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Hess, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet: Hessen und Rheinhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,2: Berlin: Dt. Verl. für Kunstwiss., 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52864#0081

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BÜDINGEN • SCHLOSS

Bibliographie: Wagner, 1890, S. 67 (überliefert Reste von Glasmalereien vom Ende des 15. Jh. in den Fenstern:
einige Wappen und eine Rundscheibe mit Johannes Evangelist); Schmitz, 1913, S. 113, Abb. 194 (Johannesscheibe in
der Kapelle unter den Werkstattarbeiten des »Hausbuchmeisters« erwähnt); Faber du Faur, 1921, S. 95 (schreibt die
Rundscheibe der Hausbuchmeisterschule zu); Karl Simon, Mittelrheinische Scheiben in Amorbach, in: Der Cicerone
17, 1927, S. 142 (postuliert auf Grund ähnlicher Bordüren einen Zusammenhang der Johannesscheibe mit den Rund-
scheiben in Amorbach); Karl Dielmann, Schloß Büdingen, Büdingen 71979, S. 30 (erwähnt in einzelnen Fenstern
Reste alter Glasmalerei); Hess, 1994, S. 65 (Erwähnung der Johannesscheibe unter den stilistisch nicht mehr in den
engeren Hausbuch-Kreis einzuordnenden Kabinettscheiben).
Gegenwärtiger Bestand: In den nordöstlichen Fenstern der Schloßkapelle sind die ursprünglich zusammengehöri-
gen Wappenscheiben Schwarzburg und Ysenburg (Nr. 4E) sowie eine Sammelscheibe mit drei Kopffragmenten (Nr. 1)
und eine Fragmentscheibe (Nr. 3) als Vorhängescheiben untergebracht, während die Johannes-Rundscheibe (Nr. 2) im
Fürstlich-Ysenburgischen Archiv deponiert ist (Abb. 4-9). Da keine dieser Scheiben mit der mittelalterlichen Ausstat-
tung der Schloßkapelle in Verbindung gebracht werden kann, werden die Glasmalereien museal behandelt. Ferner
befindet sich unter den Büdinger Kabinettscheiben eine gegen 1560/70 zu datierende Bannerträgerscheibe aus der
Schweiz1.
Vorbemerkung zum Katalog: Die Scheiben wurden im Spätherbst 1991 photographiert, im Frühling 1996 untersucht
und bearbeitet.

1. SAMMELSCHEIBE MIT DREI KOPFFRAGMENTEN
Abb. 7!.
Kopf oben links: H. 9 cm, B. 11 cm; Kopf oben rechts: H. 16 cm,
B. 12 cm; Kopf unten: H. 16,5 cm, B. 12,5 cm.
Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Über die Herkunft der
Fragmente kann nur spekuliert werden. Am nächsten liegt ein
Zusammenhang mit der ehemaligen Farbverglasung der unter
Ludwig II. von Ysenburg zwischen 1476 und 1491 erneuerten
Marienkirche in Büdingen. Ein Jahr nach der Einführung des
reformierten Bekenntnisses wurde deren Chorverglasung 1602
gegen Protest der Bevölkerung durch eine Blankverglasung
ersetzt2.
Erhaltung: Die Köpfe sind in eine moderne, unterhalb der Köpfe
mit blauen, gelben und violetten Gläsern durchsetzten Sammel-
scheibe eingelassen. Während der eine Kopf mehrfach gesprun-
gen und bis zur Unleserlichkeit korrodiert ist, sind die beiden
anderen bis auf die leicht beriebenen Halbtonschichten kaum
beeinträchtigt. Beim Kopf oben links ist nach 1991 ein großes
Glasstück herausgefallen und verlorengegangen.
Ikonographie: Während der korrodierte Kopf mit Birett (?) von
einem jugendlichen männlichen Heiligen stammen dürfte, wobei
man auf Grund des seitlich nach unten geneigten Kopfes einen
Hl. Martin vermuten könnte, verbietet sich eine genauere
Bestimmung der weiblichen Köpfe.
Farbigkeit, Technik: Alle drei Köpfe sind in Grisaille mit Silber-
gelb gehalten. Maltechnisch zeigen sich zwei Richtungen: Der
Kopf ohne Tuch ist in wäßrigem Halbton grob gestupft und in
der Nuancierung von Licht und Schatten weniger differenziert
ausgearbeitet als sein Pendant. Beide zeigen jedoch eine holz-
schnitthafte Pinselzeichnung.

Stil, Datierung: Die harte Zeichnung und die Modellierung der
etwas verquollenen Köpfe erinnert an die Glasmalereifragmente
in Kirberg (Abb. 235-238), ohne daß sich Werkstattzusammen-
hänge erschließen ließen. Stilistisch spricht vieles für eine Datie-
rung der im übrigen isolierten Fragmente um 1480/90.
CVMA G 8875, 8876a/b
2. RUNDSCHEIBE MIT JOHANNES EV Abb. 4
Durchmesser 22,5 cm.
Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Auch wenn auf der
heute im Archiv verwahrten Rundscheibe der Titelheilige der
Schloßkapelle dargestellt ist, kann eine Herkunft aus der 1495/99
neuerbauten Schloßkapelle nicht erhärtet werden. Woher die
Kabinettscheibe ursprünglich stammt, ist unbekannt.
Erhaltung: Die Scheibe ist bis auf einen Sprung, einzelne Kratzer
und eine Scherbe mit abgeplatzter Bemalung in der Bordüre ori-
ginal und intakt erhalten.
Ikonographie, Komposition: Johannes ist mit dem seit dem 14. Jh.
gebräuchlichen Kelchattribut mit züngelnder Schlange gezeigt,
das auf die versuchte Vergiftung durch Aristodemos anspielt.
Die Beziehungen zum gleichnamigen Apostel aus der Kupfer-
stichserie Martin Schongauers (L. 45) bleiben auf einzelne Re-
flexe in der Körperhaltung, dem nach vorne gestellten rechten
Fuß und den Rasenhügeln im Hintergrund beschränkt.
1 Da anstelle des ursprünglichen Banners ein Reichsadlerschild einer
Standesscheibe eingeflickt ist, kann die Provenienz der Scheibe nicht
genauer bestimmt werden.
2 Vgl. hierzu Klaus Peter Decker/Walter Niess, in: 500 Jahre
Marienkirche Büdingen 1491-1991, Büdingen 1991, S. 31, 63 f.
 
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