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Hess, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet: Hessen und Rheinhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,2: Berlin: Dt. Verl. für Kunstwiss., 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52864#0035

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KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG


5. Einzug Christi in Jerusalem.
Erfurt, Barfüßerkirche, Chor I, 8b.
Mainz(?), um 1230/35.

In der Messe-, Wahl- und Krönungsstadt Frankfurt waren damals bereits die meisten mittelalterlichen Verglasungen
untergegangen. Hatte die Stadt die Belagerung von 1552 im Schmalkaldischen Krieg und später auch den Dreißigjähri-
gen Krieg noch weitgehend unbeschadet überstanden, löste der verheerende Brand von 1719 eine großen Neu- und
Umbauwelle seit den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts aus. Die im Zeichen des Fortschritts unternommenen
Modernisierungen hatten Dom und Dominikanerkirche bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Blank-
verglasung beschert, 1763 folgte die Heiliggeistkirche. Zur Empörung Hüsgens wurde 1763/71 auch die Verglasung
der Liebfrauenkirche zerstört, und 1769/71 die offenbar stark korrodierten Glasgemälde der Peterskirche entfernt.
Hüsgen erlebte 1787 ferner den Abbruch des Barfüßerklosters und 1801 die Umwandlung der Johanniterkirche in ein
Warenlager; zwei Jahre nach seinem Tod erlitt die Karmeliterkirche 1809 das gleiche Schicksal und verlor die letzten
Reste ihrer mittelalterlichen Verglasung. Seit der französischen Besetzung dienten die meisten Kirchen und Klöster
nurmehr als Speicher und Kasernen; ihr Inventar wurde zerstört oder verschleudert29. Unter der Regierung des Main-
zer Erzbischofs und Fürstprimas Karl von Dalberg, der Frankfurt 1806 als Fürstentum zugesprochen bekommen
hatte, legte man mit dem Baustatut von 1809 den Grundstein zur klassizistischen Erneuerung der Stadt. Um sie aus
ihrer mittelalterlichen Enge zu befreien, wurden zweckmäßige Wohn- und Geschäftsbauten errichtet, denen so bedeu-
tende Baudenkmäler wie das Heiliggeistspital zum Opfer fielen. Im Gegensatz zur frühen romantischen Begeisterung,
die in Darmstadt, Erbach, Wiesbaden, Geisenheim und Kassel bereits im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert zu
ersten neugotischen Bauten und Altertumssammlungen geführt hatte30, schlummerte in Frankfurt noch die allgemeine
Wertschätzung der Vergangenheit und ihrer künstlerischen Zeugnisse. Noch stießen die zur Subskripition ausge-
schriebenen Monumenta Germaniae historica des Freiherrn vom Stein an ihrem Verlagsort auf ein geringes Echo: Eine
Gänseleberpastete hätte mehr Liebhaber gefunden, schrieb Stein 1825 verärgert an seinen Mitstreiter, den Frankfurter
Bibliothekar Johann Friedrich Böhmer31. Auch Goethes Äußerung zielt in diese Richtung, wenn er 1797 Schiller

29 Vgl. dazu Georg Gerhard, Geschichte der Säkularisation in Frank- 30 Vgl. hierzu Hess, 1997.
furt a. M., Paderborn 1935, sowie Jakob Herr, Frankfurter Urkunden 31 Vgl. Wolfgang Klötzer, in: Frankfurt, 1991, S. 320.
und Quellen zur Auswirkung der Säkularisation im 19. und 20. Jahrhun-
dert, Frankfurt/Main 1939.
 
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