Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 14.1869

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.13561#0208

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
194

sich, auf ein schon in früheren Jahren hervorgetretenes Talent
gestützt, bald eine ganz achtenswerthe Fertigkeit, jedoch ohne da-
durch innerlich befriedigt zu werden, denn sein Sinn war immer
darauf gerichtet, in die Kunst des Malens eingeweiht zu werden.

Seine Uebersiedelung nach München, welche in den ersten
dreißiger Jahren erfolgte, führte ihn endlich auf die gewünschte
Bahn. Von der kräftigen Strömung des damaligen münchener
Kunstlebens getragen, wendete sich Schertl nun mit Entschie-
denheit der Landschaftsmalerei zu, welche unter allen Kunst-
zweigen die größte Anziehungskraft auf ihn ausübte. Damals
bildete der Chiemsee die ausschließende Domäne der münchener
Landschaftsmaler, die auf der Frauen-Jnsel ihr fröhliches Wesen
trieben, und dort war es auch, wo sich ein Ereigniß vorbereitete,
das, so unbedeutend es auch an sich war, in seinen Folgen den
entscheidensten Einfluß auf Schertl's ganzes Leben und Streben
gewinnen sollte. Unter dem lustigen Malervölklein befand sich
auch der damals schon sehr bekannte Daniel Fohr, der an
dem treuherzigen, echt deutschen und verständnißinnigen Wesen
des jungen Schertl besonderen Gefallen fand und diesen zum
Besuche einlud, wenn sie nach München heimgekehrt sein würden.

Schertl fühlte sich durch diese Freundlichkeit des geachteten
Künstlers hoch geehrt und fand sich bald bei Fohr ein, welcher
damals mit dem Landschafter Christian Morgenstern zusammen
wohnte. Hierdurch ward nun seine Bekanntschaft auch mit
diesem vermittelt, und bald vereinigte Beide eine ebenso herzliche
als dauernde Freundschaft. Unleugbar ist Schertl's Beziehung
zu Morgenstern der wichtigste Moment für seine ganze künst-
lerische Laufbahn geworden. In rückhaltlosestem Umgänge und
ununterbrochenem geistigem Verkehre mit dem liebenswürdigen
Meister wuchs der junge Künstler, von diesem mit sicherer Hand
geführt und geleitet, selbst zum Meister heran, Beide durch rast-
loses Ringen und Streben nach dem einen hohen Ziele ver-
bunden und Hand in Hand demselben sich nähernd.

Die meisten Studien aus jener Zeit behandeln Motive
aus der Umgebung Münchens, dazwischen weisen einige größere,
mit jener Sorgfalt und Pietät gegen die Natur ausgeführte,
welche Schertl's Arbeiten kennzeichnet, auf einen vorübergehenden
Aufenthalt desselben im schönen Algäu hin. Dieselben tragen
die Jahreszahl 1843 und läßt die Reihenfolge der Daten darauf
schließen, daß sich der Künstler von der lieblichen und zugleich
großartigen Natur jenes Gebirgslandes, das schon in auffallender
Weise den Charakter der nahen Schweizerberge trägt, lebhaft
angesprochen fühlte.

Schertl's Thätigkeit ward bald von schönen Erfolgen ge-
krönt, seine Stellung in der münchener Künstlerrepublik eine
allgemein geachtete; auch die sociale Seite des Lebens konsolidirte
sich, und so sehen wir unsern Künstler im stürmischen Jahre
1848 in den ruhigen Hafen der Ehe einlaufen. Es war ein
Fräulein Emma Zeitler, das er heimführte und das ihm einen
Sohn und eine Tochter schenkte. Das junge Ehepaar verlebte
seine Flitterwochen in Murnau und Polling, angesichts der
bayerischen Hochalpen in der Gesellschaft Morgenstern's; ein
Aufenthalt, der mehrere Bilder vom Staffelsee im Gefolge hatte.

Während der nächsten Jahre verzichtete Schertl auf Stu-
dienreisen und beschränkte sich darauf, das in der Umgebung
von Polling und Murnau gesammelte reiche Material zu ver-
werten. Das Jahr 1852 führte ihn nach Wasserburg und
Trostberg, von wo er mit zahlreichen Studienschätzen heimkehrte.
Den Sommer 1854 verlebte er an den reizenden Ufern des
Starnberger Sees, an denen auch sein Freund Morgenstern
seinen Aufenthalt genommen hatte. Im darauffolgenden Jahre
ging er nach Landsberg und wanderte den Lech hinauf und
hinab, dabei Eindrücke für ein größeres Bild, eine Schlucht bei
Landsberg, gewinnend.

Im Jahre 1856 finden wir Schertl am Gestade des
Ammersees mit Studien beschäftigt, wobei er sein Standquartier
im Marktflecken Bayerdicßen genommen. Mehrere in größtem
Format gehaltene Zeichnungen aus jener Zeit sind so recht dazu
angethan, die außerordentliche Gewissenhaftigkeit kennen zu ler-
nen, mit welcher Schertl auf alle Einzelnheiten in der Natur
einging, deren keine seinem geübten Auge sich zu entziehen ver-
mochte. —

Um jene Zeit machte sich in der Entwicklung Schertl's
ein bedeutender Umschwung bemerkbar. Es war nichts natür-
licher, als daß ein Mann von so schlichtem, bescheidenem und
gemülhlich sich anschließendem Wesen wie seines war, von dem
Genius Morgenstern's, mit dem ihn überdies die wärmsten
Gefühle der Freundschaft verbanden, in künstlerischer Richtung
vollständig beherrscht wurde. Aber gerade der Verkehr mit

Morgenstern war es wieder, der Schertl kräftigte und der
Vervollkommnung zuführte; denn Morgenstern besaß eine viel
zu edle Seele, als daß er seinen Einfluß auf den Freund dazu
benutzt hätte, diesen in seiner Abhängigkeit von ihm zu erhalten.
Er ließ es sich im Gegentheil eifrigst angelegen sein, dahin zu
wirken, daß sich Schertl's schönes Talent möglichst selbstständig
entfalte und seine natürlichen Eigenthümlichkeiten erhalte und
bewahre. Von jener Zeit an sehen wir Schertl freier und
origineller schaffen, wenn auch der Einfluß seines Freundes
immer ungestört fortdauerte. War es doch gerade Morgen-
stern, der sich von Allen, die Schertl im Leben näher standen,
dieser größeren und eigenartigeren Entwicklung Schertl's am
meisten freute.

Das Jahr 1857 wurde ein sehr verhängnißvolles: im
Laufe desselben machte sich zum ersten Male jenes körperliche
Leiden bemerkbar, welches nach langen Jahren allerdings, aber
auch nach vielen Schmerzen ihm den Tod bringen sollte. Er
ward von einer auffallenden Schwerathmigkeit befallen, die seinen
ganzen Organismus herabstimmte und den an rastlose Thätig-
keit gewöhnten Künstler zu lang andauernder Unthätigkeit ver-
urtheilte. Zu seiner Erholung nach Schäftlarn an der Isar,
wenige Stunden oberhalb München, geschickt, verlebte er dort
einen Theil des Sommers in sehr gedrückter Gemüthsstimmung
und entwarf während jenes Aufenthaltes in einer an Schön-
heiten so reichen Gegend nur wenige Blätter.

(Schluß folgt.)
 
Annotationen