KÜNSTLERISCHE ZUSAMMENHÄNGE UND ENTWICKLUNGEN
57
40. Musikengel im Chorgewölbe der
Frankfurter Karmeliterkirche
(1945 zerstört). Frankfurt, gegen 1440.
Wie die Reste der Chorverglasung der Pfarrkirche in Oberursel um 1464 (Abb. 250-260, Farbtaf. XXXIII) dokumen-
tieren, wirkte der Stil der vierzigerJahre offenbar punktuell bis in die Sechziger jahre fort; er steht dort in irritieren-
dem Kontrast zu den jüngeren Werken, die sich in Komposition und Zeichnung an den gleichzeitigen Kupferstichen
des Meisters E.S. orientieren. Entscheidend neue Impulse erhielt die Glasmalerei des späten 15. Jahrhunderts jedoch
erst durch den Straßburger Glasmaler Peter Hemmel, der 1475 ein Fenster in den Bartholomäusdom lieferte
(s. S. p8)88. Die Heirat des 1463 in die elsässische Bischofsstadt übersiedelten Frankfurter Malers Mattern mit der Stief-
tochter Hemmeis dürfte für die Vermittlung des Auftrags eine Rolle gespielt haben. Da das Domfenster wohl schon
im 17. Jahrhundert untergegangen war, läßt sich Hemmeis Tätigkeit in Frankfurt heute nurmehr an Hand der Wap-
penscheibe des Winrich Monis (Abb. 100) nachweisen. Aus dem äußerst produktiven und exportorientierten Kreis der
Straßburger Werkstattgemeinschaft, die aus dem genossenschaftlichen Zusammenschluß Hemmeis mit vier weiteren
Straßburger Glasmalern im Jahre 1477 resultierte, sind am Mittelrhein ferner einzig die beiden Scheiben einer Hl.
Sippe in der Hanauer Marienkirche (Abb. ipof., Farbtaf. XXV) erhalten geblieben. Trotz deutlicher Anklänge an die
1482 entstandenen Chorfenster in der Pfarrkirche von Lautenbach im Renchtal (Textabb. 46E) handelt es sich dabei
um ein Spätwerk aus den neunziger Jahren, wie die Versprödung in Zeichnung und Modellierung deutlich macht. Da
der dafür verantwortliche Glasmaler keinerlei Reflexe der jüngeren Straßburger Glasmalerei zeigt, dürfte er die Werk-
stattgemeinschaft bald nach 1482 verlassen haben und an den Mittelrhein abgewandert sein, wo er den Straßburger Stil
der achtziger Jahre schließlich leerschrieb (s. S. 246).
Auch das Hauptwerk monumentaler mittelrheinischer Glasmalerei des späten 15. Jahrhunderts, die von 1476 bis 1481
erneuerte Chorverglasung der Friedberger Liebfrauenkirche (Fig. 108-110, Abb. 128-169, Farbtaf. XVII-XXIV), zeigt
in ihrem architektonischen Aufriß deutliche Einflüsse der Straßburger Glasmalerei. Im übrigen handelt es sich jedoch
um eine erstaunlich eigenständige Schöpfung, die auf dem Hintergrund der wachsenden Verschuldung der Stadt und
ihrer Unterjochung durch die Burg als ein letztes Zeichen städtischen Selbstbewußtseins verstanden werden kann.
88 Zu den Quellen und der Gesamtdarstellung seines Werks grundlegend gemeinschaft vgl. zuletzt Hartmut Scholz, in: Kat. Ausst. Ulm 1995,
Frankl, 1956, zu seiner Rolle innerhalb der Straßburger Werkstatt- S. 13-26, mit wichtigen, neuen Erkenntnissen.
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40. Musikengel im Chorgewölbe der
Frankfurter Karmeliterkirche
(1945 zerstört). Frankfurt, gegen 1440.
Wie die Reste der Chorverglasung der Pfarrkirche in Oberursel um 1464 (Abb. 250-260, Farbtaf. XXXIII) dokumen-
tieren, wirkte der Stil der vierzigerJahre offenbar punktuell bis in die Sechziger jahre fort; er steht dort in irritieren-
dem Kontrast zu den jüngeren Werken, die sich in Komposition und Zeichnung an den gleichzeitigen Kupferstichen
des Meisters E.S. orientieren. Entscheidend neue Impulse erhielt die Glasmalerei des späten 15. Jahrhunderts jedoch
erst durch den Straßburger Glasmaler Peter Hemmel, der 1475 ein Fenster in den Bartholomäusdom lieferte
(s. S. p8)88. Die Heirat des 1463 in die elsässische Bischofsstadt übersiedelten Frankfurter Malers Mattern mit der Stief-
tochter Hemmeis dürfte für die Vermittlung des Auftrags eine Rolle gespielt haben. Da das Domfenster wohl schon
im 17. Jahrhundert untergegangen war, läßt sich Hemmeis Tätigkeit in Frankfurt heute nurmehr an Hand der Wap-
penscheibe des Winrich Monis (Abb. 100) nachweisen. Aus dem äußerst produktiven und exportorientierten Kreis der
Straßburger Werkstattgemeinschaft, die aus dem genossenschaftlichen Zusammenschluß Hemmeis mit vier weiteren
Straßburger Glasmalern im Jahre 1477 resultierte, sind am Mittelrhein ferner einzig die beiden Scheiben einer Hl.
Sippe in der Hanauer Marienkirche (Abb. ipof., Farbtaf. XXV) erhalten geblieben. Trotz deutlicher Anklänge an die
1482 entstandenen Chorfenster in der Pfarrkirche von Lautenbach im Renchtal (Textabb. 46E) handelt es sich dabei
um ein Spätwerk aus den neunziger Jahren, wie die Versprödung in Zeichnung und Modellierung deutlich macht. Da
der dafür verantwortliche Glasmaler keinerlei Reflexe der jüngeren Straßburger Glasmalerei zeigt, dürfte er die Werk-
stattgemeinschaft bald nach 1482 verlassen haben und an den Mittelrhein abgewandert sein, wo er den Straßburger Stil
der achtziger Jahre schließlich leerschrieb (s. S. 246).
Auch das Hauptwerk monumentaler mittelrheinischer Glasmalerei des späten 15. Jahrhunderts, die von 1476 bis 1481
erneuerte Chorverglasung der Friedberger Liebfrauenkirche (Fig. 108-110, Abb. 128-169, Farbtaf. XVII-XXIV), zeigt
in ihrem architektonischen Aufriß deutliche Einflüsse der Straßburger Glasmalerei. Im übrigen handelt es sich jedoch
um eine erstaunlich eigenständige Schöpfung, die auf dem Hintergrund der wachsenden Verschuldung der Stadt und
ihrer Unterjochung durch die Burg als ein letztes Zeichen städtischen Selbstbewußtseins verstanden werden kann.
88 Zu den Quellen und der Gesamtdarstellung seines Werks grundlegend gemeinschaft vgl. zuletzt Hartmut Scholz, in: Kat. Ausst. Ulm 1995,
Frankl, 1956, zu seiner Rolle innerhalb der Straßburger Werkstatt- S. 13-26, mit wichtigen, neuen Erkenntnissen.