Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 14.1869

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.13561#0023

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
l 14ter Jahrgang. \

1 -K2. f

Herausgegeben und rebigirt von

Dr. Max Sdjasfer.

Preis des Journals pro Quartal Thlr. Bei Pränumeration auf den ganzen Jahrgang erhalten die Abonnenten ausserdem das photographische
Künstler-Album in vierteljährlichen Lieferungen gratis. (Redaction der Dioskuren: Berlin, Hohenzollernstr. 9.)

Inhalt.

Abhandlung: Neue Münchener Architektur-Briefe. Kunstkritik: Die akademische Kunst-Ausstellung zu Berlin. (Fortsetzung.)

Koresponoenzen: St. Petersburg, im December. (Tod des Professor Thiergemälde und Jagdstücke.

Reimers; Von der Akademie.) Kunstliteratur: Jan und Niclas Verkolje, beschrieben von I. E. Wessely. —

Kunst-Chronik: Lokalnachrichten aus Berlin, Königsberg, Wien, München, Album: Deutsche Bilderbogen für Jung und Alt. (Forts.)

Florenz, Paris, London, St. Petersburg. Ausstellungskalender.

Aeue Münchener Architektur-Miefe.

sind nun gerade zehn Jahre, feit der letzte
meiner Architekturbriefe in diesen Blättern zum
Abdruck gelangte. Beim Durchlesen desselben
nach so langer Zeit überkommt mich ein eigen-
thümliches Gefühl, nicht als ob sich meine An-
sichten über Das, was damals angestrebt wurde,
seither geändert hätten, sondern weil die in-
zwischen mit einem ungewöhnlichen Aufwand
von materiellen Opfern Erzielte von der Kritik
längst gerichtet und — verurtheilt wurde, und
dies mit einer Mehrheit der berechtigten Stim-
men, welche fast einer Einstimmigkeit gleich-
kommt, und weil ich mir sagen darf, daß meine Ansicht über
das in Frage stehende Princip, wie ich sie auf Grund weniger
einzelner Proben entwickeln konnte, durch die Anwendung des-
selben in einer Reihe von Pracht- und Privat-Gebäuden be-
stätigt wurde.

Es ist eine nicht zu leugnende Thatsache: der von König
Maximilian II. angestrebte, von Bür klein und Riedel in
der Mapimiliansstraße im größten Maaßstabe in Anwendung
gebrachte „neue Sthl" ist heute ein überwundener Standpunkt.

Es mußte so kommen, wie es kam, weil Wahrheit immer Wahr-
heit bleibt und daran auch der Wille eines Königs nichts zu
ändern vermag. Könige sind so hoch über andere Sterblichen
gestellt, daß man nicht mit ihnen rechten darf, wenn sie einen
auch noch so absonderlichen Gedanken in's praktische Leben ein-
zuführen versuchen wollen, am wenigsten dann, wenn dieser
Gedanke aus so edlen Motiven entsprang wie die waren, welche
König Maximilian leiteten, als er einen „neuen Sthl" wünschte.
Eine andere aber ist die Stellung der Künstler, welche zur Aus-
führung eines solchen Gedankens die Hand bieten. Sie bleiben
dafür so gut verantwortlich, wie die Minister für die dem Könige
unterbreiteten Erlasse.

Was wir klassischen, romanischen, byzantinischen, gothischen
Renaissance- und Rokokosthl nennen, ist der sichtbare Ausdruck
der Denk- und Empfindungsweise der Völker in bestimmten
Zeitabschnitten, mit deren innerstem Leben ebenso verwachsen
und aus demselben heraus entwickelt, wie ihre Sprachen und
Sitten, und steht in tausend und abertausend Wechselbeziehun-
gen zu der Eigenart der Völker. Ein Sthl wurde deshalb so
wenig erfunden wie eine Sprache, er wuchs aus dem Volke
heraus, wie das Blatt aus der Pflanze, mit derselben organischen
 
Annotationen