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Hess, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet: Hessen und Rheinhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,2: Berlin: Dt. Verl. für Kunstwiss., 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52864#0091

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EBERBACH • EHEMALIGES ZISTERZIENSERKLOSTER

RUNDSCHEIBE MIT WILDEM MANN UND WAPPEN MIT HAUSMARKE (Nr. 4) Abb. 15,19
Mittelrhein, um 1500.
1995 wurde die Dreipaßscheibe aus der Sammlung Nassauischer Altertümer im Museum Wiesbaden (Inv. Nr. 11033)
in das neu eingerichtete Abteimuseum im Kloster Eberbach überführt. H. 57,5 cm, B. 59 cm.
Bibliographie: Cohausen, 1888, S. 300, Nr. 103 (zusammen mit den Resten eines Vita-Christi-Zyklus und der
Rundscheibe mit Lammwappen im Museum Wiesbaden aus Kloster Tiefenthal stammend); Heubach, 1916/17,
S. 33 — 35 (die Anfang des 16. Jh. entstandene Scheibe erinnere an die Art des »Hausbuchmeisters« und soll aus Tiefen-
thal kommen); Faber du Faur, 1921, S. 96 (rückt die nach Tiefenthal lokalisierte Scheibe aus dem engeren Kreis der
Glasmalereien im Hausbuchmeister-Kreis heraus); Karl Simon, Mittelrheinische Scheiben in Amorbach, in: Der
Cicerone 17, 1925, S. 142E (die bislang wenig beachtete Scheibe gehört in die Reihe der »Hausbuchmeisterscheiben«
in Amorbach, Frankfurt und Büdingen); Günther Kleineberg, Der wilde Mann und ein Engel auf zwei Kabinett-
scheiben aus Kloster Tiefenthal, in: Wiesbadener Leben 26, Februar 1977, S. 6-8 (höchstwahrscheinlich im Rahmen
der Renovierungen um 1500 im Kloster Tiefenthal entstanden; zusammen mit der Rundscheibe mit Lammwappen im
Museum Wiesbaden wohl das Werk einer mittelrheinischen Werkstatt im Umkreis des Meisters der Genreszenen im
Hausbuch).
Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Auch wenn eine Herkunft aus Kloster Tiefenthal nicht grundsätzlich
ausgeschlossen werden kann, ist diese Lokalisierung auf dem Hintergrund der Zerstörungen infolge eines großen
Brandes 1752 und der unverbürgten Herkunftsangaben zu relativieren. Da die Scheibe derselben Werkstatt zuzuwei-
sen ist wie das unten behandelte Glasgemäldefragment eines knienden Stifters aus dem Kreuzgang des Klosters Eber-
bach, liegt eine Lokalisierung nach Eberbach nahe. Möglicherweise gehörte auch diese Dreipaßscheibe zu den Resten
der um 1500/01 erweiterten Kreuzgangsverglasung.
Erhaltung: Bis auf drei Flickstücke in der Bordüre intakt; Schwarzlot stellenweise berieben und partiell ausgebro-
chen. Verbleiung anläßlich der Überführung in das neue Museum in Wiesbaden 1916 erneuert.
Ikonographie, Komposition: Das Thema des Wilden Mannes, Sinnbild von Wildheit und Stärke sowie eines freien,
ungebundenen Lebens, gehörte zu den beliebtesten profanen Motiven des ausgehenden Mittelalters. Der Komposition
muß der Kupferstich eines Wilden Mannes als Wappenhalter von Martin Schongauer zu Grunde gelegen haben, der
nicht nur die Körperhaltung, sondern auch die Felsen und den Grasboden vorgab12. Das Motiv der Quelle ist hinge-
gen neu und dürfte auf Werke wie die Liebesgarten-Stiche des wohl in Frankfurt tätigen Monogrammisten b x g oder
die Rundscheibe mit Johannes dem Täufer aus dem Kreis des Meisters der Genreszenen im Hausbuch zurückzu-
führen sein13. Als Wappenhalter begegnet der Wilde Mann auch in den 1491 gestifteten Wappenscheiben im Chor von
St. Leonhard in Frankfurt (Abb. 86-89). Das Wappen mit Hausmarke läßt sich nicht bestimmen.
Farbigkeit, Technik: Die Figur zeigt ein weißes, leicht bläuliches Glas mit Silbergelb in den Haaren und im Wap-
penriemen. Keule dunkelgelb, Wappenschild in Grisaille; bräunlichgrüne Wiese, hellbrauner Boden und rosaviolette
Felsen. Dunkelroter Fiederrankengrund und hellgelbe Bordüre. Zarter, flächig gestrichener Halbton, in den Lichtern
radiert und mit trockenem Pinsel leicht ausgewischt; Figur auf der Außenseite mit hellbraunem Lot hinterlegt.
Stil, Datierung: Die immer wieder zusammen mit der Rundscheibe eines Engels mit Lammwappen im Museum
Wiesbaden (Nr. 25; Abb. 280) genannte Dreipaßscheibe unterscheidet sich maltechnisch und stilistisch deutlich von
jener 1510/20 in Köln entstandenen Rundscheibe. Engste Zusammenhänge zeigt das Glasgemälde jedoch mit dem
unten behandelten Fragment eines knienden Stifters aus dem Kreuzgang des Klosters Eberbach. Maltechnisch und sti-

12 Vgl. zuletzt Kat. Ausst. München 1991, Nr. 103.

13 Vgl. Hess, 1994, S. 56, Abb. 50.
 
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