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Hess, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet: Hessen und Rheinhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,2: Berlin: Dt. Verl. für Kunstwiss., 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52864#0032

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HISTORISCHE VORAUSSETZUNGEN UND ZUSAMMENHÄNGE 27
1442 in den Reichsgrafenstand erhobenen Herren von Ysenburg-Büdingen, deren Herrschaft seit dem ausgehenden
13. Jahrhundert angewachsen war, sind lediglich durch zwei Wappenrundscheiben von 1530/33 vertreten (s. S. 77E),
während die Verglasungen ihrer exklusiv ausgestatteten Burgkapelle und der Stadtkirche Büdingen untergegangen
sind (s. Anhang S. 32.7 t.). Der Rheingauer Lokal- oder Niederadel trat dagegen in Erbach, Frauenstein, Marienthal,
Rode und Rüdesheim in Erscheinung; ihre Glasgemäldestiftungen sind jedoch nur archivalisch überliefert (s. Anhang
S. 328, 336, 339-342). In Lorch dürfte der Lokaladel nicht nur das Hochaltarretabel von 1483, sondern auch die Ver-
glasung der Pfarrkirche gestiftet haben17, während sich die Stifter in der Valentinskirche in Kiedrich (s. S. 266t.) aus
Lokaladel, Burgmannengeschlechtern und Geistlichen zusammensetzten.
Die wichtigste Rolle innerhalb des behandelten Gebiets spielten zweifellos die vier wetterauischen Reichsstädte
Frankfurt (Falttafel), Friedberg (Textabb. 1), Gelnhausen (Textabb. 2) und Wetzlar. Von den Staufern als wirtschaft-
liche Stand- und Aufenthaltsorte genutzt, kam ihnen für die umgebende Landschaft verwaltungstechnisch eine zen-
trale Funktion zu. Wie eingangs erläutert, unterstanden die Städte direkt der Krone, gewannen seit den Wirren des
frühen 13. Jahrhunderts jedoch zusehends an Eigengewicht. Nach einem ersten, gegen den Mainzer Erzbischof
gerichteten Städtebund von 1226 führten ihre durch Kriegslast teuer erkauften Privilegien sowie die zur Wahrung des
Friedens initiierten Selbsthilfemaßnahmen zur Erweiterung ihrer Unabhängigkeit. 1254 traten alle vier wetterauischen
Königsstädte dem drei Jahre später an der Doppelwahl zerbrochenen rheinischen Städtebund bei und setzten ihre
Gemeinschaftspolitik in den von 1284 bis 1364 regelmäßig erneuerten Bündnissen wirksam fort.
In die Zeit der frühen Städtebünde fällt die erste große kulturelle Blüte dieser mittelrheinischen Städte. Auf der Basis
der von den Staufern verliehenen Privilegien entwickelten sich mit den Schöffen und den seit den sechziger Jahren
nachweisbaren Räten in allen vier wetterauischen Städten erste Ansätze eines unabhängigen Stadtregiments. Gelnhau-
sen erhielt überdies das Marktrecht, während in Frankfurt das Messeprivileg den späteren wirtschaftlichen Erfolg der
verkehrstechnisch begünstigten Mainmetropole begründete. Der Konflikt von Stadt und Reichsburg verhinderte in
Friedberg eine vergleichbare Entwicklung, auch wenn Stadt und Burg ab 1245 getrennte Siegel führten. Zum Ausbau
der Wetterauer Städte trugen neben den jüdischen Gemeinden die Niederlassungen des Deutschen Ordens, der Johan-
niter und der Bettelorden bei, die mit ihren Bauten das städtische Bild entscheidend mitprägten18. Einen vergleichba-
ren Aufschwung nahm die hier nur am Rande berücksichtigte Stadt Mainz, die sich 1244 von der erzbischöflichen
Stadtherrschaft befreien konnte19.
In die Zeit der ersten Blüte fallen in Frankfurt die Klosterbauten der Barfüßer, Dominikaner, Karmeliter und Weiß-
frauen sowie die verschiedenen Klosterhöfe, unter denen nur derjenige des Klosters Haina erwähnt sei. Neben den
Niederlassungen des Deutschen Ordens und der Johanniter entstand dort ferner das Heiliggeistspital20. In Gelnhau-
sen ließen sich die Franziskaner nieder, später folgten neben verschiedenen Klosterhöfen der Deutsche Orden und die
Johanniter. Der von der Stadt betriebene Kirchenbau von St. Peter geriet dagegen in Konkurrenz mit dem wohl vom
Prämonstratenserkloster Selbold initiierten Neubau der Marienkirche21. Nachdem das Kloster seine Pfarrechte in der
Stadt behaupten konnte, kam der Bau der Peterskirche aus unbekannten Gründen zum Erliegen und wurde nurmehr
behelfsmäßig abgeschlossen. Ob sich die Stadt danach an Bau und Ausstattung der Marienkirche beteiligte, ist nicht
geklärt; ungewiß ist auch die Rolle des unterhalb der Kaiserin Beatrix dargestellten Stifterpaars (Textabb. 9). Da
Beatrix Gelnhausen von Friedrich I. als Morgengabe bekommen haben soll, kommt diesen bislang nicht identifizier-
ten Stiftern eine besondere Bedeutung zu22. Offen sind auch die Verhältnisse in der um 1260 begonnenen Friedberger
Liebfrauenkirche: Ob sie ausschließlich als Zeugnis für den Geltungsanspruch der aufblühenden Stadt gelten kann, ist
angesichts des bis 1314 dem Reich gehörenden Patronats und der bis zur Abspaltung der Burgkirche 1308 offenbar

17 Zu diesem Hauptwerk spätgotischer Schnitzkunst entlang des Rheins
vgl. Hanns Hubach, Überlegungen zum Meister des Lorcher Hoch-
altars, in: NA 104, 1993, S. 29-51, zu den Stiftern besonders S. 32.
18 Vgl. hierzu etwa Thomas Berger, Die Bettelorden in der Erzdiözese
Mainz und in den Diözesen Speyer und Worms im 13. Jahrhundert. Aus-
breitung, Förderung und Funktion (Quellen und Abhandlungen zur
mittelrheinischen Kirchengeschichte 69), Mainz 1994.
19 Zur Geschichte der Stadt Mainz im Mittelalter vgl. die zusammenfas-
senden Beiträge von Ludwig Falck, Michael Matheus, Kai-Michael

Sprenger und Wolfgang Dobras, in: Mainz (s. Anm. 10), 1998,
S. 111-254.
20 Vgl. Wolff/Jung, 1896, sowie zusammenfassend zuletzt Elsbeth
Orth, in: Frankfurt, 1991, S. 43L, und Konrad Bund, ebenda,
S. 120-124.
21 Zu den kirchlichen Verhältnissen in Gelnhausen vgl. Heitzenröder,
1982, S. 59-64.
22 Zu Beatrix und ihrer Beziehung zu Gelnhausen vgl. Bechtold
(s. Anm. 1), 1996, S. 74-76.
 
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