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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 18.1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.12974#0291

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278

lich. Man sehe sich die Reliefs darauf an: ob auch nur ein
einziges der Art ist, daß es einen wirklichen Vorgang zu ver-
deutlichen im Stande ist. Die Figuren sind in ganz unwahr-
scheinlicher Weise zusammengedrängt oder auf eine lange Strecke
vcrtheilt und mit kleinlichem Beiwerk versehen: so macht solche,
auf Naturwirklichkeit tendirende Plastik einen nahezu lächerlichen
Eindruck.

Auf dem Relief der Ostseite, welches von Calandrelli
modellirt ist, soll, wie bemerkt, der „dänische Krieg" illustrirt
werden. Die gewählten einleitenden Motive, welche freilich für
jeden andern Krieg ebensogut benutzt werden konnten, sind: „die
Einsegnung der Krieger", „Abschiedsscenen", „der Ausmarsch".
Diese bilden die eine Hälfte 'des Reliefstreifens, „die Eroberung
der düppeler Schanzen" die andere. Der Künstler hat namentlich
in dem letzteren Theil seine ganze Erfindungs- und Darstellungs-
kraft daran gesetzt; daß das Ganze trotzdem einen etwas klein-
lichen Eindruck macht, ist nicht seine Schuld, sondern liegt in
der Aufgabe selbst.

In dem nordseitlichen, von Moritz Schultz modellirten
Relief, soll der „österreichische Krieg" geschildert werden. Wenn
im „dänischen Kriege" ein rücksichtsvolles Bedenken nicht Platz
griff, so trat ein solches hier für eine freie Behandlung der
Aufgabe desto beschränkender aus. Man hat sich daher begnügt,
den Hauptacccnt der ganzen Darstellung aus die oft dargestellte
und dadurch populär gewordene „Scene der Begegnung des
Königs mit dem Kronprinzen auf dem Schlachtfelde von König-
grätz und der Nebcrreichung des Ordens pour le merite" zu
legen. Außerdem erblickt man einige auf den Krieg überhaupt
bezügliche Scenen, wie „Krankenpflege", „Transport von Ver-
wundeten durch die Johanniter" u. dergl. — Dem „französischen
Krieg ist die Westseite gewidmet. Dies Relief ist von Keil
modellirt. Hier war keine Einschränkung geboten, ja nicht einmal
gestattet. Dem Künstler scheint die Aufgabe gestellt worden zu
sein, möglichst viel, ja, wenn's angegangen wäre, die sämmtlichen
Hauptmomente des „französischen Krieges" zur Anschauung zu
bringen. Wenigstens deutet darauf die außerordentliche Zusam-
mendrängung einer Unzahl von Figuren auf den beschränkten
Raum: Gestalten von Menschen und Pferden, Kanonen, Trom-
meln u. s. f. sind — wenn der Ausdruck nicht zu trivial wäre
— förmlich in den schmalen Raum znsammengepfropft.

Der Schwerpunkt der Komposition ruht hier in der ebenfalls
vielfach schon dargestellten „Scene der Nebcrreichung des napo-
leonischen Briefes an König Wilhelm durch den Grafen Reille".
Aber weit entfernt davon, aus diesem ganz realistischen Vorgang,
der ohnehin durch die Bilder von Graf Harrach und Anderen
in seinen wirklichen Details ziemlich bekannt ist, die am ineisten
charakteristische Episode heranzuziehen, mußte der Künstler, um
allen dabei betheiligten Personen genugznthun, außer dem Kaiser
selbst noch die sämmtlichen Prinzen, die verbündeten Fürsten,
den Reichskanzler und die kommandirenden Generale mit ihrem
Stabe, Alle zu Roß heransprengend, hineinbringen. Daran
schließt sich die Darstellung des „Einzugs in Paris", während
auf der anderen linken Hälfte „Ausmarsch", „Kamps", „Ver-
wundetenpflege", „Thätigkeit der Aerzte" u. s. f. angefügt wer-
den. Ueberblickt man nun die Reihe der Motive, welche ans
diesem einen Relief, wenn auch nur andeutungsweise, zur Dar-

stellung gebracht sind, so leuchtet ein, daß zu ihrer ausgiebigen
Veranschaulichung als wirklicher Vorgänge ein zehnfach größerer
Raum kaum hinreichen möchte.

