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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 3.1886

DOI Artikel:
Brinzinger, Adolf: Geschichtliche Notizen über einige im Umfang des jetzigen Landkapitels Stuttgart gelegene Pfarreien, Kirchen und Klöster, [12]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20205#0008

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3

Einzelnheiten bei Heideloff geschildert werden. Das
Innere der Paulskirche wirkt aus den Beschauer am schönsten
'in Westm unter der Orgelempore durch seine Länge und sein
Mächtiges geräumiges Mittelschiff, welches die zwei Seitenschiffe
der Arkadenhöhe an hoch überragt und deren doppelte
'.^he und Breite hat. Die Maßverhältnisse der Kirche nämlich
nach Heideloff folgende: das Mittelschiff ist 50 Fuß hoch,
breit, die Seitenschiffe sind nur 16^2 Fuß breit und
70 hoch. Die ganze Kirche hat 67 Fuß Gesamtbreite und
2^0 Fuß Länge bis zum Chor, welcher selbst 53 Fuß lang,
breit und wie das Mittelschiff 50 Fuß hoch ist. 16 runde,
parke kurze Säulen mit einfachen rohen Kapitälen ohne Orna-
^nt, achteckigem Fuß und Gurtgesims und je 2 Halbsäulen
^Jber westlichen Mittelschisswand und am Chor tragen die
^ände und die Gewölbe des Mittelschiffs, die Arkadenbögen
spitzbogig, die Gewölbegurten haben flache Kehlen und
ptzen dxn 6 westlichen Gewölben des Mittelschiffs auf
bitten Konsolen ab, in den vorderen Gewölben auf Halb-
.sfulen mit Kapitälen und konsoleuartigem Fuß; in den Seiten-
rissen ruhen die Gurten einerseits auf den Säuleukapitälen
^ Mittelschiffs, andrerseits auf einfachen Konsolen der Nord-
Südwände. Im Mittelschiff sind schöne Schlußsteine: ein
^ llorno, Madonna mit Kind und Heilige darstellend, in
"n Seitenschiffen sind Wappen, ein Meisterzeichen, auch Köpfe,
^en Bedeutung trotz eifriger Nachfrage uns leider niemand
^rätseln konnte, im mittleren Gewölbe des Mittelschiffs ist
große kreisförmige Öffnung. Hinten in der Kirche ist
'u alter Grabstein eines 1447 gestorbenen Weihbischofs Jo-
7'jnnes von Augsburg. Der Chor hat keine Schlußsteine,
llwe Dienste, auf deren Kapitälen die Gurten aufsitzen, laufen
als Dreiviertelsäulen bis zum Boden herab. Dem Südschisf
^.rechts vom Chor die Sakristei vorgelegt, 25^2 Fuß breit und
^ Fuß lang, mit hübschen lanzettenförmig neben einander
kopierten Fenstern, das nördliche Seitenschiff dagegen ist um
övei Gewölbekreuze verlängert und bildet die Marienkapelle,
u Mauer rechts vor der Sakristei steht der St. Josephs-
^ar. In manchen Teilen soll die St. Paulskirche merk-
Awdige Ähnlichkeitspuukte aufweisen mit der 40 Jahr später
^ -^3—77 erbauten Dominikanerkirche zu Negensburg sowohl
Grundriß als Aufriß, obwohl die Regensburger Kirche
^ großartiger angelegt ist und weit mehr noch als die St.
Faulskirche den vollendeten Sieg der Gotik darstellt, wie eine
kunstverständige Feder in der „Augsburger Postzcitung"
mner Zeit diese Parallele dargelegt hat.^) Die Paulskirche
^ einstens, wie vr. Schwarz vermutet, innen ganz ausge-
Freskenreste fanden sich im Chor, der jetzt eine beschei-
Teppichmalerei erhalten hat. Wenn später Mittel zur
- pJuiMug sich finden sollten, möchten wir für die Seiten-
die Leidensstationen, für den Chor Scenen ans der
^schichte des Völkerapostels Paulus, des Patronen der Kirche
^chfehlen, etwa nach den herrlichen Vorbildern der Tapeten
^Afaels im Vatikan. Der Kgl. Finanzverwaltung, den kirch-
schen Oberbehörden, wie den hiebei mitwirkeuden Faktoren in
.rstlingen ist es als ein entschiedenes Verdienst anzurechnen,
herrliche Denkmal der Frühgotik dem Ruin entrissen und
Mein ursprünglichen Zweck wieder zurückgegeben zu haben.
. 3) Wir haben schließlich in einigen wenigen Sätzen noch
kurze Übersicht über die Geschichte der jetzigen
lischen StadtPfarrei Eßlingen zu geben. Seit
stellte sich die Reichsstadt Eßlingen auf die Seite der
Mrinatoren, anfangs Zwingli, dann aber Luther sich zu-
0 „Augsburger Postzeitung", 1860, Beilage Nr. 126.

