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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 18.1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.12974#0370

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I
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18ter Jahrgang. *1

M 45.

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Herausgegeben und redigirt
von

vr. Mar Schasler.

7. December \
1873. r

Preis des Journals pro Quartal l1/, Thlr. — Kreuzband-Abonnements werden nur bei Pränumeration auf den ganzen Jahrgang angenommen.

(Bedaction und Expedition der Dioskuren: Villa Schasler bei Wilmersdorf, Berlin.)

Anhalt.

ÄbhiinMung: Der ästhetische Standpunkt des Pessimismus. (Schluß.) LnnjtKritiK: Kunst und Kunstindustrie in der Weltausstellung. Von C. A.

Lorrr(poildcn;rn: f Düsseldorf, 1. December. (Die Konkurrenz-Entwürfe Regnet. (Forts.)

für das Cornelius-Denkmal in Düsseldorf.) Luiistgeschichle: Kunstwissenschaftlicher Schwindel.

Liinjl-Lkronik: Lokalnachrichten aus Berlin, Düsseldorf, Darmstadt, München, Liinsliiidustrie »nd Technik: lieber Kunstverglasung der Profanbauten. (Forts.)
Stuttgart, Freiburg, Wien. Album: Deutsches Leben in Haus und Familie.

Aer ästhetische Standpunkt des Pessimismus,

mit besonderer Kerüiksichtigung von 8. v. Harlmaim's „Philosophie des Ilubfnmfjtfn“

(Schluß.)

nzweifelhaft ist es richtig, daß in gewisser
» Beziehung der Trost, welchen der Natur-
st .L genuß dem Menschen für das „Elend des
Daseins" gewährt, auf Täuschung
beruht. Als Heinrich Heine eines
Abends bei Hegel zum Besuch war
und am geöffneten Fenster stehend
melaricholisch zum gestirnten Himmel hinaufblickte,
trat jener zu ihm heran und sagte: „Die Sterne
sind es nicht, lieber Heine, sondern was wir in
sie hineinlegen." Daß in einer „lachenden Land-
schaft" die Blätter von den Raupen, die Raupen von den
Vögeln, die Vögel von den Mardern gefressen und diese selbst
von den Jägern todtgeschossen werden, so daß überall nichts
als Raub und Mord herrscht — wer wollte das verkennen!
Aber ist der Eindruck, den trotzdem die „lachende Landschaft"
auf das Gemüth des Beschauers macht, deshalb eine bloße
Täuschung? Ist die Schönheit der Landschaft, sind ihre For-
men, Farben, Düfte weniger real als jener blutige „Kampf
um's Dasein?" Und wenn dies behauptet werden könnte, was

hat jener Kampf mit dem Naturgenuß zu thun? klns dünkt,
der Verfasser vermischt hier zwei Gebiete mit einander und
wendet den Beweis, der nur auf das eine Gültigkeit hat, mit
Unrecht auf das andere an. Beim Naturgenuß gilt der Satz:
„Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß." An sich z. B.
ist nichts ekelhast; man wird die Schönheit und den wunder-
baren Bau einer Spinne oder Raupe, wenn man diese Thiere
mit vorurthcilslosem Auge betrachtet, wohl mindestens ebenso
hoch stellen und bewundern können wie den einer Auster oder
eines Krebses. Nichtsdestoweniger ißt man die letzteren, während
man sich vor den ersteren ekelt. Hat man aber durch Zufall,
ohne es zu wissen, eine Spinne in einem Glase Wein verschluckt,
schmeckt deshalb der Wein weniger gut? Oder ist dieser Wohl-
geschmack eine Täuschung? Und wie viel — durch Vergröße-
rungsgläser gesehen — widerliche Thiere verschluckt der Mensch
mit jedem Trunk Wasser, ja mit jedem Athemzuge, ohne davon
eine Ahnung, also auch eine Empfindung zu haben!

So verhält es sich aber mit jedem Natureindruck. Wird
derselbe durch keine fremdartigen Reflexionen gestört, so gewährt
er ganz unzweifelhaft einen realen Genuß, und es dünkt uns,
 
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