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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 12.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.13559#0083

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dringend zur Nachahmung zu empfehlen; und wiederholen wir
unseren Vorschlag, daß eine größere Anzahl von Besitzern an-
einanderstoßender Grundstücke sich zu dem vorgedachten Zweck
vereinigen möge, da wir überzeugt sind, daß jeder einzelne
einen Vortheil dabei erzielen wird, wenn ganze Straßenkomplexe
nach einem gemeinsamen malerischen Plan bebaut werden.

Schließlich sei noch ein Punkt angeregt. Wir haben von
dem Unwesen der ornamentalen Scheinarchitektur gesprochen,
der im Verein mit dem Miethskasernenbausthl der wahre Krebs-
schaden unserer modernen Bauweise ist. Gerade bei dem klei-
neren Villenstyl würde diese Scheinarchitektur doppelt ruinen-
haft und trostlos erscheinen. Möge man doch endlich von der
Ghpskleisterei und Cementverschmierung, welche nur Laien und
auch diese nur auf kurze Zeit zu täuschen im Stande ist, zurück-
kehren zu dem soliden, gesunden, wahrhaften und für unser
Klima so sehr geeigneten Backsteinbau. Die unvergleichlich
schönen Muster, welche uns Schinkel in seiner Bau-Akademie,
welche noch heute so aussieht wie vor 20 Jahren, dem Feilner-

schen Hause u. a. m. hinterlassen hat, und die doch wahrlich
an Gediegenheit und Schönheit, an Reinheit der Form und
Dauerhaftigkeit des Materials den zusammengepappten Häusern der
heutigen Architektur unendlich vorzuziehen sind, möchten gerade
für die neuen Stadtheile recht angemessen sein, da der rothe Ton
der Ziegel jedenfalls zu dem Grün der Bäume und Rasen-
plätze einen für das Auge wohlthuenderen Kontrast hervorbringt,
als die monotone Stein- und Kalkfarbe unserer meisten moder-
nen Häuser. Außerdem ist die heutige Ziegelfabrikation so weit
vorgeschritten, daß sie nicht nur aller, auch der zartesten archi-
tektonischen Formen sich bemächtigt hat, sondern auch im Stande
ist, der Farbe, je nach Bedürfnis, jede beliebige hellere oder
tiefere Tönung zu verleihen. Jedenfalls aber würde damit dem
Schein und der Lüge, welche das eigentliche Wesen unseres heu-
tigen Privatbausthls ist, ein Ende gemacht werden, was für die
„Weltstadt" Berlin, die — wie wir schon einmal bemerkten —
durch ihre Schein-Architektur bereits in Verruf gekommen ist,
ein nicht zu unterschätzender Gewinn wäre. M. Sr.

Korrespondenzen.

ien, Ende Februar. (Die Februarausstellung
des österreichischenKunstvereins.) Auffallend
ist der jetzt schon durch mehrere Monats-Ausstel-
lungen bemerkbare Mangel an Werken von wiener
Künstlern, insbesondere an Werken von größeren
Dimensionen. Sollte das vergangene, zur geistigen
Arbeit so wenig geschaffene Jahr noch immer rück-
wirken? Was immer der Grund sein mag, jedenfalls ist eine ge-
wisse Lauheit im Ausstellen bemerkbar, welche den Verein schon seit
längerer Zeit zwingt, bereits früher ausgestellte Werke wegen Ueber-
sluß an Platz nochmals auszustellen. Da nun das Lokal des Ver-
eins ohnehin nicht gar zu viele verfügbare gute Plätze hat, so er-
scheint dem Besucher die Ausbeute doppelt geringe.

In diesem Monate sind indeß doch verschiedene neue Bilder, auch
größeren Umfanges, meist der religiösen Historie angehörig, aufgestellt,
mit denen ich meinen Bericht beginnen will. Ich erwähne zuerst
Otto Meugelberg's Gemälde „Christus und die Jünger zu
Enimaus". Es ist ein akademisch richtiges Bild, von tadelloser Zeich-
nung und auch schöner, traditionell heiliger Farbe. Da das Bild von
kmem Norddeutschen gemalt ist, so erscheint natürlich der Christus-
kopf schön blond und blauäugig, ebenso zeigt der eine Jünger einen
Nordischen Reckenkopf, der zweite dagegen möglichst zausiges Haar,
nm doch auch etwas Hebräisches zu bringen.*) — So umfangreich

