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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 3.1886

DOI Artikel:
Roth, Rudolf: Die St. Martinskirche und Pfarrstelle in Leutkirch, [8]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20205#0081

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76

der Sache an unserem rechtmäßigen, alten Herkommen und
Gebräuchen, weder zu turbiren oder zu verhindern. Das alles
habe ich euch aus berührten neuerem Schreiben zu begehrter
Antwort und wahrhaftigem Berichte freundlicher und dienstlicher
Meinung nicht wollen verhalten.
Weingarten, den 10. April 1562. Gerwikh, Abt zu
Weingarten und Ochsenhaufen."
Der Stadtschreiber Zimprecht Thunauer übergab im Na-
men des Bürgermeisters und Rats der Stadt Leutkirch am
13. April an die Kreisstände in Ulm eine Protestation, worin
er sich ernstlich verwahrt, daß sich in Leutkirch neben der
Augsburger Konfession noch andere Sekten befinden. Er führt
an, seine Oberen und Herren hätten die Augsburger Konfes-
sion unterschrieben und besiegelt, auch die eingestellten Prädi-
kanten hätten laut ihrer Bestallung nur nach der Augsburger
Konfession zu predigen, schwören müssen und würden keine
andern Sekten geduldet. Ferner stellt er in Abrede, daß der
Prälat in Weingarten und seine der alten katholischen Reli-
gion zugehörenden Parochianen in Ausübung ihrer Religion
gehindert, perturbiert, betrübt würden. Zum dritten sucht er
in Zweifel zu ziehen, daß der Abt mit dem Landvogte einen
gütlichen Ausgleich zu pflegen beabsichtige, und empfiehlt schließ-
lich die Stadt Leutkirch dem gnädigen Beistände der Kreis-
stände.
Noch an demselben Tage übersandten die Kreisstände an
den Abt eine Rückantwort, worin sie demselben anzeigen, daß
sie den Gesandten von Leutkirch verhört und ihm den Brief
vom 10. April 1562 übergeben hätten.
Es heißt dann weiter: „In Betrachtung, daß sie die alte
Religion daneben gedulden wollen rznd dermassen deßhalb in
den Stunden, da die Predigt und Sakrament gehalten, keine
Verhinderung thun wollen, auch sonsten die weltlichen Stände
dieses Kreises in vielen gleichmäßigen Fällen gegen den geist-
lichen zum vordersten auch gegen der Römischen Kaiserl. Maje-
stät selbst in guter Richtigkeit standen, so ist nochmalen Euer
Gnaden unsere freundliche und dienstliche Gesinnung, Sie wol-
len sich hierin selbst der Billigkeit weisen und damit die Stände
dieser Sache einmal zu Ende verhelfen vermöchten, so habeil
sie mit Fleiß uns gebeten, auch in Schriften ersucht den Ehr-
würdigen re. Herrn Johann Abt zu Roggenburg, den Herrn
Kommthur von Altshausen, die Herren der Städte Ulm und
Biberach, daß sie sich gütlicher Unterhandlung unternehmen
und Jemanden außer Ihnen zu unserer Gelegenheit zu Euer
Gnaden und diese Sachen allerseits dem Reichsabschiede ge-
mäß abfertigen. Indem sie sich der Hoffnung hingeben, der
Abt werde eine gütliche Handlung anberaumen, versichern sie
ihn der dienstlichen und freundlichen Gesinnung re. Datum
Ulm, den 13. April 1562. Gemeine Kreisstände. Den: Herrn
Prälaten zu Weingarten." Die Stadt Leutkirch hatte als
weitere Kommissäre noch den Heinrich Truchseß von Waldburg
und die Stadt Lindau, auf welche sie gefreit worden war, mit
in Vorschlag gebracht. Allein es blieb Lei den bereits erwähn-
ten von den Kreisständen vorgeschlagenen Kommissären.
Der Prälat von Weingarten willigte, endlich wohl der
Sache müde, in den Vorschlag der gütlichen Unterhandlung
und zu den hiezu benannten Kommissären ein. Er zeigt au,
daß er auch hierüber von Seiner Majestät und dem Land-
vogt Erlaubnis und Instruktion erhalten habe. Da er jedoch
wegen Unpäßlichkeit und Leibesschwäche nicht wo anders hin
reisen könne, so lade er die von den Ständen ernannten Kom-
missäre zu sich in das Gotteshaus Weingarten ein. Es kam
endlich nach jahrelangen Streitigkeiten und Feindseligkeiten
nachstehender Ausgleichsvertrag zu stände:

