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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 12.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.13559#0082

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66

um es für den obigen Zweck zu verwenden. Dieser Grundsatz
ist durchaus richtig für das Innere der Stadt, besonders für
diejenigen Theile derselben, in denen sich hauptsächlich der ge-
schäftliche Verkehr koncentrirt, er verliert an Bedeutung für
die Stadttheile vor den Thoren überhaupt und ist vollkommen
falsch für diejenigen, nach denen der Strom der vornehmen
und reicheren Welt seine Richtung nimmt. Jede große Stadt
hat solche bevorzugte Gegend, und bekanntlich ist es bei den
meisten großen Städten — ob durch Zufall oder nicht — der
Süd-Westen. So ist es in London, so in Paris, so auch
in Berlin; nämlich in letzterer Stadt die ganze Gegend auf der
südwestlichen Seite des Thiergartens.

Wenn nun hier, wie man schon begonnen hat, lediglich
große Miethskasernen gebaut würden, so dürfte in Kurzem die
ganze Gegend in einer bedenklichen Weise entwerthet werden;
ja die jetzt noch eleganten und malerisch angelegten Straßen,
wie die Regentenstraße, die Victoriastraße u. s. s. würden unter
der Nähe eines solchen im Miethskasernenstyl erbauten Stadt-
theils leiden. Man werfe nur einen Blick auf andere große
Städte, z. B. das ungeheure fünfmal so große und bevölke-
rungsreiche London: in dem inneren Kern der Stadt, der
City und den anderen geschäftlichen Theilen, finden sich aller-
dings die Häuser zusammengedrängt, enge Straßen und wenig
freie Plätze; nach der Peripherie hin aber erweitert sich mehr
und mehr die Perspektive, die Gebäude werden kleiner, fast nie
über zwei Stock hoch, stets sind sie von Gärten umgeben und
dienen zum größten Theil immer nur einer Familie zur Be-
hausung. Wenn dies also in London, wo der Grund und
Boden wohl schwerlich billiger als hier in Berlin ist, zweck-
mäßig und praktisch erscheint, warum sollte dies bei uns nicht
ebenso erscheinen? Die in Allem, was Geschäft heißt, sicher-
lich uns überlegenen Engländer wissen aber sehr wohl, daß,
wenn die Vorstädte und Außentheile der Riesenstadt in eben
demselben gedrängten Geschäftsstyl, ohne Rücksicht auf Luft und
Licht, gebaut würden, dieselben in kurzer Zeit entweder leer
stehen oder dem „kleinen Mann" anheimfallen, dadurch aber
entwerthet werden müßten. Die reichen Kaufleute, die höheren
Beamten, welche Tags in dem Dunst und Staub der City
und ihrer Comptoirs und Bureaux zu athmen gezwungen sind,
ziehen sich hier draußen nach vollbrachtem Tagewerk in eine
verhältnißmäßige Abgeschlossenheit zurück und bezahlen gern den
unschätzbaren Vortheil, von reiner Luft, freiem Licht und grünen
Bäumen umgeben zu sein. Würde ihnen dies entzogen, so
wären sie eben gezwungen, noch weiter hinaus zu ziehen.

Wenn wir hiervon eine Anwendung auf unsere Verhält-
nisse machen, so liegt es auf der Hand, daß, wenn der bereits
nach Straßen und Plätzen festgesetzte Bebauungsplan des Stadt-
theils, den wir hier zunächst im Auge haben, in der Weise aus-
geführt würde, daß die verschiedenen Besitzer der Grund-
stücke sich zu dem gemeinsamen Verfahren vereinig-
ten, ausschließlich an solche Bauunternehmer Grund-
stücke abzugeben, welche die Verpflichtung überneh-
men, nur nach einem vorher entworfenen allge-
meinen Plan, dessen Princip der Villeiistyl ist, zu
bauen, in welchem die Größe des Gebäudes imVer-
hältniß zu der des Gartens u. s. f. genau bestimmt

wäre, dies für die ganze Gegend von unberechenbarem Vor-
theil wäre.

