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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 12.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.13559#0045

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Heroen, bei denen eine dramatische Action sich auch gestaltlich auszu-
prägen hat, ist es etwas ganz Anderes. Wie kann die Bedeutung
solcher wein innerlich großen Männer äußerlich zur Erscheinung ge-
bracht werden? Unter hundert Fällen wird der Beschauer 99 mal
eine Enttäuschung fühlen, weil er sich den Mann „ganz anders ge-
dacht" oder vielmehr, weil die Unbestimmtheit des allgemeinen Ideals,
welches er aus der Kenntniß der Werke des berühmten Musikers,
Dichters u. s. f. schöpfte, durch die konkreten Details, welche noth-
wendig mit dem Zeitkostüm u. s. f. verbunden sind, zwar in be-
stimmte Grenzen gebracht, aber eben darum auch verunreinigt, bor-
nirt, kurz trivialisirt wird. Derartige Motive mögen als Holzschnitt-
Illustrationen ihren praktischen Zweck haben, als Kunstwerke für sich,
besonders aber als Gemälde, müssen sie stets einen mehr oder weni-
ger prosaischen Eindruck machen. So bieten sie der Kritik höchstens
vom technischen Gesichtspunkt Anlaß zur Beurtheilung, und in dieser
Beziehung bemerke ich in Betreff des Merlö'schen Bildes, daß es
recht subtil gemalt ist, auch einen gewissen Reiz im Ausdruck besitzt,
der aber keineswegs sich bis zu feinerer Charakteristik erhebt. Auch
die Hamann'schen Bilder sind recht hübsch in der Farbe, aber
von einer Charakteristik, geschweige denn von einer inneren Handlung -
ist keine Spur darin. Uebrigens darf ich — da eine Vergleichung
dieser fremden Werke der durch ihr Kolorit und ihre technische Bra-
vour berühmten belgisch-französischen Schule mit den Werken der
Düsseldorfer nahe liegt — nicht verschweigen, daß auch in diesen Be-
ziehungen keins von ihnen den besseren Arbeiten unserer Schule, wie
z. B. „Die Konsultation" von W. Sohn, „Coeur k tout" von Hoff
und ähnlichen im Entferntesten nahe kommt.

Von deutschen Gemälden anderer Schulen erwähne ich zunächst
die „Idylle" von F. Voltz (München), welche ebenso reizend in der
Komposition wie schön in der Stimmung ist, auch ist das Bieh vor-
meisterhaft gemalt. — Auch die „Landschaft" von Brom eis ist
vortrefflich gestimmt und gezeichnet; ein tüchtiges Studium zeigt sich
ferner in der „Landschaft mit Badenden" von Ludwig (München).
— Was Volker's „Pferdeportraits" betrifft, so erscheint zwar so-
wohl Malerei wie Zeichnung nicht ohne Härten, aber das Kolorit
hat eine gute Haltung. — Dagegen gehören die ausgestellten Land-
schaften von Brandis (Braunschweig) nicht zu den besseren Werken
dieses sonst schätzenswerthen Meisters. — Endlich nenne ich noch
Fauerland's „Marine", die recht lebendig im Arrangement und
gediegen in der Farbe ist.

LH St. Petersburg, Anfang Januar. (Die Werke für
die pariser Welt-Ausstellung in der Akademie. — Die
permanente Kunst-Ausstellung. — Der Künstlerclub.
Schluß.) — In der permanenten Kunstausstellung sind, wie ich
Ihnen bereits früher meldete, die verschiedenen Arbeiten für die Kon-
kurrenz in den Gebieten des Genres, der Landschaft und Zeichnung
ausgestellt. Aus ersterem Gebiete ist zunächst ein Bildchen hervor-
znhebcn, das uns ein Geschwisterpaar im Schneegestöber vorführt.
Der schwächliche Knabe sitzt, von Müdigkeit überwältigt, dem Er-
frieren nahe, auf einer Bank, an einen Bretterzaun gelehnt; zu
Füßen hat er seinen Leierkasten; neben ihm steht die jüngere, kräfti-
gere Schwester, welche über den Leiden des Bruders ihre eigene
hülflose Lage vergißt. Die Figuren sind frisch und keck gemalt und
der Komposition fehlt es nicht an Natnrgcfühl. — Ein zweites
Genrebild stellt eine Scene zwischen einer miethefordernden Wirthin
und ihrem lustigen Einwohner dar, welcher ihr statt jeder Antwort
Geigenspiel und Tanz bietet, ein drittes einen Mönch, welcher Hei-
ligenbilder rc. verkauft; ein viertes einen Pflüger an einem sonnen-
beschienenen Bergabhange; ein fünftes einen jungen Maler, der einem
würdigen Ehepaare und dessen jugendlicher Tochter ein Erzeugniß
seiner Kunst zur Ansicht bringt; ein sechstes — doch genug: es sind

etwa ein Dutzend solcher Bilder, aber die meisten darunter eben
Dutzendbilder.

