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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 14.1869

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https://doi.org/10.11588/diglit.13561#0040

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stelluug, die wir uns von einem Gegenstände im Hinblick auf
den Zweck desselben nach den Gesetzen der Vernunft zu machen
berechtigt sind. Die Form allein ist nicht das Entscheidende.
So würde eine Tragödie auch in den fließendsten Versen und
in der schönsten Sprache doch unschön sein, wenn die darge-
stelllen Charaktere innerlich unwahr wären.

Diese Wahrheit vermissen wir, wie bereits hervorgehoben,
au der Fap.ade des Regierungsgebäudes in Folge der nur schein-
bar durch mehrere Stockwerke hindurchgehenden Fenster (an denen
wir zufällig drei Personen über einander stehen sehen können).
Diese Wahrheit vermissen wir an den Zwillingsgebäuden der
Münzstätte und des Cafe Maximilian und vermissen sie nicht
minder an den Wohnhäusern der Maximiliansstraße, von denen
sich drei und mehr zusammen den Anschein eines Einzigen, aber
mit dem Ansprüche geben, für etwas Höheres, nämlich für einen
monumentalen Bau gehalten zu werden.

Soll ein Wohnhaus in uns den Eindruck des Behaglichen
machen, ohne welches dasselbe unsers Erachtens nicht schön sein
kann, weil wir den Begriff ,,Behaglichkeit" von dem Begriffe
„Wohnhaus" zu trennen nicht im Stande sind, so darf es
ebenso wenig einem Palaste als einer Kaserne gleichen; denn
beide erwecken Vorstellungen in uns, die denen widerstreiten,
die das Wohnhaus in uns hervorruft. Durch ihre Einförmig-
keit aber erinnern in der That die Wohnhäuser an der Süd-
seite des Forums an Kasernen, während sich die andern als
Paläste geben möchten.

Es liegt, ganz abgesehen vom finanziellen Interesse der
Bau-Unternehmer, welche lieber in die Höhe als die Breite
bauen, im Princip der fraglichen Bauweise, die vertikale Linie
zur herrschenden zu machen. Dieses Vorwalten der Vertikalen,
die Verwerthung des Spitzbogens und die Kuppelung der Fenster
zeigen, daß die Architekten der Maximiliansstraße die Grundzüge
ihres „neuen Styles" zum weitaus größeren Theile der gothi-
schen Baukunst entlehnten, mit dem sie dann mannigfachen
Zierrath aus der Renaissanceperiode verquickten.

Wir sahen, daß im Regierungsgebäude ein Zwischengeschoß

-

eingesetzt wurde. Solchen Zwischengeschossen begegnen wir auch
in allen Privathäusern der Maximiliansstraße mit mancherlei
Modifikationen; am häufigsten zeigen sie sich aber mit dem Spitz-
bogen in Verbindung gebracht, der die Fenster des Zwischen-
geschosses einschließt, das dicht über den Verkaufslokalen zu
ebener Erde aufsitzt. Die Folge davon ist, daß die dortigen
Wohnräume mehr von unten herauf, als von oben herab be-
leuchtet werden, eine Einrichtung, die weder als schön noch als
zweckmäßig gelten kann. Aus der vielfach wiederkehrenden Kuppe-
lung der Fenster ergiebt sich der Mißstand, daß dieselben im
Hinblick auf die innere Raumeintheilung häufig sehr schmal sind.
Dasselbe gilt nicht minder von den Wandtheilen zwischen den
Fenstern, zur großen Unbequemlichkeit der Bewohner, wie denn
auch an den Privat-Gebäuden jede größere Mauerfiäche prin-
cipiell möglichst vermieden und durch Anwendung von Lesinen
getheilt wird.