Auf der Südseite befindet sich die Widmungsschrift: „Das
dankbare Vaterland dem siegreichen Heer" und darunter das von
Prof. Alb. Wolfs modellirte vierte Relief des „Siegeseinzugs
in Berlin". Hier war die Aufgabe eine einfachere und darum
dankbarere: der Künstler hat sich denn auch nichts entgehen lassen,
um die Vorgänge, welche jenes großartige Fest verherrlichten,
in klarer und lebendiger Weise zur Anschauung zu bringen. Die
Hauptgruppe des vom Volke mit Jubel begrüßten, als Sieger
einziehenden Kaisers, des Kronprinzen, der Fürsten und Feld-
herren, nicht minder wie die die Hanptaktion begleitenden Episoden
der via triumphalis sind mit außerordentlicher Lebendigkeit und
— bei aller durch die Natur der plastischen Darstellung gebotenen
Diskretion — doch großen Naturwahrheit behandelt, so daß das
Ganze einen höchst erfreulichen und befriedigenden Eindruck gewährt.

Außer diesen plastischen Ausschmückungen zeigt das Denk-
mal auch malerische Darstellungen. Aber seltsam! was für die
plastische Darstellung eine nothwendige Forderung gewesen wäre:
die symbolische Behandlung der drei Kriege, kommt hier •—
in der malerischen Darstellung — an Unrechter Stelle zu seinem
Recht; umgekehrt: ans die realistische Weise der Auffassung, welche
allein der farbigen Darstellungsweise entspricht, und welche wir
daher bei den plastischen Bildwerken als Fehler rügen mußten,
ist hier, wo sie gerade an richtiger Stelle gewesen wäre, ver-
zichtet worden. A. von Werner, dem dieser Theil der De-
koration znsiel, hat es sich damit — bei aller Anerkennung seiner
Leistung in rein künstlerische Rücksicht muß es gesagt sein —
sehr leicht gemacht, so leicht, daß er selbst die Uniformen nicht
geschont, sondern sie auf „symbolische" Weise ganz willkürlich
modificirt hat.

Wie bemerkt, hüllt der granitene Unterbau den eigentlichen
Säulenkörper ringsum ein. Auf der Außenseite des letzteren
befindet sich nun -— vorläufig provisorisch — A. v. Werner's
Malerei. Er sollte darin den ganzen Verlauf des Krieges von
der Herausforderung Deutschlands durch seinen Erbfeind bis zur
Proklamation König Wilhelms als Kaiser im Schlosse zu Ver-
sailles schildern. Auf die Komposition im Detail einzugehen,
verzichte:: wir. Es ist darin ein großer Aufwand von Er-
findungskraft, aber der Inhalt aller dieser Erfindung schwebt
sozusagen in der Luft, er gehört — nicht im guten Sinne des
Worts — durchaus der Phantasie an; von Volksthümlichkeit
kann bei dieser Arb von Darstellung nicht die Rede sein, sie
ist für die Mit- und Nachwelt — soweit es sich um Illustration
des französischen Krieges handelt — vollkommenes Räthsel; ein
Umstand, der Grund genug sein mag, um für Manchen den künst-
lerischen Nimbus, der sich darüber breitet, noch zu erhöhen.

Wir glauben mit dieser allgemeinen deskriptiven Schilderung
des Siegesdenkinals dasselbe auch in kritischer Beziehung hin-
länglich charakterisirt zu haben, um uns einer besonderen Kritik
entheben zu können. Dies wenigstens dürfte für den unbefange-
nen Beschauer und Leser deutlich genug daraus hervorgehen, daß
es ein sehr zusammengesetztes, äußerlich großartiges Werk ist,
dem nur Eines — aber freilich das Beste — fehlt: ideelle Ein-
heit und innere Größe. M. Sr.
 
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