Wir verstehen natürlich unter einem solchen „allgemeinen
Plan" nicht, daß alle einzelnen Häuser nach einem und dem-
selben Modell gemacht werden sollen. Im Gegentheil, auch
hierin kann und soll die größte Mannigfaltigkeit herrschen, aber
eine Mannigfaltigkeit, welche die Harmonie nicht ausschließt.
Man studire nur den von dem genialen Hitzig gebauten Theil
der Victoriastraße unter diesem Gesichtspunkt der harmonischen
Mannigfaltigkeit: und man wird leicht erkennen, was wir mei-
nen. Ueberall herrscht hier eine feine Berechnung der Aehnlich-
keiten und Gegensätze, ein genaues Abwägen des Passenden, so
daß Eins das Andere hebt und zur Geltung bringt. Eine
solche Gemeinsamkeit des Planes erhöht — durch die schöne
Totalwirkung aller Gebäude — zugleich die Bedeutung und den
Werth jedes einzelnen. In solcher Weise könnten dann ganze
Straßen-Komplexe angelegt werden, und jedes zu solchem Kom-
plex gehörige Haus würde an den gemeinschaftlichen Bortheilen
eines Straßen-Springbrunnens, grüner Rasenplätze mit Baum-
gruppen u. s. f. gleichen Antheil haben. Sicherlich würden
die Grundstücke dadurch im Preise steigen, weil der reicheren und
vornehmeren Welt die Aussicht geboten wäre, sich nicht nur für
sich in wirklich eleganter und comfortabler Weise einrichten zu
können, sondern auch die Allen zu Gute kommenden Vortheile
einer gleich anmuthigen Umgebung zu genießen.

Der Leser wird hierbei vielleicht denken, daß wir unser
Versprechen, keine idealen Utopien aufstellen zu wollen, nicht
gehalten zu haben; indeß möchte er seine Meinung ändern,
wenn wir die Bersichernng hinzufügen, daß diese Vorschläge nicht
bloß „gut gemeint" sind, sondern daß sie sich an ein bestimmtes
Factum knüpfen: daß mit anderen Worten diese Ideen, wenig-
stens auf mehreren beträchtlichen Theilen des erwähnten Ge-
biets, sichere Aussicht haben, zur praktischen Ausführung zu ge-
langen. Es sind uns mehre Besitzer von bedeutenden Terrains
bekannt, welche entschlossen sind, die von uns aufgestellten Prin-
cipien zur Geltung zu bringen. Namentlich der Besitzer des
umfassenden Terrains, welches sich in der Gegend von Krugs
Garten vom Boulevard des Kanals bis zur Genthinerstraße
und bis zu dem neuprojektirten „Nollendorfer Platz", in den
die Bülowstraße in der Nähe des botanischen Gartens einmün-
det, hinzieht und einen Grundwerth von vielleicht einer Million
hat, trifft bereits Vorbereitungen, um diesen ganzen ihm ge-
hörigen Komplex nach einem bestimmten Plan für durchgängige
Villenbauten zu parzelliren, in denen sich der für die eigent-
lichen Gebäude bestimmte Raum zu dem für die Gärten be-
stimmten wie etwa 1:3 verhält. Wenn wir hinzufügen, daß wir
bereits Gelegenheit hatten, bei dem mit der Entwerfung des
Plans beauftragten Architekten nicht nur von der Disposition
der einzelnen Grundstücke, sondern auch von den Entwürfen
für die darauf projektirten, ebenso malerischen wie praktisch ein-
gerichteten Häuser Kenntniß zu nehmen, so dürfte der Vor-
wurf, daß unsere Vorschläge auf „bloßen" Ideen beruhen und
unausführbar seien, wohl seine Haltbarkeit verlieren.

Es bleibt uns Angesichts dieser Thatsache nur noch
übrig, den anderen Besitzern von Grundstücken, besonders auch
denen nach der Seite des Kreuzberges hin, dies Verfahren
 
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