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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 18.1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.12974#0259

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Geberde hat er uns den Mann gezeigt mehr als eine mit moderner
Bildung reich ausgestattete Natur, denn als einen mächtig wirkenden
und gestaltungskräftigen Heros. So verspricht das Ganze, wenn
es aufgestellt sein wird, für Triest ein plastisches Monument zu
werden, um dessen künstlerischen Werth wir diese Stadt beneiden
könnten, und es wäre wenigstens zu wünschen, daß ein Abguß davon
dem Mengs'schen Museum eiuverleibt würde.

Eine bedeutende Kunstnovität, welche manchem Verehrer eine
willkommene Betrachtung bieten dürfte, befindet sich auf einige Tage
in der Aruold'schen Kunsthandlung auf der Schloßstraße. Es
ist der völlig durchgeführte Original-Carton Karl Piloty's zu
seinem größeren historischen Gemälde, welches auf der wiener Aus-
stellung vielseitiges Aufsehen erregt: „Thusnelda im Triumphzuge
des Germanikus". Inmitten der Scene schreitet die edle Gattin
Armin's, Thusnelda, ihr junges Söhnchen an der Hand, ungebeugt
und in stolzer Haltung dem Cäsar Tiberius vorüber, welcher auf
einer zeltartig überdeckten und erhöhten Estrade, verschlossen und in
grübelndes Nachdenken versunken, dem Schauspiele zusieht. Der
Heldin vorausgehend und nachfolgend, erblicken wir Gruppen ge-
fangener Germanen, unter diesen einen Bardengreis, bewacht, zum
Theil auch gemißhandelt von römischen Kriegern. Diesen Zug schließt
zur Linken vom Beschauer der Triumphator Germanikus selbst, auf
prangendem Siegeswagen durch einen Triumphbogen daherfahrend.
Jauchzende Volksgruppen, Senatoren, Krieger und vornehme römische
Frauen vertheilen sich entsprechend um die drei Hauptpersonen des
Bildes. — Wie nun der Schöpfer desselben, der gegenwärtig mit
Recht als eine der hervorragendsten Erscheinungen der Münchener
Kunstwelt gilt, sein Hauptbestreben von je und vor Allen auf eine
volle malerische Wirkung gelenkt hat und weniger sein Absehen auf
scharfumrisseue Zeichnung gerichtet hält, so bekundet auch dieser Car-
ton in seiner durchweg vorherrschend malerischen Behandlungsweise
und Gesammtwirkung, mit Vermeidung aller schärferen Contouren,
die ganze Darstellungs- und Eigenart des Meister Piloty.

(Schluß folgt.)

t München, im August. (Ausstellung des Kunstver-
eins.) Beim Eintritt in die Räume des Kunstvereins wird es
Einem klar, welch' großer Sünder man ist, besonders wenn man
den Bildern als Kritiker gegenüber steht. Aber es ist auch eine
Sünde, eine Art Unterlassungssünde, wenn man sie nicht bespricht,
und jedenfalls eine schwere, schwere Todsünde, wenn man, statt froh-
lockenden Lobes und mild verklärten Tadels, der leichten novellistischen
Ausdrucksweise individueller Eindrücke fern bleibt und rein sachlich
auf das Wesen der verschiedenartigen Leistungen einzugehen sich be-
müht. Und dabei wird eS Einem schlecht zu Muthe, sieht man die
Menge Bilder an, die von den Wänden herab gelangweilt oder hoch-
fahrend und anmaaßend Erhörung bitten und fordern. Historien,
Genrebilder, Thierstücke, Stillleben, Landschaften und Marinen,
werthvolle Werke und frecher Schund, Alles in wilder Mischung,
Alles durch die Laune des Zufalls zusammen gewirbelt. Da ru-
moren Farbentollheiten und schwächliches Zuckerküchlerthnm, edle
Wahrheit und prunkende Lüge; wunderbar ordinäre Anmaaßung
und luxuriöse Bescheidenheit in den Goldrahmen herum und erregen
den peinlichsten Eindruck. Man braucht nur die verschiedenartigen
Titel zu lesen, welche meistens zur Erklärung eines Bildes nothwendig
sind, und aller Humor, selbst der beste Galgenhumor muß die
Ohren hängen lassen. Vergeblich sucht man dieses Wirrsal zu ordnen
und etwas wie eine Gleichartigkeit, durch den Zeitgeist geboren oder
auch nur eine Art von Charakterähnlichkeit, woraus die Signatur
einer Kunstepoche sich herleiten ließe, darin zu finden. Worin wer-
den unsere Nachkommen, wenn sie einstens vor den Bildern unserer
Zeit stehen, den zeitlichen Charakterzug erkennen? durch welche geistige

Eigenthümlichkeit werden sich diese Gemälde als Erzeugnisse unserer
gegenwärtigen Periode ausweisen? — Hat vielleicht der Geist des
Gründerthums, der Börsengott, der jetzt wie eine Epidemie das
ganze sociale Leben dnrchdringt, auch schou die Kunst dergestalt zum
Sklaven gemacht, daß fast den meisten Bildern der Stempel des
Merkantilismus aufgedrückt ist?