Die neue Bauweise scheint auf die Maximiliansstraße be-
schränkt. Ein paar Ausnahmen, welche Privathäuser an der
Amalienstraße machen, fallen um so weniger in's Gewicht, als
sich die Baumeister derselben mannigfache, dort und da prin-
cipielle, Modifikationen erlaubt haben. In dieser Exklusivität
liegt aber der beste Beweis, daß das Unternehmen weder aus
dem Volke herauswuchs, noch von demselben als homogen mit
seinen Ansprüchen und Anschauungen erachtet wurde, sondern
daß es eine im Treibhaus bureaukratischer Willkür ausgezogene
Pflanze ist, welche nicht die Kraft in sich trägt, in den bis-
weilen allerdings etwas scharfen und rauhen Winden des Lebens
sich weiter zu entwickeln, Blätter und Blüthen anzusetzen oder
wohl gar zum stattlichen Baume emporzuwachsen. Zehn Jahre
reichten nicht hin, ein großartig angelegtes Unternehmen seinem
Abschlüsse ganz zuzusühren, aber sie genügten, um den unwider-
leglichen Nachweis zu liefern, daß eine Kunstrichtung, welche
nicht im Leben des Volkes ihre Wurzeln hat, nicht auf dauern-
den Bestand hoffen darf und daß auch begabte Künstler nicht
ungestraft sich gegen die ewigen Gesetze der Kunst auflehnen
dürfen. (Forts, folgt.)

Korrespondenzen.

(verspätetst (Feier zur Erinnerung an Jo-
seph Koch; bet Becchio's Permanente Ausstel-
|||?yrr lung; T. O. Weigels neueste Publikation.) Ob-
die hier im Anfang vorigen Monats stattgefundene
Erinnerungsseier für Jos. Koch jetzt fast vergessen ist,
^ glaube ich doch — da Ihre Kunstzeitung nichts darüber
gebracht — Ihnen eine Notiz davon geben zu sollen. Seitens des
Kunstvereins wurde die hundertjährige Wiederkehr des Geburtstages
von Joseph Koch durch eine Ausstellung von Werken des Verewigten
und durch eine Gedächtnißrede ans ihn festlich begangen. Koch war
der Vater der deutschen Landschaftsmalerei. Er betrachtete zum ersten
Male die Natur vom Gesichtspunkt des formalen Styls, dem er die
reale Schönheit unterordnete. Deshalb entbehren seine Werke der'
vollen Harmonie sinnlicher Erscheinung, des Reizes für ein Auge,
das den Vorzügen der Zeichnung und Erfindung weniger zugänglich
ist. Di-. Max Jordan entwarf in seiner Festrede ein Bild von
Koch s Persönlichkeit, seinen Schicksalen und seinem Streben. Er
hob, unter dem Bedauern, daß der am 27. Juli v. I. gewesene

hundertjährige Geburtstag Koches spurlos vorübergegangen, Leipzigs
Beruf, eine Feier desselben wenigstens nachzuholen, hervor, indem er
aus die hier ausgestellten zahlreichen Werke des Meisters und auf
die Verehrung für denselben hinwies, die dieser Sammlung die Ent-
stehung gegeben. Nach einer Schilderung von Koch's Jugend-Erleb-
nissen und von seinem Aufenthalte ans der Karlsschule zu Stuttgart,
seiner Flucht von Stuttgart nach Straßburg und von seinen Reisen
nach der Schweiz und Italien, ging der Redner dann ans Koch's
künstlerisches Wesen und auf seine Ansichten über die Kunst ein.
Er stellte ihn dem in damaliger Zeit gefeiertsten Meister der Land-
schaftsmalerei Hackert gegenüber und suchte so den Unterschied der
von Koch eröffneten Richtung gegenüber dem damals Vorhandenen
zu verdeutlichen, wobei er durch erläuternden Hinweis auf mehrere
der ausgestellten Werke die Zuhörer an den Gegenstand lebendig zu
fesseln wußte.

Die Ausstellung von Werken Koch's im Kunstvereinssaale des
Städtischen Museums umfaßte 100 einzelne Stücke, darunter 15 Oel-
gemälde und mehrere Aquarellen: ein Reichthum, wie er kaum in
 
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