Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,1.1916

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1916)
DOI Artikel:
Jesser, Franz: Vom deutsch tyrannisierten österreichischen Völkergefängnis
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14295#0226

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der eigentliche Grund der Klcrge über deutsche Unterdrückung ist <rber
in der überragenden kulturellen und wirtschcrftlichen Stellung
der Deutschen und in der Verwendung der deutschen Sprache als
allgemeiner Vermittlungssprache und als Sprache der Z en«
tralbehörden untereinander und mit den untergeordneten Behörden
zu suchen.

Die kulturelle und wirtschaftliche Aberlegenheit der Deutschen ist ge«
schichtlich und wirtschaftsgeographisch begründet. Die mächtige deutsche
Industrie stützt sich entweder auf das Vorkommen von Rohstoffen im deut«
schen Gebiete oder auf uralte tzeimarbeit und auf altes Gewerbe. Deutsch-
Osterreich ist eben seit längerer Zeit überwiegendes Industrieland. Seit
die Industrialisierung das tschechische Gebiet ergriffen hat, wird der deutsche
Vorsprung von Iahr zu Iahr geringer.

Die Verwendung der deutschen Sprache als Staats- und Vermittlungs-
sprache ist in einem achtsprachigen Staate eine glatte Selbstverständlichkeit
für jeden, der den Staat Österreich will. Als Bedrückung kann sie nur
jenen gelten, die den gemeinsamen Staat überhaupt nicht wollen, son-
dern nur ihren nationalen Sonderstaat.

Die Staatssprache dient ausschließlich dem Verkehr der Behörden unter-
einander und zu staatlichen Zwecken — sie hat mit den nationalen Volks«
rechten und Personenrechten nichts zu tun.

Weil sich aber die Beamtenschaft und das tzeer ihrer bedienen, wird
in den nichtdeutschen Massen der Glaube hervorgerufen, als sei die
„Bureaukratie" ein Besitz des deutschen Volkes. Daß dieser Glaube
falsch ist, dast längst die staatliche Beamtenschaft überwiegend aus nicht-
deutschen Elementen besteht und dast die Eroberung dieser Machtstellung
eines der wichtigsten Ziele der slawischen Politik ist, das lehrt die Ge-
schichte der inneren Politik Österreichs. Noch eindringlicher lehren es
die im Iahre veröffentlichten Briefe des verstorbenen tschechischen
Finanzministers Dr. Kaizl. Es ist bezeichnend, dast die tschechische Presse
diese Veröffentlichung als „höchst unzeitgemäst" verurteilt hat.

Die Deutschen Österreichs verlangen die deutsche Staatssprache vor
allem im Interesse des Einheitsstaates und einer raschen, ge-
ordneten Verwaltung. Ihr Wert für die deutsche Vation wird ganz
ungeheuer überschätzt. Dagegen verdanken die Deutschen ihr einen großen
Teil des schlechten Rufes in Italien und Angarn. Dort haben der Abso-
lutismus und die Reaktion nach in deutscher Sprache Gewalt geübt.
Die dazu verwendeten Organe waren aber keineswegs der Mehrheit nach
Deutsche — die berüchtigten „Bachhusaren^ in Angarn waren sogar über-
wiegend tschechischer Abstammung.

Ohne Staatssprache kann die Staatseinheit nicht aufrecht erhalten wer-
den. Daß diese Sprache nur die deutsche sein kann, bedarf keiner be--
sonderen Begründung. Ist Deutsch doch die einzige Weltsprache unter
den zahlreichen Idiomen. Da sie auch die einzige im ganzen Reiche ver-
breitete ist, so wird sie zur stärksten Waffe gegen alle irredentistischen
Bestrebungen. Gegen sie richtet sich daher der Ansturm aller, welche
den Staat vernichten, große Teile an angrenzende Staaten angliedern
oder auf den Trümmern nationale Sonderstaaten errichten wollen.

Daß bei diesen Angliederungen und bei Errichtung dieser Sonderstaaten
Millionen Deutsche national entrechtet werden können, ist der laut ge-
äußerte Wunsch aller Irredentisten. Wir verweisen nur auf die 3^2 Mil-

L80
 
Annotationen