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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 18.1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.12974#0162

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Herr Wilhelm von Kaulbach, der „einer Genossenschaft nicht länger
angehören kann, welche die Freunde seines Sohnes feindselig behan-
delt". Eine solche Motivirung entzieht sich einfach der Kritik. Der
Rest ist Schweigen. — Der Riß in der Künstlerschaft ist tief zu
beklagen; aber er konnte und mußte gegenüber dem Vorgehen einer
herrschsüchtigen Partei längst vorausgesehen werden. Der Action
folgt jederzeit die Reaction. — Natürlich wird cs nicht an Versuchen
fehlen, der Sache ein Mäntelchen umzuhängen, den Gegnern die
Schuld in die Schuhe zu schieben und sich selber rein zu waschen.
Aber der Erfolg erscheint als im höchsten Grade zweifelhaft. Man
hat den Bogen zu straff gespannt und darf sich nicht wundern, wenn
er nun gebrochen ist.

.X München, 9. April. Vor einiger Zeit berichtigte die
Presse von einer gegen Kaulbach gerichteten „öffentlichen Erklärung",
durch welche eine Anzahl deutscher Künstler ihren katholischen Eifer
bewähren zu müssen geglaubt habe. Diese Erklärung hat 128 Unter-
schriften erhalten, doch finden sich unter denselben die Namen nur
weniger bekannter Künstler; wohl aber haben sich darin mehrere
Geistliche, ein Kunst-Kritiker, einige Glasmaler, Silber-Arbeiter,
Kirchenparamenten- und Kirchengeräthe - Fabrikanten und andere
„Künstler" verewigt, die sich im Schatten der Kirche von Abfällen
des Altars nähren. Was mich an der ganzen Demonstration allein
ärgert, ist, daß die guten Leute den bekannten Federzeichnungen einen
Werth verschaffen, den sie wenigstens vom künstlerischen Standpunkte
durchaus nicht verdienen.

F. K. München, im April. (Ausstellung im Kunst-
verein der für die wiener Welt-Ausstellung bestimmten
Gemälde. Forts.) R. Kuppelmayr's „Konzert" fand in dieser
Zeitung bereits von anderer Seite Besprechung und können wir des-
halb von einer solchen Umgang nehmen. — Die „Herbstlandschaft"
von H. Baisch zeigt eine reizende Idylle von warmem, sonnigem
Ton. Nicht so glücklich wie Baisch in der Behandlung seines Mo-
tivs ist Otto Frölicher mit seinem „Spätherbst". Das Bild
stellt ein Wald-Inneres dar von guter Zeichnung des Baunischlags;
die Farbe desselben, sowie diejenige des Terrains, ist als entschieden
mißglückt zu bezeichnen, weil sie viel zu spitz gemischt ist. Frölicher
hat schon bei Weitem bessere Bilder gemalt; sollte der Künstler das
richtige Sehen verlernt haben?

G. v. Maffci, unser talentvoller Maler des Jagdsports, war
mit zwei sehr gelungenen Werken vertreten: „Hochwild" und „Stand-
laut". In beiden Bildern ist die Feinheit der Farbe, glückliches
Zusammenstimmen der Landschaft und Thiere, sowie ausgezeichnete
Charakterisirung der letzteren hervorzuheben; v. Maffei hat in diesem
Genre eigentlich nur einen Rivalen: F. Deiker in Düsseldorf, dem
er in korrekter, lebendiger Zeichnung der Thiere gleichkommt, in der
Farbe ihn aber entschieden übertrifft.

Nahmen wir kürzlich Veranlassung, Joh. Bauck zu loben, so
können wir dies ihrem „Nach Sonnen-Untergang" gegenüber leider
nicht. Das Bild ist zu schwer kolorirt, zu dekorativ aufgefaßt, zu
flüchtig gemalt. — F. Gärtner's „Aus der Moschee El Kebir in
Algier" zeigt eine höchst interessante Architektur im maurischen Styl
und blendendem Sonnenlicht. — I. G. Steffan's „Gmuudner
See" ist ein großartig empfundenes Gebirgsbild von klarer Farbe
und reicher, glücklicher Komposition. — Die „Quartiermacher" von
G. Wie sind eine Erinnerung aus dem letzten Feldzuge mit gut
gemalten Figuren und geschickt gewählter malerischer Architektur.

Hans Thoma's „Märchen" erschien uns gar zu märchenhaft.
Wir sind vielleicht zu sehr Alltagsmenschen, als daß wir uns in
das Thoma'sche Märchen hineiulcben könnten. Denken Sie sich
eine grüne Wiese, „ringsherum die fette grüne Weide" und darüber
eine Menge Engelchen mit Schmetterlingsflügeln, die in allen Farben

des Prismas schillern. Das Goethe'sche Wort „Sucht nur die
Menschen zu verwirren" hat nicht blos Thoma, sondern auch manchen
Anderen angesteckt. Diese Künstler müssen es sich aber gefallen
lassen, wenn das Publikum ihren Werken gegenüber oft hell auflacht.

