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noch das dunkle Weinlaub herabfällt, mit welchem er dem neuen
Gotte zu Ehren sich heut beim Festmahl bekränzte. Neben
Tigellinus sehen wir eine Gruppe von Großen des Reiches,
unter ihnen den zum Vorleser herabgewürdigteu Konsul, Grauen
und Verzweiflung im Blick, weniger vielleicht um den Kaiser
besorgt als um sich für den Tag, an dem das verruchte Treiben
sein schreckliches Ende finden wird. Finster grollend preßt einer
von ihnen, der uns an den alten Cato mahnt, das kaiserliche
Pergament zusammen. Halb zur Seite gewendet, flüstern ein
paar Priester zusammen und neben der Säule schauen Präto-
rianer zu ihnen herüber; auch sie fordern Rache, das zeigt ihre
geballte Faust und der Blick des Verschwörers. Noch ahnt der
Kaiser nichts von Dem, was kommen wird. Sein Auge hängt
an den beiden Knaben zu seinen Füßen und deren Einer ihm
die Lyra vorhält; sein Herz schlägt den Weibern entgegen, die
ihn: entgegenstürmen, nackt und schön, Leib und Seele hingebend.
Sie jauchzen, er glüht — das ist kein Fest mehr, das ist ein
Bacchanal. Und immer drängen neue, schönere nach, immer
glühender wird sein Verlangen.
Aber stumm und regungslos steht die Wache des Kaisers.
Kalt blicken sie auf die wogenden Busen, auf die üppigen Hüften.
Ihre Züge verrathen hyperboreische Barbaren. Es sind rauhe
Gesichter, aber fast mild neben jener nach Siuuenlust und Mord
dürstenden Gluth. Noch stützen sie mit der ungebrochenen Kraft
unverdorbener Naturen den morschen Thron. Aber es wird ein
Tag kommen, und er ist nicht mehr ferne, an dem ihr Volk
das Weltreich in Trümmer schlagen wird, und darum sind in
ihren Händen die Wölfin und die Adler Roms ein doppelt
bitterer Spott und die Aufschriften 8. P. Q. R. und Divus Nero
ein doppelt schneidender Hohn.
Alle Lüste hat der Kaiser zum Schweigen gebracht, nur
eine ist noch ungesättigt geblieben: die Lust, zu vernichten, die
Lust am fremden Leiden, mit einem Worte: die Grausamkeit.
Es galt, dem prächtigen Feste ein würdiges Ende zu geben.
Da fiel sein Blick auf die Bekenner der neuen Lehre. Bisher
hatte man sich damit begnügt, sie zu verlachen, zu verhöhnen,
nun ward ihnen ein anderes Schicksal bereitet. Der Kaiser
mußte sich in seiner maaßlosen Eitelkeit durch die sittliche Würde
der Christen bis in's Mark verletzt fühlen, und so war seine
Grausamkeit ihnen gegenüber nicht weniger persönlicher Rache
als einem politischen Principe entsprungen: er benutzte den Brand
der Stadt, um die Christen der allgemeinen Verfolgung Preis
zu geben. So sehen wir auf Kaulbach's Carton denn auch im
Hintergründe die rauchenden Trümmer und vorn die Leiden der
Christen.
Die weiten Straßen, die sich vor den Marmortreppen des
kaiserl. Palastes ausdehnen, sind zum Richtplatz jener Glaubens-
treuen geworden, deren erhabene Gestalten den großen historischen
und psychologischen Gegensatz gegen den ungeheuren Frevel bilden,
der oben abspielt.
Legte der Künstler in der oberen Abtheilung des Bildes,
welche dem Kaiserhofe gewidmet ist, den Hauptaccent auf die
kulturgeschichtlichen Motive, so ward er in der unteren, in der
Schilderung der Leiden der Christen, auch dein individuellen
Elemente gerecht. Auf der Treppe des Palastes hat der Tod
ein junges Christenweib neben ihren beiden Kindern ereilt; sie
drückt als Leiche noch das Kreuz au die Brust, und es gilt uns
gleich, ob der Künstler dabei an ein Mitglied der kaiserlichen
Familie dachte, wie Einige wollen, oder nicht. In jedem Falle
ist sie unserer Theilnahme gewiß. Weiter unten richten die
Henker das blutige Holz empor, das gestürzte Kreuz, an das
der heilige Petrus bereits befestigt ist, der, wie die Sage er-
zählt, nicht aufrecht wie sein Herr und Heiland sterben wollte.
Im Kreise der Frauen, die den Märtyrer umstehen, herrscht
tiefe, feierliche Wehmuth, welche durch den oben dröhnenden
Jubel der Hetären nicht berührt wird. Es ist, als ob er in
der Luft verklänge, ehe er zu ihnen herabdringt. Die Frauen
verhüllen ihr Antlitz, ein Schüler küßt zum letzten Male des
Heiligen Lippen. Nicht weit von ihm, links im Bilde, haben
sie noch einen anderen Glaubenstreuen gerichtet. Um die Lenden
des Mannes, dem ein Feigenbaum zum Kreuze ward, schlingt
sich ein Thierfell, aber die Brust und die Schultern sind un-
bedeckt und au diese letzteren klammert sich ein Kind, das die
Gattin dem Sterbenden hinanreicht — eine Gruppe von tief
ergreifender Wirkung.
