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Hess, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet: Hessen und Rheinhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,2: Berlin: Dt. Verl. für Kunstwiss., 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52864#0295

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KRONBERG • SCHLOSS FRIEDRICHSHOF

tung gibt den Gesichtern etwas holzschnitthaftes, indem er die
Zeichnung ökonomisch auf die wichtigsten Linien beschränkt
und diese nicht mehr überall durchzieht, sondern partiell nur-
mehr andeutet. Die breiter und kräftiger proportionierten Figu-
ren und die härter knickenden, naturalistischer drapierten
Gewänder vermitteln eine Körperhaftigkeit, wie sie für die
Tafelmalerei um 1440/50 charakteristisch ist und über die
erwähnten Glasmalereien hinausführt. Zu den Zusammenhän-
gen mit den Glasgemälden in Wiesbaden und auf Burg Lahneck
sowie der stilistischen Einordnung der Gruppe s. Kunstge-
schichtliche Einleitung S. 56.
CVMA G 8887-8890, Details G 8891-8893, Großdia G 85-88
FRAGMENT EINER LANDSKNECHTSFIGUR Abb. 240
Nach Auskunft des Kastellans wurde das Fragment nach der
Zerstörung der Burgkapelle 1943 im Bereich des heute nicht
mehr überdachten ehemaligen Langhauses der Burgkapelle auf-
gefunden. Derzeit deponiert.
H. 28,5 cm, B. 35 cm.
Erhaltung: Die Malschichten sind auf der Innenseite leicht kor-
rodiert und partiell beriebcn; das Fragment weist zahlreiche

Sprünge auf. An der Unterkante - auf Höhe der Kniekehlen -
verlief ursprünglich ein Quereisen, was auf eine monumentale
Größe der über mindestens zwei Zeilen sich erstreckenden
Landsknechtsfigur hindeutet.
Ikonographie, Komposition: Der großformatige, mit seinem Rü-
cken zum Betrachter gekehrte Landsknecht stammt wohl aus
einer Gefangennahme Christi oder einer vergleichbaren Szene
mit Landsknechten als Assistenzfiguren.
Farbigkeit: Der Landsknecht trägt geschlitzte rote Hosen und
ein weißes Hemd; an seinem Gürtel hängt ein Kurzschwert mit
schneckenförmigem Knauf, gebogenen Parierstangen und ver-
zierter Klinge. Schwertgriff in Grisaille und Silbergelb, Klinge
gelb. Ferner sind Reste einer Landschaft mit grünem Blattwerk
und gelbem Felsblock oder Weg(?) erhalten.
Stil, Datierung: Neben der geschlitzten Hose, einem Hauptele-
ment der im 16. Jh. in modischen Extremformen auftretenden
Landsknechtskleidung, deutet auch die Modellierung mittels
eines dicht gestupften Halbtons mit plastisch herausgewischten
Lichtern und durch kräftige Parallclschraffuren akzentuierten
Schattenlagen auf eine Entstehung im ersten Viertel des 16. Jh.
hin. CVMA G 8900

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Bislang unpubliziert.
Gegenwärtiger Bestand: Die rund neunzig Wappen- und Kabinettscheiben umfassende, auf verschiedene Räume
des Schlosses verteilte Glasmalereisammlung setzt sich vornehmlich aus Scheiben zusammen, die nicht mehr in dem
hier erfaßten Bearbeitungszeitraum entstanden sind. Die Zahl der hier bearbeiteten Scheiben beschränkt sich deshalb
auf ein Fragment einer Monumentalverglasung sowie acht Kabinettscheiben (Abb. 241-249).
Geschichte der Sammlung: Das großzügige Landschloß im Taunus war von der Kaiserinwitwe Victoria
(1840-1901) zwischen 1888 und 1894 als fürstlicher Witwensitz erbaut worden, nachdem ihr Sohn Wilhelm II. sie in
Berlin unmittelbar nach dem Tod ihres Mannes allen repräsentativen Funktionen enthoben und unter skandalösen
Umständen zum Verlassen des Neuen Palais in Potsdam gezwungen hatte. Das in Erinnerung an ihren Mann Fried-
richshof benannte Schloß ist eine Synthese vom Baustil hessischer Burgen, über italienische Renaissancebauten bis hin
zum englischen Landschloß und sollte mit der in den Innenräumen auf gestellten, während dreißig Ehejahren
zusammengetragenen reichhaltigen Sammlung einen Abriß über die europäische Kunstgeschichte bieten1. Die nach
dem Tod der Kaiserin und während der amerikanischen Besetzung 1945 bis 1953 stark dezimierten Sammlungen sind
heute noch immer in den Räumen des Schlosses untergebracht, das seit 1954 als exklusives Hotel genutzt wird.
Die zufällig zusammengekommenen Glasgemälde hatten die seit dem frühen 19. Jahrhundert traditionelle Funktion
von mittelalterlichen Requisiten und waren dekorativ in den Fenstern der verschiedenen Räume des Schlosses einge-
setzt2. Mit der Erbschaft der umfangreichen Kunstgewerbe-Sammlung von Ferdinand Robert-Tornow gelangten
Ende des 19. Jahrhunderts elf Glasgemälde aus dem 16. und 17. Jahrhundert, vorwiegend schweizerischer Provenienz,
in den Besitz der begeisterten Sammlerin3. Da zu allen übrigen Glasgemälden keine Unterlagen existieren, können
über Ort, Zeitpunkt und Motiv der Ankäufe nur Vermutungen angestellt werden. Ob die Kaiserin schon vor ihrer
Übersiedlung nach Kronberg Glasgemälde erworben hatte oder diese erst in Zusammenhang mit der Errichtung des
 
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