Indem wir noch in der Plastik das reich und phantastisch kom-
ponirte „Brunnemnodell" von M. Wagmüller, ferner drei Werke
von M. Widnmann „Jugendlicher Hermes", „Psyche, den schla-
fenden Amor belauschend" und „Amor, die schlafende Psyche ver-
lassend", sowie unter den graphischen Künsten I. Bankel's Kupfer-
stiche, die Portraits Händel's, Wagner's und Mozart's darstellend,
erwähnen, gehen wir zur Besprechung der Ausstellung der nächsten
Woche über.

Da ist es vor Allem ein Werk von Gabriel Max, welches
die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog. Aus der Walpurgis-
nacht führt uns Max die Erscheinung des Gretchens vor. Der
Künstler stellte dasselbe fern von allem Geister- und Hexenspuck dar.
Aus dem Dunkel der Nacht tritt uns die jugendlich weibliche Ge-
stalt im Sterbehemde entgegen, beleuchtet vom flackernden Hexenfeuer.
Die Füße treten auf mageres Brockengras, auf dem drei Raben mit
dem Verscharren eines Ringes beschäftigt sind. Die Figur des
Gretchens steht vor einer Wand, welche den Schatten der Figur
zeigt. Das Bild ist in einem sehr tiefen Ton gehalten, aus dem
im Halbdunkel die Gestalt heraustritt. Der Ausdruck desselben
zeigt die Todtenstarrheit, es sind die Augen einer Todten. Der
Hals trägt das rothe Schnürchen des Scharfrichters. Max liebt
es von jeher, Stoffe zu malen, welche nicht der Alltäglichkeit
entlehnt sind. Eine Geister-Erscheinung körperlich darzustellen mit
den realistischen Mitteln der Farbe, hat immerhin sein Bedenken.
Sehen wir davon ab und halten uns an die Art der Darstellung,
so müssen wir dem Vortrage die vollste Anerkennung zollen. Die
bedeutende koloristische Begabung kam Max bei der ungewöhnlichen
geisterhaften Beleuchtung vortrefflich zu Statten. Die Klippe, aus
dem Erhabenen in's Lächerliche zu fallen, lag bei einem so spröden
Stoffe ziemlich nahe, und hat es Max eben nur seiner vollen Be-
herrschung der technischen Mittel zu danken, daß er sie vermied.
Trotz des starren Ausdrucks spricht aus dem Gretchen doch eine un-
endliche Wehmuth, ein tiefer Schmerz, den selbst der Tod nicht aus-
gelöscht, es weiß zu rühren, wenn wir uns unbefangen der Betrach-
tung des Bildes hingeben und nicht zunächst kritisch uns vor das-
selbe hiustellen. Hätten wir Ausstellungen zu machen, so wäre es
vielleicht der Wunsch, das Gretchen als Geister-Erscheinung ohne
den Schatten, die Raben weniger groß dargestellt zu sehen.

Math. Schmidt hat schon öfters Proben seines hervorragen-
den zeichnerischen und koloristischen Talents abgelegt, und so giebt auch
seine „Beichtzetteleinsammlung" davon einen neuen Beweis. Die
Scene spielt in der Heimath des Künstlers, dem bigotten Tyrol und
zeigt uns einen dicken Franziskaner, welcher der dummen, gläubigen
Menge das hart verdiente Geld abnimmt, um es sammt den ge-
opferten Naturalien der fetten Pfründe zu überbringen. Wie in
seinem Landsmanne, Defregger, tritt uns auch in den Bildern
Schmidt's das Streben nach klarer, scharfer Charakteristik der Fi-
guren, von denen jede einzelne typisch gewählt ist, und harmonisches
Arrangement entgegen, das sich sowohl in der Komposition wie in
der tonale», koloristischen Behandlung ansspricht.— A. Gicrymski,
ein Schüler Piloly's, brachte ein figurenreichcs Gemälde, das eine
„Scene aus dem Kaufmann von Venedig" darstellt, in welcher der
blutgierige Shylock sich vor den Richtern auf seinen Schuldschein
beruft. Man sollte meinen, daß- der Künstler sich bemüht hätte,
die von dem Dichter mit so großer Lebendigkeit und scharfer Cha-
rakteristik gezeichnete Scene ebenfalls in größerer Action zu schil-
dern. Das ist jedoch nicht der Fall. Er bemühte sich vielmehr,
 
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