Weiter rechts baut sich eine reich bewegte Gruppe um
Paulus und findet in ihm ihren Gipfelpunkt. In seinen Zügen
erkennt man den Griechen, seine Hand ist drohend zum Himmel
erhoben: er flucht, gegen Nero gewendet, mit trotzig-kühnem
Munde dem heidnischen Gräuel, und in seiner imposanten Ge-
stalt erscheint die eigentliche historische Idee des Christenthnms
verkörpert. Er war aus dem wilden Eiferer Saulus der
glaubensstarke Paulus geworden und das Heroische, das damit
in seinen Charakter kam, war es, was Kaulbach auf das Le-
bendigste zur Anschauung brachte. Mag auch aus des Kaisers
Geheiß bereits ein Centurio herbei eilen, den kühnen Redner zu
ergreifen und zum sicheren Tode zu führen; in dieser gewaltigen.
Alle überragenden Gestalt, die auch der Rolle entspricht, die
Paulus unter den Aposteln spielt, und die fest und siegesgewiß
wie ein Fels aus dem brandenden Meer emporragt, spricht sich
in großartigen Zügen der ganze künftige Triumph des Christen-
thums aus. Wie ohnmächtig erscheint neben dieser glaubens-
starken Gestalt das klagende Leid der ihn umgebenden Getreuen,
wie ohnmächtig auch die Wuth und das Beil der Schergen. So
stellte der geniale Künstler Paulus als den Höhepunkt des christ-
lichen Geistes dem Nero als dem des römischen gegenüber. Aber
nicht Alle sind so stark im Glauben und so fest in der Treue.
Eine junge Christin, schön und begehrenswerth, wenn auch we-
niger üppig als die wollnsttrunkeneu Weiber da oben, hat sich
heimlich von der Christengruppe losgemacht und steigt die Treppe
empor, zu Huldigung und Genuß. Im selben Augenblicke sieht
sie sich erkannt. Einen Moment noch sucht sie sich den Blicken
der Ihrigen zu entziehen — aber es ist zu spät. Es zieht sie
unaufhaltsam hinauf. C. A. Regnet.
noch das dunkle Weinlaub herabfällt, mit welchem er dem neuen
Gotte zu Ehren sich heut beim Festmahl bekränzte. Neben
Tigellinus sehen wir eine Gruppe von Großen des Reiches,
unter ihnen den zum Vorleser herabgewürdigteu Konsul, Grauen
und Verzweiflung im Blick, weniger vielleicht um den Kaiser
besorgt als um sich für den Tag, an dem das verruchte Treiben
sein schreckliches Ende finden wird. Finster grollend preßt einer
von ihnen, der uns an den alten Cato mahnt, das kaiserliche
Pergament zusammen. Halb zur Seite gewendet, flüstern ein
paar Priester zusammen und neben der Säule schauen Präto-
rianer zu ihnen herüber; auch sie fordern Rache, das zeigt ihre
geballte Faust und der Blick des Verschwörers. Noch ahnt der
Kaiser nichts von Dem, was kommen wird. Sein Auge hängt
an den beiden Knaben zu seinen Füßen und deren Einer ihm
die Lyra vorhält; sein Herz schlägt den Weibern entgegen, die
ihn: entgegenstürmen, nackt und schön, Leib und Seele hingebend.
Sie jauchzen, er glüht — das ist kein Fest mehr, das ist ein
Bacchanal. Und immer drängen neue, schönere nach, immer
glühender wird sein Verlangen.
Aber stumm und regungslos steht die Wache des Kaisers.
Kalt blicken sie auf die wogenden Busen, auf die üppigen Hüften.
Ihre Züge verrathen hyperboreische Barbaren. Es sind rauhe
Gesichter, aber fast mild neben jener nach Siuuenlust und Mord
dürstenden Gluth. Noch stützen sie mit der ungebrochenen Kraft
unverdorbener Naturen den morschen Thron. Aber es wird ein
Tag kommen, und er ist nicht mehr ferne, an dem ihr Volk
das Weltreich in Trümmer schlagen wird, und darum sind in
ihren Händen die Wölfin und die Adler Roms ein doppelt
bitterer Spott und die Aufschriften 8. P. Q. R. und Divus Nero
ein doppelt schneidender Hohn.
Alle Lüste hat der Kaiser zum Schweigen gebracht, nur
eine ist noch ungesättigt geblieben: die Lust, zu vernichten, die
Lust am fremden Leiden, mit einem Worte: die Grausamkeit.
Es galt, dem prächtigen Feste ein würdiges Ende zu geben.
