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Hess, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet: Hessen und Rheinhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,2: Berlin: Dt. Verl. für Kunstwiss., 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52864#0296

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KRONBERG * SCHLOSS FRIEDRICHSHOF

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Schlosses mit der Unterstützung von Händlern und Agenten zusammentrug, muß bis zur Auswertung der hier nicht
berücksichtigten Berliner Archivalien offenbleiben.
Vorbemerkung zum Katalog: Auf Grund der heutigen Nutzung als Hotelbetrieb war die Untersuchung und photo-
graphische Dokumentation der auf die verschiedensten Räume, zum Teil in hohen Fenstern verteilten Einzelscheiben
mitunter erschwert. Da viele Scheiben nur aus einiger Entfernung zu beurteilen waren, wird auf Erhaltungsschemata
verzichtet.

1. HLL. KATHARINA UND BARBARA Abb. 244
Salzwedel (?), um 1430.
H. 60 cm, B. 56 cm. Inv. Nr. G 3076. Herkunft unbekannt; der-
zeit eingesetzt in der Bibliothek.
Erhaltung: Die Scheibe wurde im 19. Jh. großflächig ergänzt,
wobei zur Imitation eines alten Zustands mittels Farbspritzern
Lochfraß vorgetäuscht wurde. Die Inkarnatgläser sind stark kor-
rodiert, das Bleinetz geschwächt; die Scheibe zeigt viele Sprünge
und einzelne Fehlstellen.
Ikonographie, Komposition: Einander zugewandt stehen die
Hl. Katharina mit Schwert und Rad und die Hl. Barbara mit
Turm und Märtyrerpalme auf einem mit Rauten gemusterten
Boden. Seitlich wird die Standfigurenscheibe von zwei mit Was-
serschlägen besetzten Pfeilern gerahmt.
Farbigkeit: Beide Heiligen tragen einen weiten weißen Mantel,
Katharina über bräunlichgelbem, Barbara über olivgrünem
Untergewand; Kronen und Haare dunkelgelb, Rad wäßriggelb,
Turm rot; Nimben rot bzw. hellblau. Boden rot, Rahmenarchi-
tektur in Grisaille; blauer Grund erneuert.
Stil, Datierung: Kompositorisch und in der plakativen Farbge-
bung ist das Glasgemälde einer Figurenscheibe mit Petrus und
Andreas im Museum Salzwedel so eng verwandt, daß beide vom
gleichen Standort, d.h. aus einer der Salzwedeier Kirchen stam-
men müssen. Die beiden weiblichen Heiligen erweisen sich auf
Grund engster Übereinstimmungen in Modellierung von
Gesicht und Gewand als Arbeiten derselben Werkstatt4. Stili-
stisch schließen sie an die Verglasung der Salzwedeler Kathari-
nenkirche an und dürften um 1430 entstanden sein5.
CVMA G 9403
2. EINHORNWAPPEN Abb. 242
Um 1450.
H. 30 cm, B. 25 cm. Inv. Nr. G 3081. Herkunft unbekannt; der-
zeit eingesetzt im Kleinen Speisesaal.
Erhaltung: Schwarzlotzeichnung stark reduziert; ursprünglicher
Halbton nurmehr zu erahnen. Bleinetz stellenweise instabil.
Ikonographie: Das im 15. Jh. bei bürgerlichen und adligen Fami-
lien beliebte Einhornwappen ist in verschiedensten Ausformun-
gen überliefert, wobei unsere Form mit keiner bestimmten Fami-
lie verbunden werden kann6. Gezeigt ist ein nach rechts
steigendes silbernes Einhorn mit flatterndem Tuch und golde-
nem Halskrönlein unter einer goldenen Sonne auf rotem Grund;
dieser ist rautenförmig damasziert und mit Hermelin besetzt.
Vielleicht handelt es sich auch um ein unbekanntes Ordensab-
zeichen7.
Komposition, Farbigkeit: Die Anordnung von Einhorn und
Sonne ist so zwingend auf den Wappenschild abgestimmt, daß es
sich nicht um ein späteres Arrangement handeln kann. Einhorn

