Metadaten

Hess, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet: Hessen und Rheinhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,2: Berlin: Dt. Verl. für Kunstwiss., 1999

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52864#0299

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
294

OBERURSEL • PFARRKIRCHE ST. URSULA

Erhaltung: Bis auf zahlreiche Sprünge und Fehlstellen in der
Umschrift intakt; viele Kratzspuren.
Ikonographie, Komposition: Dargestellt ist das Wappen des 1526
gewählten böhmisch-ungarischen Königs Ferdinand I., dem
Bruder Kaiser Karls V. Der gevierte Schild zeigt die Wappen
Ungarns und Böhmens, der Herzschild die Wappen Österreich
und Burgund, Aragon und Kastilien, Neapel und Sizilien, Neu-
burgund und Brabant sowie in der unteren Spitze Granada. Die
Gestaltung lehnt sich bis in die Krone an Dürers Titelholzschnitt
zur Befestigungslehre von 1527 an und erscheint seitenverkehrt
mit der Ordenskette des Goldenen Vlieses anstelle des Schrift-
rahmens im Bildnisholzschnitt Ferdinands I. von Erhard Schön
von 152815. Diese Anlage zeigt auch der Kupferstich einer Me-
daille auf König Ferdinand I. von Bartel Beham, der dem Glasge-
mälde durch die runde Einrahmung nahesteht, sowie ein identi-
sches Wappen in einem Glasgemälde des Kreuzgangs im Kloster
Muri16.
Farbigkeit: Wappenschild in rotem Überfangglas (originale Teile
ausgeschliffen, Ergänzung geätzt); Krone silbergelb.
Stil, Datierung: Die Wappenscheibe kann auf Grund der Wahl
Ferdinands zum böhmisch-ungarischen König frühestens 1526
entstanden sein. Wenn mit der Nennung Schwabens in der
Inschrift nicht die habsburgischen Vorlande gemeint sind - in

diesem Sinne bezeichnete sich Maximilian I. als Fürst von
Schwaben -, ist dies ein Hinweis auf eine Entstehung vor 1534,
da Württemberg zur Zeit der Acht über Herzog Ulrich zwischen
1520 und 1534 an Habsburg gefallen war. Da im Unterschied
etwa zum Holzschnitt von Hans Wechtlin keinerlei Hinweise
darauf gegeben sind, daß Ferdinand bereits römischer König
war, dürfte das Glasgemälde noch vor 1531 geschaffen worden
sein17. Die Anklänge an Dürers Holzschnitt legen eine Entste-
hung um 1530 nahe.
CVMAA 314/13 (MF)
15 Vgl. Karl Adolf Knappe, Dürer. Das graphische Werk,
Wien/München 1964, Nr. 382, zum Holzschnitt Schöns Max
Geisberg, The German Single-Leaf Woodcut: 1500-1550, IV, New
York 1974, Nr. 1277.
16 Vgl. Gustav Pauli, Hans Sebald Beham. Ein kritisches Verzeichnis
seiner Kupferstiche, Radierungen und Holzschnitte, (Studien zur Deut-
schen Kunstgeschichte 33), Baden-Baden 1974, Nr. 223 (mit Abb.); zu
der zusätzlich mit einem Adler geschmückten Wappenscheibe in Muri
vgl. Georg Germann, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Band
V, Der Bezirk Muri, Basel 1967, Abb. 290.
17 Zu dem um 1532 anzusetzenden Bildnisholzschnitt Ferdinands mit
dem Wappen und dem einköpfigen Königsadler von Wechtlin vgl.
Geisberg (s. Anm. 15), 1974, Nr. 1443.

OBERURSEL • PFARRKIRCHE ST. URSULA

Bibliographie: Lotz, 1880, S. 356 (erwähnt spätgotische Glasmalereireste mit Heiligenfiguren); Luthmer, 1905,
S. 115 (führt in einem Chorfenster Reste von figürlichen Glasmalereien auf, die die Jahreszahl 1464 tragen); Schenk
von Schweinsberg, 1957, S. 30, 43, Abb. 69 (bezeichnet die Glasgemälde als Reste eines von den Webern um 1440
gestifteten Fensters); Josef Friedrich, Die St.-Ursula-Kirche zu Oberursel (Große Baudenkmäler 210),
München/Berlin 1967, S. 4, Abb. S. 8 (erwähnt die Glasgemälde und identifiziert den Hl. Valentin mit Vorbehalt mit
dem Hl. Nikolaus); Waldemar Kolb, Der Hl. Gebhard in Oberursel?, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte
und Heimatkunde Oberursel 24, 1980, S. 46E (identifiziert den bis dahin als Hl. Nikolaus geltenden Valentin mit dem
Hl. Gebhard von Konstanz); Magnus Backes, in: Dehio, Hessen H982, S. 701 (Reste von spätgotischen Glasmale-
reien aus der Mitte des 15. Jh.); Josef Friedrich, Die Chorfenster der St. Ursula-Kirche Oberursel, in: Mitteilungen
des Vereins für Geschichte und Heimatkunde Oberursel (FS) 29/30, 1988, S. 66-71, Farbabb. aller Scheiben (bespricht
den renovierten Bestand und weist die Glasgemälde dem Schöpfer der Glasmalereien aus Partenheim zu, wobei er für
die Kartons den Maler des Ortenberger Altars vorschlägt); Angelika Baeumerth, Oberursel am Taunus. Eine Stadt-
geschichte, Frankfurt/Main 1991, S. 65, io6f., Abb. S. 67, 106 (Erwähnung des »Weberfensters« mit der Hl. Ursula);
Friedrich Karl Azzola, Die Distelkarde und zwei Schiffchen als spätmittelalterliche Zeichen im Tuchmacher-
Fenster zu Oberursel, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Heimatkunde Oberursel 34, 1994, S. 33-42
(umfangreiches Material zum Handwerkszeichen der Tuchmacher); Wolfgang Metternich, Der Hl. Antonius und
der Antoniterorden - Betrachtungen zum Chorfenster der St. Ursula-Kirche zu Oberursel, ebenda 35, 1993, S. 1-12
(ausführliche Erläuterung der Ikonographie des Hl. Antonius und der Tätigkeit des Antoniterordens).

Gegenwärtiger Bestand: Von der mittelalterlichen Verglasung der Ursula-Kirche sind nurmehr acht Felder erhal-
ten: in Chorfenster nord II eine Scheibe mit der Hl. Ursula, in Chorfenster süd II das 1464 datierte Wappen der Tuch-
 
Annotationen