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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,3.1918

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Heft 17 (1. Juniheft 1918)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14373#0146

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Stühlerücken nnterbricht den Nedner.
Es wird natürlich auch nicht geraucht
dort. Die Akustik ist auch meist besser
als anderswo. Das gesprochene Wort
gewinnt dort unwillkürlich eine größere
Bedeutung. Leute, die nichts zu sagen
haben, halten sich mehr zurück. Heute
gibt's in der Kirche eine liberale, mor-
gen eine sozialdemokratische und über-
morgen eine konservative Versammlung,
und alle sind durch den Ort gehoben.
Tausende von kleinen Versammlungen
finden allabendlich in den abends ja
leer stehenden Schulen statt, und jeder
hält das für ebenso selbstverständlich,
wie daß größere Versammlungen und
ganz große weltliche Kundgebungen,
Konzerte und Gesangs-Aufführungen
in den Kirchen des Landcs abgehalten
werden. Die Auterstellung, daß dadurch
Schnlen und Kirchen „profaniert" wür-
den, fände bei den Schweizern nur
mehr ein Nichtverstehn.

Nobert Albert

Generalfeldmarschall von Hindenburg-
Brücke

ird rnan so sprechen? Amd so
schreiben? Oder einfach: Hin-
denburg-Brücke" ? Da hierüber nicht
der geringste Zweifel besteht, warum
nennt man die Brücke dann: „Ge-
neralfeldmarschall von Hindenburg-
Brücke"? Eine Verwechslung ist doch
wohl ausgeschlossen. And warum nennt
man die „Ludendorff-Brücke" „General
von Lndenüorff-Brücke"? Wie schwer-
fällig, wie unvolkstümlich nnd deshalb
wie häßlich sind alle solche Dressur-
Gangarten des Amtssprach-Schimmels!

Griffe, Känken und Denkmäler

ommt es nun wirklich dahin, daß
in unsern Wohnungen Gebrauchs-
gegenstände auch dort ausgeräumt
werden, wo sich nicht nur kein voll-
wertiger Ersatz beschaffen läßt, son-
dern wo auch wesentliche Summen an
Arbeitsleistung, die später irgendwie
eingebracht werden müssen, mit ver-
loren gehn? Man mnß es unsern „Be-
sitzenden" schon lassen: sie haben sich
unsern bisherigen Beschlagnahmen
gegenüber sanft wie die Lämmer ge°
zeigt. Gegenüber dem drohenden Ans-
räumen der Fenster- und Türgriffe
usw. zeigt sich aber ihre Stimmung

verändert. „Was sein muß, muß sein",
das sagen sie zwar auch noch, soweit sie
vernünftig sind, sie fragen sich aber,
o b das den wirklich sein muß, ob alfo
schon alles geschehn ist, was vor -
herzu geschehn hätte.

Und da haftet der Blick wieder an
den Denkmälern. Mag sein, daß
sie allesamt nicht gar so viel Erz er-
geben würden. Aber erstens: es gehu
immerhin eine ganze Menge von Tür-
klinken und Fenstergriffen in einen
Bronzesoldaten, auch wenn er nicht zu
Roß und nur „dünn" ist, und zwei-
tens: hier kann durch das Wegräu-
men nicht bloß nicht verschlechtert, son-
dern bei gescheiter Auswahl geradezu
und wesentlich verbessert werden.
Hat man „dhnastische" Bedenkeu, so
zeigt das nur, daß man die Stimmung
im Volke nach dem Bilde mißt, das
man in Zeitungen und Versammlungeu
selbst zurecht gemalt hat; wer im Volke
hernmhört, begegnet einer ganz andern.
In seiner weit überwiegenden Mehr-
zahl empfindet das Volk die auf unsern
Straßen und Plätzen herumstehenden
Erz-Riesengardisten als Lächerlichkeiten
oder als Anfdringlichkeiten, auch wo
seinerzeit ein Herr Oberbürgermeister
sie als patriotisch begeisternd gepriesen
hat. Das Volk kann sie auch, soweit
es natürliches Gefühl hat, gar nicht
anders empfinden, denn bis auf einige
Ausnahmen, die man erhalten müßte,
sind diese Denkmäler Theatermache
und Nichtkunst. Ist denn ihr Unwert
von Fachleuten wie Laien immer noch
nicht genügend anerkannt? „Denkmale"
sind sie nur an einen Servilismus-
Betrieb, der hoffentlich doch für immer
vergangen ist. Und nie wieder käme
eine Gelegenheit, sie auf so gute Art
los zu werden! Der Name könnte ja
mit dem Sockel bleiben, denn der Sockel
als Denkmal würde Zumeist schöner
wirken. Avenarius hat darüber schon
im Kunstwart (XXXI, () gesprochen und
auch einen Beleg im Vilde gegeben.
Ietzt sieht es ja fast ausnahmssos nur
so aus, als sei auf einen meist ganz
guten und als „Mal" vollkommen ge-
nügenden Sockel irgendein riesiger Herr
geklettert, um von da oben eine Rede
zu halten oder begeistert auf irgendeineu
Punkt gegenüber zu weisen. Wer keineu
Geschmack hat, den wird das Weg-
 
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