KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG
42
22. Grablegung Christi. Limburg, ehemalige
Wilhelmitenklosterkirche St. Anna, Chor I, 6 b.
Mittelrhein, gegen 1340/50.
21. Rechter Flügel des Altenberger Altars.
Ehemals Klosterkirche Altenberg/Lahn. Frankfurt,
Städelsches Kunstinstitut. Mittelrhein, um 1345.
jüngere Gruppe mit ihren expressiven Figuren und ihren wie scharfe Bleche vom Gewand abstehenden Gewändern
zeigt so schlagende Zusammenhänge mit den drei Glasgemälden im Frankfurter Historischen Museum (Farbtaf.
IX-XI, Abb. 95-97) und den damit verbundenen Scheiben in Darmstadt (Textabb. 10) und Brüssel (Textabb. 13), daß
man sogar auf eine identische Werkstatt schließen kann. In diesem Kontext sind schließlich auch die stilistisch eng
verwandten Miniaturen des Aschaffenburger Evangeliars (Textabb. 12) und die Reste einer für die Franziskanerkirche
Mainz bestimmten Schwesterhandschrift in Hamburg entstanden. Da es sich bei beiden Werken um Aufträge des
Erzbischofs Gerhard handelt, auf dessen persönliches Betreiben die Mainzer Franziskanerkirche von 1253 bis 1256
errichtet wurde, liegt es nahe, daß die drei erst im 19. Jahrhundert in Frankfurt nachweisbaren Glasgemälde ursprüng-
lich aus der Chorverglasung der Mainzer Franziskanerkirche stammen (s. dazu S. 144E).
Auf Grund der historischen wie stilistischen Zusammenhänge dürften alle mit den Frankfurter Scheiben zu verbin-
denden Werke des »mittelrheinischen Zackenstils« um 1250/60 in einem größeren Werkstattverbund in der Bischofs-
stadt Mainz entstanden sein54. Für die schnelle und umfassende Ausstattung der vielen neu entstandenen Bauten bot
diese Großwerkstatt die besten Voraussetzungen, zumal ihre Tätigkeiten offenbar von der Glas- und Tafelmalerei bis
zur Ausmalung liturgischer Handschriften reichten (Textabb. 12-14). Da das Fehlen eines überragenden Großbaus
nach der Vollendung des Mainzer Domwestchors den Zustrom neuer künstlerischer Kräfte verhinderte, prägten ihre
Werke einen eigenen Regionalstil aus, der sich unabhängig vom thüringisch-sächsischen Zackenstil entwickelte und in
seiner Verspätung bereits manieristische Züge trägt. So greifen die charakteristischen wehenden Bärte in den Glasge-
54 Vgl. wiederum Hess, Zackenstil, 1998, S. 70-72.
42
22. Grablegung Christi. Limburg, ehemalige
Wilhelmitenklosterkirche St. Anna, Chor I, 6 b.
Mittelrhein, gegen 1340/50.
21. Rechter Flügel des Altenberger Altars.
Ehemals Klosterkirche Altenberg/Lahn. Frankfurt,
Städelsches Kunstinstitut. Mittelrhein, um 1345.
jüngere Gruppe mit ihren expressiven Figuren und ihren wie scharfe Bleche vom Gewand abstehenden Gewändern
zeigt so schlagende Zusammenhänge mit den drei Glasgemälden im Frankfurter Historischen Museum (Farbtaf.
IX-XI, Abb. 95-97) und den damit verbundenen Scheiben in Darmstadt (Textabb. 10) und Brüssel (Textabb. 13), daß
man sogar auf eine identische Werkstatt schließen kann. In diesem Kontext sind schließlich auch die stilistisch eng
verwandten Miniaturen des Aschaffenburger Evangeliars (Textabb. 12) und die Reste einer für die Franziskanerkirche
Mainz bestimmten Schwesterhandschrift in Hamburg entstanden. Da es sich bei beiden Werken um Aufträge des
Erzbischofs Gerhard handelt, auf dessen persönliches Betreiben die Mainzer Franziskanerkirche von 1253 bis 1256
errichtet wurde, liegt es nahe, daß die drei erst im 19. Jahrhundert in Frankfurt nachweisbaren Glasgemälde ursprüng-
lich aus der Chorverglasung der Mainzer Franziskanerkirche stammen (s. dazu S. 144E).
Auf Grund der historischen wie stilistischen Zusammenhänge dürften alle mit den Frankfurter Scheiben zu verbin-
denden Werke des »mittelrheinischen Zackenstils« um 1250/60 in einem größeren Werkstattverbund in der Bischofs-
stadt Mainz entstanden sein54. Für die schnelle und umfassende Ausstattung der vielen neu entstandenen Bauten bot
diese Großwerkstatt die besten Voraussetzungen, zumal ihre Tätigkeiten offenbar von der Glas- und Tafelmalerei bis
zur Ausmalung liturgischer Handschriften reichten (Textabb. 12-14). Da das Fehlen eines überragenden Großbaus
nach der Vollendung des Mainzer Domwestchors den Zustrom neuer künstlerischer Kräfte verhinderte, prägten ihre
Werke einen eigenen Regionalstil aus, der sich unabhängig vom thüringisch-sächsischen Zackenstil entwickelte und in
seiner Verspätung bereits manieristische Züge trägt. So greifen die charakteristischen wehenden Bärte in den Glasge-
54 Vgl. wiederum Hess, Zackenstil, 1998, S. 70-72.