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Hess, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet: Hessen und Rheinhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,2: Berlin: Dt. Verl. für Kunstwiss., 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52864#0168

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FRANKFURT • MUSEUM FÜR KUNSTHANDWERK

leske Mischung von höfischen Traditionen und Volksbräuchen
wie dem Wilde-Leute-Spiel begegnet häufig auch auf spätmittel-
alterlichen Bildteppichen27. Husband erblickte in dem von der
Leiter gestürzten bärtigen Mann eine Ermahnung an die Alten,
die Liebeseskapaden der Jugend zu überlassen. Im Zentrum der
Scheibe steht das Wappen der Kölner Patrizierfamilie Huppe28.
Komposition: Die Szene ist geschickt über die vier gedrückten
Paßfelder verteilt, wobei die Bäume der seitlichen Paßfelder in
das obere hineinwachsen und die einzelnen Felder damit ansatz-
weise zu einer Gesamtkomposition zusammenführen.
Farbigkeit: Braunes Lot und Silbergelb; Zwickel rot.
Technik, Stil, Datierung: Naß gestupfter brauner Halbton, Lich-
ter radiert; Lippen und Wangen der Figuren sowie Kamm des
Wiedehopfs mit rötlichem Lot (Eisenrot). Zur Numerierung der
einzelnen Paßfelder und Zwickel sind außen jeweils die Ziffern I,
II, III und IIII eingekratzt. Neben der für die kölnische Glasma-
lerei um 1520/30 typischen Malweise legen die Schildform wie
auch der Landschaftshintergrund im rechten Paßfeld mit
Gebirge und Bäumen eine Datierung um 1520/30 nahe. Maltech-
nisch und formal ergeben sich eine Reihe von engen Zusammen-
hängen mit weiteren kölnischen Kabinettscheiben aus dieser
Zeit, für welche Lymant zu Recht dieselbe Werkstatt verant-
wortlich machte: Es sind dies die Rechteckscheibe eines Liebes-
paares im Kölner Schnütgen-Museum, die Rundscheibe mit der
Muttergottes und dem Hl. Severin in Darmstadt sowie die im
letzten Krieg untergegangene Rundscheibe mit dem Hl. Christo-
phorus im Berliner Kunstgewerbemuseum29. Folglich ist auszu-
schließen, daß die Scheibe auf Grund ihrer altertümlichen Form
in späterer Zeit entstanden sein könnte, wie Beeh-Lusten-
berger zu überlegen gab.
CVMA A 11528, Großdia A 5 52

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44. WAPPENSCHEIBE DER NÜRNBERGER
PATRIZIERFAMILIE PAUMGÄRTNER Abb. 104
Nürnberg, wohl 2. Viertel 16. Jh.
Durchmesser 9 cm. Inv. Nr. X 1624. Beeh-Lustenberger, Nr.
63. Derzeit deponiert; zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht
auffindbar. Herkunft und Zeitpunkt der Erwerbung unbekannt.
Bibliographie: Beeh-lustenberger, 1965, S. 152E, Nr. 63 (Nürn-
berg, 2. Viertel 16. Jh.).
Ikonographie, Farbigkeit: Wappen der Nürnberger Patrizier-
familie Paumgärtner: schwarz/weiß geteilter Wappenschild mit
grünem Sittich vor blauem Grund.
Technik, Stil, Datierung: Da solche kleinformatigen Wappen-
scheiben Nürnberger Patrizierfamilien aus dem 16. Jh. in großer
Zahl überliefert sind, ist eine genauere stilistische und zeitliche
Einordnung nicht möglich. Beeh-Lustenberger verweist auf
einen Kupferstich Barthel Behams sowie auf die kleinen Wap-
penscheiben Inv. M.M. 168 und 357 im Germanischen National-
museum Nürnberg, die in die erste Hälfte des 16. Jh. und gegen
1540/60 datiert werden. In der Glasmalereisammlung der Grafen
von Erbach findet sich eine weitere, wenn auch von anderer
Hand und unter Verzicht auf Emailfarben gemalte Rundscheibe
mit Paumgärtnerwappen.
Photo Historisches Museum
27 Vgl. Rapp-Buri/Stucky-Schürer, 1990, Nr. 86f., und Husband,
1980, S. 76.
28 Als mögliche Stifter führt Beeh-Lustenberger, 1965, S. 132, Everard
oder Johann den Jüngeren an; letzterer war ab 1529 Bürgermeister und
wohnte im Hof zum Judden bei St. Pantaleon.
29 Vgl. Lymant, 1982, Nr. 116, Beeh-Lustenberger, 1976 bzw. 1973,
Nr. 271, Abb. 177, sowie Schmitz, 1913, II, Taf. 23, Abb. 90.

FRANKFURT • MUSEUM FÜR KUNSTHANDWERK

Bibliographie: Beeh-Lustenberger, 1965 (Katalogisierung aller damals in der Sammlung befindlichen Glas-
gemälde).
Gegenwärtiger Bestand: Die aus rund zwei Dutzend Glasgemälden bestehende Sammlung umfaßt auch neun
mittelalterliche Scheiben, darunter einige zum Teil aus verschiedenen Fragmenten zusammenmontierte Reste aus dem
13. und 15. Jahrhundert sowie vier Kabinettscheiben des frühen 16. Jahrhunderts (Fig. lozf., Abb. 112-120, Farbtaf.
XVI).
Geschichte der Sammlung: Die ersten Glasmalerei-Erwerbungen des 1877 durch den Mitteldeutschen Kunstge-
werbeverein begründeten und zunächst als Vorbildersammlung für das Handwerk konzipierten Museums fallen in die
neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts, als Consul Carl Becker dem Museum 1891 sieben Schweizerscheiben schenkte;
1899 folgten zwei weitere neuzeitliche Scheiben aus einer privaten Schenkung. Die ersten Ankäufe mittelalterlicher
Glasmalereien des 1912 nach kulturgeschichtlichen Zusammenhängen neugeordneten Museums fallen erst in die
Amtszeit des Direktors Robert Schmidt, der durch Erwerbungen aus dem Hause Hohenzollern die Mittelalter-Abtei-
lung ausbauen konnte1. Zu den damals erworbenen drei Glasgemälden (Nr. 1, 7E), von denen jedoch nur die Sammel-
 
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