„1) Sollen und wollen Bürgermeister und Rat von Lent-
kirch dem Herrn Prälaten von Weingarten bei der alten Re-
ligion, der Kirchengebräuche und Ceremonien in der Pfarrkirche
daselbst, deßgleichen bei seiner Lehenschaft, Renten, Zinsen
Gülten, Zehenten, Rechten und Gerechtigkeiten wie von Alterd
Herkommen ruhig und unturbirt lassen, dessen und pfärrigetz
Unterthanen keine Verhinderung oder Eintrag zufügen aus
Grund des allgemeinen Religionsfriedens.
2) Soll und will der Herr Prälat von Weingarten den
Bürgermeister, Rat und Gemeinde der Stadt Leutkirch ^
der Augsburgischen Konfession, deren Lehr, Ceremonien, KE-
chengebräuchen außerhalb der Pfarrkirchen daselbst auch aller-
dings ungeengt und ungeirrt bleiben lassen, ihnen daran keinen
Eintrag oder Verhinderung zufügen in keiner Weise noch Weg
auch nach Ausweis des allgemeinen Religionsfriedens.
3) Hat der Herr Prälat ferner gütlich bewilligt, dah
Bürgermeister und Rat zu Leutkirch die Gefälle und Nützlin-
gen, so zu den drei Pfründen namentlich des Spitals,
Annen und St. Nikolansen gestiftet und gehörig sind, fernerhin
einnehmen, empfangen und dieselbigen zur Unterhaltung der
bestellten Kirchendiener und Schulmeister der Augsburgischen
Konfession verwenden sollen und mögen, und könne der He^
Prälat als Kollator und Patronus keinen Eintrag noch Ver-
hinderung mehr thun, ihnen auch keinen Priester zu derselln-
gen mehr präsentiren.
4) Sollen und mögen Bürgermeister und Rat der Sta^
Leutkirch, die Gefälle so zu St. Martinspsründ zu den Anni-
versarien und Almosen, deßgleichen dem Kirchengebäu gestistE
und gewidmet seien, wohl einuehmen, aber schuldig sein, von
demselben die Kirchengebäu, Ornaten der Kirche und dann nN
Oel und Wachs genügend unterhalten und versehen, die lD
stiftete Jahrtage, Präsentien und Almosen zu entrichten nisv
bezahlen, wie von Alters Herkommen ist, was aber dann noa'
übrig und bevor sein und bleiben wird, das mögen sie ani-
malen zu Unterhaltung der Kirchendiener und Schulmeister N'i
Angsburger Konfession verwenden ohne aller Einwendung vN
Seiten des Herrn Prälaten.
5) Soll Bürgermeister und Rat das St. Leonhai'N
Kirchlein zu den Sonder-Siechen, so seit etlichen Jahren
sperrt, wieder eröffnet und gestattet werden, daß der H^.
Prälat als Kollator dieselbe mit einem tauglichen Priester dei
alten Religion versehen möge ohne Verhinderung derer vvU
Leutkirch.
6) Dem seither diese Pfründ verliehenen Priester, Zs
seit drei Jahren mit Arrest belegten Früchte oder deren Wes
zuzustellen, auch fernerhin die der gemeldeten Kaplanei GestchO
Zinsen, Zehnten und die Behausung ungehindert zu überlaste^
7) Sollen der Bürgermeister und Rat in Leutkirch
rechtigt sein, diejenigen Früchte der St. Annen- und der SpitZs
Pfründen, welche in den vergangenen 3 Jahren von der Lachs
vogtei Schwaben mit Arrest belegt worden, an obiger
ferung (Pkt. 6.) in Abzug zu bringen oder zu kompensiren-
8) Sollen und wollen Bürgermeister und Rat zu Leu s
kirch dem Schulmeister der alten Religion die alte Schule Z
Haus auf dem Kirchhof einräumen, dagegen dem der AE's
burger Konfession eine andere Behausung geben, damit keiU^
durch die andere an ihren Kirchenübungen verhindert wevH
und dürfen hiezu die zwei Pfründhäuser zu St. Anna u>u
des Spitals ohne Einsprache des Prälaten benützt werden- .
9) Soll Balthaser Bendel, Priester und Kaplan, mit st's
nen Ansprüchen an die in der St. Niklausen Pfründe verfallen^
Nutzungen abgewiesen sein und jede Partei ihre Kosten trage''
Der Ausstand dieses Kaplans von dem Herrn Prälaten vv>
 
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