Da fiel sein Blick auf die Bekenner der neuen Lehre. Bisher
hatte man sich damit begnügt, sie zu verlachen, zu verhöhnen,
nun ward ihnen ein anderes Schicksal bereitet. Der Kaiser
mußte sich in seiner maaßlosen Eitelkeit durch die sittliche Würde
der Christen bis in's Mark verletzt fühlen, und so war seine
Grausamkeit ihnen gegenüber nicht weniger persönlicher Rache
als einem politischen Principe entsprungen: er benutzte den Brand
der Stadt, um die Christen der allgemeinen Verfolgung Preis
zu geben. So sehen wir auf Kaulbach's Carton denn auch im
Hintergründe die rauchenden Trümmer und vorn die Leiden der
Christen.
Die weiten Straßen, die sich vor den Marmortreppen des
kaiserl. Palastes ausdehnen, sind zum Richtplatz jener Glaubens-
treuen geworden, deren erhabene Gestalten den großen historischen
und psychologischen Gegensatz gegen den ungeheuren Frevel bilden,
der oben abspielt.
Legte der Künstler in der oberen Abtheilung des Bildes,
welche dem Kaiserhofe gewidmet ist, den Hauptaccent auf die
kulturgeschichtlichen Motive, so ward er in der unteren, in der
Schilderung der Leiden der Christen, auch dein individuellen
Elemente gerecht. Auf der Treppe des Palastes hat der Tod
ein junges Christenweib neben ihren beiden Kindern ereilt; sie
drückt als Leiche noch das Kreuz au die Brust, und es gilt uns
gleich, ob der Künstler dabei an ein Mitglied der kaiserlichen
Familie dachte, wie Einige wollen, oder nicht. In jedem Falle
ist sie unserer Theilnahme gewiß. Weiter unten richten die
Henker das blutige Holz empor, das gestürzte Kreuz, an das
der heilige Petrus bereits befestigt ist, der, wie die Sage er-
zählt, nicht aufrecht wie sein Herr und Heiland sterben wollte.
Im Kreise der Frauen, die den Märtyrer umstehen, herrscht
tiefe, feierliche Wehmuth, welche durch den oben dröhnenden
Jubel der Hetären nicht berührt wird. Es ist, als ob er in
der Luft verklänge, ehe er zu ihnen herabdringt. Die Frauen
verhüllen ihr Antlitz, ein Schüler küßt zum letzten Male des
Heiligen Lippen. Nicht weit von ihm, links im Bilde, haben
sie noch einen anderen Glaubenstreuen gerichtet. Um die Lenden
des Mannes, dem ein Feigenbaum zum Kreuze ward, schlingt
sich ein Thierfell, aber die Brust und die Schultern sind un-
bedeckt und au diese letzteren klammert sich ein Kind, das die
Gattin dem Sterbenden hinanreicht — eine Gruppe von tief
ergreifender Wirkung.
Weiter rechts baut sich eine reich bewegte Gruppe um
Paulus und findet in ihm ihren Gipfelpunkt. In seinen Zügen
erkennt man den Griechen, seine Hand ist drohend zum Himmel
erhoben: er flucht, gegen Nero gewendet, mit trotzig-kühnem
Munde dem heidnischen Gräuel, und in seiner imposanten Ge-
stalt erscheint die eigentliche historische Idee des Christenthnms
verkörpert. Er war aus dem wilden Eiferer Saulus der
glaubensstarke Paulus geworden und das Heroische, das damit
in seinen Charakter kam, war es, was Kaulbach auf das Le-
bendigste zur Anschauung brachte. Mag auch aus des Kaisers
Geheiß bereits ein Centurio herbei eilen, den kühnen Redner zu
ergreifen und zum sicheren Tode zu führen; in dieser gewaltigen.
Alle überragenden Gestalt, die auch der Rolle entspricht, die
Paulus unter den Aposteln spielt, und die fest und siegesgewiß
wie ein Fels aus dem brandenden Meer emporragt, spricht sich
in großartigen Zügen der ganze künftige Triumph des Christen-
thums aus. Wie ohnmächtig erscheint neben dieser glaubens-
starken Gestalt das klagende Leid der ihn umgebenden Getreuen,
wie ohnmächtig auch die Wuth und das Beil der Schergen. So
stellte der geniale Künstler Paulus als den Höhepunkt des christ-
lichen Geistes dem Nero als dem des römischen gegenüber. Aber
nicht Alle sind so stark im Glauben und so fest in der Treue.
Eine junge Christin, schön und begehrenswerth, wenn auch we-
niger üppig als die wollnsttrunkeneu Weiber da oben, hat sich
heimlich von der Christengruppe losgemacht und steigt die Treppe
empor, zu Huldigung und Genuß. Im selben Augenblicke sieht
sie sich erkannt. Einen Moment noch sucht sie sich den Blicken
der Ihrigen zu entziehen — aber es ist zu spät. Es zieht sie
unaufhaltsam hinauf. C. A. Regnet.