und so hübsch dieses Bild auch gemalt ist, so macht es doch keinen
wirksamen Eindruck, es läßt durchaus kalt und gleichgültig, weil
ihm die innere Wärme und vor Allem Energie fehlt. — Szyna-
lewski's (in Krakau) „Opfer aus dem ersten Jahrhundert der
Christenheit" gehört ebenfalls in die Kategorie der akademischen Bil-
der; es ist rein Modellstudie und kann daher trotz der ebenfalls hüb-
schen Farbe und recht tüchtigen Behandlung Niemandem eigentlichen
Genuß verschaffen. Zum Theil liegt dies Wohl auch in der theils
sentimentalen, theils unverständlichen Auffassung des Motivs. Wenn
man nur den Titel im Katalog liest, glaubt man irgend eine rea-
listische Scene tragischen Inhalts erwarten zu dürfen. Schaut man
dagegen, ohne den Titel zu kennen, auf das Bild, so dürfte man
daraus schwer den Gegenstand erkennen. Man erblickt einen ziem-
lich unbekümmert dreinschauenden Jüngling mit einem Engel, dem
das Pflcgeramt übertragen zu sein scheint, und fragt sich verwun-
dert, warum dies gerade ein Opfer aus der ersten Christenzeit sein
soll. Kurz die Komposition laborirt an einer großen Unklarheit. —
Anton Mayer's „Prometheus" ist ebenfalls, trotz vieler verdienst-
licher Eigenschaften, doch ein wenig ansprechendes Bild. Der Haupt-
grund mag wohl — abgesehen von dem für die Staffelei überhaupt
ungeeigneten antiken Motiv — darin liegen, daß die Gestalt, welche
man sich doch als so mächtig und gewaltig vorstellt, hier einen gar
schwächlichen Eindruck macht und auch malerisch wenig zur Geltung

*) Unser geehrter Korrespondent möge uns verzeihen, wenn wir ihm
b'er nicht ganz beipflichten können. Wir wollen die Richtigkeit seines Ur-
^heils über baä Mengelberg'sche Bild nicht anzweifelu — wir kennen es
Nicht —: allein wenn er seinen Vorwurf gegen dasselbe so verallgemeinert,
daß er ihn auf die norddeutsche religiöse Malerei überhaupt ausdehnt, so er-
wiedern wir zunächst, daß uns mehre Bilder von norddeutschen Malern be-
annt sind, auf denen Christus mit dunkelbraunem Haar erscheint. Zweitens
®6er. wenn er mit seiner Bemerkung andeuten will, daß Christus als ge-
orner Jude mit schwarzlockigem Haar dargestellt werden müßte, so fühlen
w uns veranlaßt, dagegen aus kunsthistorischen wie ails ästhetischen Grün-
n Protest einzulegen. Dieser realistische Standpunkt, den zuerst Horace
eitlet mit ebenso großem Geschick wie Gliick in seinen biblischen Bildern
^öenvinmen hat, scheint uns auf einem völligen Verkennen des Christus-
bmes Vorwurfs für die Kunst überhaupt, besonders aber für

z. B '

tei zu beruhen. Der sogenannte „historische Christus" — falls er,

burcf) Auffindung eines Originalportraits, überhaupt möglich wäre

bietet nur einen Vorwurf für genrehaft-historische Auffassung, keineswegs aber
für eine christlich-religiöse dar. Die Christusidee, als eine wesentlich allgemein-
menschliche, ist von dem zufälligen Nationaltypus ganz unabhängig und
allein in dieser Unabhängigkeit künstlerisch berechtigt. Christus
in diesem Sinne ist der vollkommene Mensch, das Ideal sittlich-schöner Männ-
lichkeit, ja im kirchlich-religiösen Sinne die Verkörperung des Göttlichen, oder
wie die Schrift sich ausdrückt: der „Sohn Gottes". Als solcher ist das
Motiv von den großen Meistern geschichtlich zu fester Gestaltung gelangt,
mit einem Worte: auch die Gestalt, ihre Bekleidungsweise u. s. f. sind feste
Tradition, von der kein religiöser Maler irgend einer Zeit mehr abweichen
kann, weil er über dies kunstgeschichtlich einmal gestaltete Ideal hinaus nichts
Höheres, Größeres schaffen kann. Die alten Italiener hatten gewiß schwarz-
haarige Modelle genug vor Augen, warum stellten sie trotzdem Christns immer
nur mit blondem oder höchstens braunem Haar dar, ebenso Maria? Der
Grund davon liegt also nicht in einer' „norddeutschen" Einseitigkeit, sondern,
wie uns dünkt, viel tiefer. Die Redaction.
 
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