Mehr Eindruck machen die Landschaften; freilich ist hier ein
solcher auch leichter zu erreichen. Ein recht gutes Bild ist die „Fich-
tenwaldpartie"; ebenso ein zweites, das eine „Ebene" darftellt, wie sie
die Umgebung Petersburgs vielfach bietet, von der sich ein von einem
Sonnenblick grell beleuchtetes Städtchen abhebt, während Vor- und
Hintergrund von einem dichten Wolkenhimmel, oder vielmehr einem
heranziehenden Unwetter beschattet werden. Ueber die Fläche hin
zieht sich ein öder Weg. -— Erwähnenswerth ist ferner eine „Ge-
birgsgegend", offenbar dem Kaukasus entnommen. Außerdem sind
etwa noch fünf zur Konkurrenz eingereichte Landschaften vorhanden,
über welche etwas Besonderes nicht zu bemerken ist.

Unter den Entwürfen zu Möbeln, welche eingegangen sind,
zeichnet sich der mit dem Zeichen 8. 6. durch leichte geschmackvolle
Zeichnung und Strenge in dem geforderten Style auszeichnet. Doch
ist der Schrank unschön. Warum aber hat das Konkursausschreiben
gerade diesen Styl, den s. g. russischen Styl des siebenzehnten Jahr-
hunderts, der sich durch nichts weniger als Schönheit und Ursprüng-
lichkeit kennzeichnet, gewählt? Unserer Ansicht nach hätte man den
Konkurrenten die engere Wahl der Stylart überlassen können. —
Unter den andern Entwürfen ist der Tisch recht gelungen. Hübsch
gezeichnet ferner ist eine dritte Arbeit. An Entwürfen zu Sakra-
mentshäuschen und Leuchter ist nur eine Arbeit, zu dem Schatz-
kästchen sind sieben eingegangen, unter denen sich viel Geschmack-
volles befindet.

Von sonst — abgesehen von den Konkurrenzarbeiten — ausge-
stellten Werken hebe ich hervor zwei „Schweizer-Landschaften" Ca-
lame's, zwei „Seestücke" (Sturm) von Derrot; ferner von Prof.
Bohnstedt eine „Ansicht der Tempelruinen von Pästum", welche
viel Interesse erregt. — Eine ansprechende Landschaftsstudie ist
Resanow's keck gemalte Banmgrnppe am Wasser. — Von Sswer-
tschkow finden wir eine Novität: Aus einem Walde kommt ein
Dreigespann geflogen und überrennt beinahe eine von einem Finnen
geführten Schlitten: ein anderer, kaum der Gefahr entronnener, jagt
in schnellem Trabe davon. Meisterhaft hat es Sswertschkow ver-
standen, die Verschiedenheit im Charakter der russischen und finnischen
Pferderace so wie auch der Menschen wiederzugeben. Etwas thea-
tralisch wirkt die übertrieben Helle Schneefläche des Vordergrundes.
An Sswertschkow's Art wird man durch ein anonymes Bildchen
erinnert: „Ein Kosak zu Pferde auf der Jagd sich eine Pfeife an-
steckend." Wie es scheint, gehört das Bild anch zu den Konkurs-
arbeiten. Was Sswertschkow als Maler, leistet Lieberich als
Bildhauer. Wieder ist eine hübsche Anzahl neuer Erzeugnisse seines
Talentes ausgestellt. — Nennenswerth sind schließlich: „Französische
Zuaven beim Kartenspiel" von Billain: „Marsch russischer Trup-
pen im Kaukasus", Landschaftsskizzen von Schi sch kin.

Neues Leben herrscht in dem im vorigen Jahre gegründeten
Künstlerclub, der sich jetzt ein den Bedürfnissen entsprechendes
Lokal (im Troizkij Pcrculok, Haus Roadse) gemiethet hat. In einem
geräumigen Saale finden Dienstags musikalische und declamatorische
Vorträge, Donnerstags Tanzabende statt. In den zahlreichen Neben-
räumen finden wir ein Lesezimmer, einen Saal für Gemäldeausstel-
lungen, der gegenwärtig mit einer größeren Anzahl recht tüchtiger
Werke geziert ist; ferner mehrere Billards und geräumige Speisesäle.
An den Unterhaltungsabenden herrscht, wie ich mich durch Augen-
schein überzeugt habe, ein ungezwungener, gemüthlicher Ton. Der
Zudrang von Gästen zu denselben war bisher ein ungewöhnlich großer.
Auch ernstere Zwecke läßt der Clnb nicht außer Augen. An be-
stimmten Tagen der Woche beschäftigen sich die Mitglieder der Ge-
sellschaft, je nach ihrer Specialität, gemeinschaftlich.
 
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