeschichte vgl. neben Magnus Backes, in: Dehio, Hessen,
2i982, S. 784!., Peter Jüngling, in: Hanau und der Main-Kinzig-Kreis

(Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland 27), Stuttgart
1994, S.239-244.
3 Vgl. dazu zuletzt Geza Jäszai, Mittelalterliche Glasmalereien (Bild-
hefte des Westfälischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte
Münster 24), Münster 1986, Nr. 26-31.
 
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