Doch wir vergessen, daß wir Berichterstatter sind und wiederum
in die alte Gewohnheit geriethen, von allem Möglichen zu sprechen,
nur nicht von Dem, was wir sagen wollten. Wir gelangen nunmehr
zur Erwähnung eines Malers, der, indem er die besondere Auf-
merksamkeit erregte, auch uns so sehr sympathisch war, daß seine
Bilder uns wie der Wiederhall des eigenen Herzens erschienen. Wir
meinen ' beit Maler Gustav Miche l. Er bringt uns in seinem
„Stimmungsbilde vom großen Ocean" und in seiner „Strandwache
an der deutschen Küste" Bedeutendes in sehr eigenthümlicher Art.
Das Motiv des Letzteren führt uns in ein blockartiges Gebäude,
dessen Hintere Wand zum größten Theil als Fensterlucke zur Beob-
achtung des Meeres in stürmischen Zeiten offen gelassen ist. Un-
mittelbar unter dieser Lucke befindet sich ein Tisch, worauf links eine
große Signalflagge in den deutschen Farben, von der Flaggenleine
noch theilweise erhoben, niedergelassen ist, und dieser rechts gegenüber
lehnt an der Wand ein Matrose in halb lässiger, halb aufgeschreckter
Stellung. Es ist eine kräftige, sturmsichere Gestalt, welche dort
steht. Das wetterharte, entschlossene Gesicht dem Meere zugewendet,
dringt das scharfspähende, Sorge ausdrückende Auge in die düstere
gährende See, in die sich wild jagende Wolken, die unheimlichen
Verkünder des nahenden Sturmes.

Vor ihm, mehr im Vordergründe, steht ein großer Hund in
regungsloser Spannung, ängstlich zu seinem Herrn empor schauend.
Dies ist Alles, nichts Gemachtes und nichts Ueberflüssiges. Von
einer eigentlichen Handlung ist hier nicht die Rede und doch pulsirt
in der mächtig ergreifenden Stimmung, in der einfachen Größe des
Vorgangs ein Leben, wie es nur dem bevorzugten Künstler zu schil-
dern möglich ist. — Das andere Bild behandelt das Meer in auf-
fallend charakteristischer Weise. Großartig, in den knappsten Mitteln
und Linien ausgedrückt, liegt vor uns das unabsehbar sich weit
dehnende hellglänzende Meer, und über ihm ziehen die nassen, schweren
Wolken, von der tiefstehenden Sonne durchglüht, als die letzten Nach-
zügler des ansgetobten Sturmes. Auch ist die Malerei hell und
frisch, eine glückliche Wendung, welche wir uns freuen hervorheben
zu müffen, denn, wenn wir auch in unfern früheren Berichten die
besonderen koloristischen Vorzüge dieses Künstlers anerkennend be-
sprochen haben, so ließen dennoch die schweren, düsteren Tonarten
nur selten ein heiteres Gefühl in uns aufkommen. (Forts, folgt.)

8. 28ien, im August. (Welt-Ausstellung. Kunst-Ab-
theiluug. Forts.) Unser Herr Referent, welcher durch des Som-
mers ungewöhnliche Hitze, wie durch die starken Reflexe des Pflasters
und Mauerwerks an einer heftigen Augen-Entzündung leidet, die ihn
an der eingehenden Besichtigung der Bilder hinderte, sandte uns an
Stelle der Fortsetzung seines Berichtes die Vorrede zum deutschen
Kunst-Katalog, welche verdient, verbreitet und gelesen zu werden,
quasi als officielle und gemeinsame Stimme:

„Bildende Kunst der Gegenwart. Die bildende Kunst hat in
Deutschland seit der letzten Weltausstellung zu Paris 1867 durch
den politischen und materiellen Aufschwung des Reiches einen ge-
waltigen Zuwachs an Aufgaben und glänzende Mittel zur Ausführung
erhalten. Zur augenblicklichen Befriedigung des plötzlich erwachten
Bedürfnisses nach festlicher Pracht hat sich die bloße Ausdehnung
der vorhandenen künstlerischen Elemente nicht als ausreichend er-
wiesen. Man sucht nach reicheren Ausdrncksmitteln, als die seit
 
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