und flatterndes Tuch in Grisaille, Halskrone in Silbergelb; Sonne
weiß mit silbergelben Strahlen, roter Rautengrund.
Stil, Datierung: Die weiche Modellierung des am Hals verknote-
ten und wellenförmig im Rücken flatternden Tuches zeigt noch
keine Spuren der hartbrüchigen Gewandmodellierung der zwei-
ten Hälfte des 15. Jh. und legt damit eine Entstehung um die
Jahrhundertmitte nahe. Hierfür spricht auch die flotte Zeich-
nung und lebendige Darstellung des Tieres.
CVMA G 8902
3. WAPPENSCHEIBE PEYSSE/LENCK Abb. 241
Mittelrhein (?), um 1490/1500.
Durchmesser 34 cm. Herkunft unbekannt; derzeit eingesetzt in
einem der Westfenster der Bibliothek.
Inschrift: In gotischer Schrift die heute in falscher Abfolge mon-
tierte Inschrift: Wolfgang Peysse in/ Barbara Lenckin sein/ der
ercznei doctor/ Eleche Hausfrau (Wolfgang Peysse in der ercznei
doctor/ Barbara Lenckin sein eleche Hausfrau).
Erhaltung: Die Umschrift wurde bei der Neuverbleiung falsch
zusammengesetzt, ist aber vollständig erhalten. Schwarzlotbe-
malung partiell stark berieben.
1 Grundlegend hierzu Meinolf Siemer, Kaiserin Friedrich als Bau-
herrin, Kunstsammlerin und Mäzenin - »Das schönste Ziel wäre wohl
ein ganz neues Gebäude ...«, in: Kat. Ausst. Victoria & Albert. Vicky &
The Kaiser, Berlin 1997, S. 129-143.
2 Zur Verwendung von Glasgemälden als mittelalterliche Requisiten in
den neugotischen Sammlungen vgl. Hess, 1997, sowie zusammenfassend
ders., Im Dämmerlicht des Mittelalters. Graf Franz von Erbach und die
Wiederentdeckung der Glasmalerei zwischen Aufklärung und Roman-
tik, in: Akademie-Journal 1/97, S. 2-6.
3 Diese Glasgemälde sind im handschriftlichen Inventar der Sammlung
Tornow unter den Nummern 755-765 verzeichnet. Das Original wird
im Archiv der Hessischen Hausstiftung im Schloß Fasanerie bei Fulda
verwahrt. Für Hinweise und Akteneinsicht danke ich Herrn Dr. Meinolf
Siemer, Würzburg, und der Archivleiterin Christine Klössel herzlich.
4 Zur Salzwedeler Scheibe vgl. Erhard Drachenberg, in: Mittelalter-
liche Glasmalerei in der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin
1979, S. 226f., Nr. 108.
5 Zu den Glasmalereien in Salzwedel vgl. künftig Monika Böning, Die
mittelalterlichen Glasmalereien in Sachsen-Anhalt, Nord - ohne Stendal
(CVMA Deutschland XIX, 1).
6 Ähnlichkeiten zeigt das Wappen des Junkers Hans Einhorn, Schul-
theiß zu Bodenheim 1470, das anstelle der Sonne jedoch einen Stern und
das Einhorn ohne Band zeigt; vgl. W. Franck, Beiträge zur Wappen-
kunde des rheinhessischen Land- und Stadtadels im 13., 14. und 15. Jh.,
in: AhGA 11, 1867, S. 243, Nr. 150, Abb. Taf. IX.
7 Ein solches findet sich bei Paul Ganz, Die Abzeichen der Ritterorden,
in: Schweizerisches Archiv für Heraldik, Zürich 1905, S. 140, Fig. 97.
 
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