neigend, der katholische Gottesdienst wurde abgeschafft, dauerte
aber auch nach der Reformation in den Pfleghöfen der katho-
lischen Klöster fort, besonders in der Marienkapelle des Kai-
sersheimer Hofs (welche MLZisker Trukvvinus ?1i)/3icu3
LelinAensis schon 1303 hatte erbauen lassen); im Jahre 1548
besuchte Karl V. Eßlingen auf seiner Rückreise von Augs-
burg und ließ das Interim einführen, der katholische Gottes-
dienst wurde zwar bald nachher wieder aufgehoben und nur
privatim für die Bewohner der katholischen Pfleghöfe der
Stadt in der Marienkapelle gestattet, trotzdem aber, was ver-
schiedene Streitigkeiten veranlaßte, darin auch öffentlich abge-
halten. Erst 1566 brachten es Peter Daunhäuser und Leon-
hard Gundelfinger beim Rat dahin, daß dieser Gottesdienst
wieder beschränkt und dessen Besuch bei 10 fl. Strafe den
Bürgern verboten wurde. Während des 30jährigen Kriegs
aber gelang es den Klosterpflegern mit Hilfe der kaiserlichen
und bayerischen Heerführer, besonders des Mercy und Johannes
von der Werth wieder vollständigen Gottesdienst bei offenen
Thüren mit Läuten und Orgelspiel in der Marienkapelle ein-
zurichten, auch Taufen, Kopulationen und Kommunionen da-
selbst vorzunehmen und der Rat war zuletzt noch froh, daß
er dadurch die Anforderung, eine der protestantischen Kirchen
zum katholischen Gottesdienst herzugcben, besser ablehnen
konnte. So z. B. versuchten die Katholiken 1608 die Frauen-
kirche, 1660 die Paulskirche zu erhalten. Nach Beendigung
des 30jährigen Kriegs aber traten der Abschaffung des katho-
lischen Gottesdienstes die Bestimmungen des Normaljahrs 1624
entgegen, wornach der vor demselben eingeführte Gottesdienst
fortbestehen sollte. Man befürchtete, bei Ergreifung ernstlicher
Maßregeln würde sich das Kloster Kaisersheim an den Neichs-
hofrat oder an das Reichskammergericht wenden und hier einen
günstigen Spruch erlangen. Daher ließ man es bei Protesta-
tionen bewenden und suchte den Zulauf fremder Katholiken
durch Schließung der Thüren zu verhindern. Erst 1666 wurde
beschlossen, das Messehallen und Predigen in der Kapelle zwar
zu gestatten, dem Taufen, Kopulieren und Läuten in der Christ-
nacht aber sich ernstlich zu widersetzen.Im Jahre 1618
den 31. Aug. übernachtete Erzherzog Leopold in Stahls Gast-
hof und fuhr am andern Morgen früh in den Kaisersheimer Hof
zur hl. Messe. Über die späteren Schicksale der Katholiken
in Eßlingen fehlen nähere Angaben. Die Marienkapelle wurde
später abgebrochen. Im Jahre 1806 stiftete König Friedrich
von Württemberg die jetzige katholische Stadtpfarrei Eßlingen
mit freier Ausübung aller pfarramtlichen Rechte, welche Stif-
tung am 22. November 1806 vom Generalvikariat Konstanz
auch kirchlich bestätigt wurde. Zuerst wurde den Katholiken
von 1806—1811 die Spitalkirche eingeräumt, nach deren Ab-
bruch die Frauenkirche, wo Stadtpfarrer Sinz am 15. Aug.
1813 wieder erstmals ein katholisches Hochamt celebrierte. Als
sodann im Frühjahr' 1840 die Hintere Kirche abgebrochen
wurde und der dortige protestantische Gottesdienst in die
Frauenkirche verlegt wurde, wurde letztere zum Simultanenm,
bis endlich, wie oben berichtet worden, 1860 den Katholiken
die Paulskirche überlassen worden ist. Katholische Stadtpfar-
rer in Eßlingen waren: Georg Anton Sinz seit September
1806, daniÖ1816 Wild, 1825 Eisele, 1830 Dirr, 1838
Schneider, 1846 Kaufmann, 1858 Zimmerle, 1861 Kreuzer,
1875 Weber, 1881 Kesenheimer.H Die Zahl der Katholiken
stieg seit 1806 von 100 bis über 1600. Den Kunstfreunden
unseres Blattes empfehlen wir einen Besuch der herrlichen

blätter^S ^150 gingen, S. 880 und Keim, Ncformations-
st Nehcr, Katalog, 1878, S. 278.
 
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