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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 18.1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.12974#0024

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11

Kunst-Khronik.

i erlitt. In Folge eines von dem Minister der geist-
lichen rc. Angelegenheiten geäußerten Wunsches hat auch
der Finanzminister die sämmtlichen Provinzialsteuerbehör-
den angewiesen, in allen Fällen, in denen es sich um die
Veräußerung fiskalischer Bauwerke oder um eine
’ ^2 mit wesentlicher Umgestaltung derselben verbundene Re-
paratur handelt, zu prüfen, ob die betreffenden Bauwerke monu-
mentalen Charakter oder doch besondere architektonische Schönheit
und Eigenthümlichkeit oder endlich historischen Werth besitzen, und
zutreffenden Falles diese Eigenschaft in den die Genehmigung zum
Verkauf oder zu derartigen Reparaturen beantragenden Berichten be-
sonders hervorzuheben.

— — Das Counts für Errichtung eines Denkmals für den
berühmten Augenarzt Albrecht v. Gräfe hier hat seinen Aufruf um
Beiträge erneuert. Gegenwärtig beläuft sich die Summe der ein-
gegangenen Beiträge auf 3928 Thlr.

— — Das Standbild Friedrich Wilhelms IV., das die ver-
wittwete Königin Elisabeth dem verewigten König in Potsdam in-
mitten seiner Kunst- und Gartenanlagen vor dem Raphael's-Saal
errichten läßt, soll zum Frühjahr zur Aufstellung gelangen. Das
Standbild ist von Bläser modellirt und stellt den König dar in
schlichtem Waffenrock, Stock und Mütze in der Hand, wie man ihn
seiner Zeit oft in diesen Anlagen spazieren gehen sah. Am Mittel-
stück des Postaments sind in Haut-Relief-Medaillons vorn die Poesie,
hinten die Bildhauerei, rechts die Baukunst, links der Gartenbau ver-
sinnbildlicht, im Uebrigen ist das Postament mit friesartigen Früchten
und Blumen, mit Guirlanden rc. geziert. Das Werk wird einschließ-
lich des Postamentes ungefähr 19' hoch sein.

Leipzig. In Del Vecchio's Kunstausstellung findet sich
gegenwärtig eine große Anzahl bedeutender Bilder ausgestellt. Karl
Hübner in Düsseldorf schickte drei Genrebilder ein: „Die Eifer-
süchtige", „Glückliches Wiedersehen" und „Das belauschte Geheimniß",
Canon in Stuttgart einen „Fischmarkt", E. Friedrichsen den
„Freitag-Nachmittag im Judenviertel zu Amsterdam", R. Brandner
in Dresden „Scene aus Hauffs Lichtensteiner", Hofmaler Grund
ein äußerst zart und sauber gemaltes Salonbild „Wein, Weib und
Gesang", Prof. Steinbrecht eine „Loreley", Paul Spangen-
berg „Versteckspiel", Karl Wigand „Der Oberst Graf Schmettau
erzählt seine Kriegserlebnisse", Ch. Landesmann „Weine nicht
mehr", Hintze „Unverhoffte Schulvisitation". Auch vorzügliche
Landschaften von Krabbes in Leipzig, Willroider, Professor
Müller, Bagge, Fr. Mayer, Lina v. Perbandt, August
Keßler, H. Rätzer, I. L. Mensel und gute Thierstücke von
Delfs und Frey sind ausgestellt.

Köln. Der Vorstand des Central-Dombau-Bereins hat für
die am 16. d. Mts. stattfindende Dombau-Lotterie bereits ca.
70 Gemälde für die ungefähre Summe von 13,000 Thlrn. er-
worben, und zwar meistens Werke von anerkannt tüchtigen Meistern,
welche in dem großen Saale des Museums Wallraf-Richartz ver-
einigt ausgestellt sind.

ÄSorms. Am 22. v. Mts. starb zu Frankfurt a. M. der
Maler Prof. Jacob Becker im 63. Lebensjahre.

München. W. von Kaulbach arbeitet an der Vollendung
eines großen, für die wiener Ausstellung bestimmten Cartons „Die
Sündfluth".

Lübeck. Für die hiesige Stadt ist ein kostbares Madonnen-

bild Overbeck's angekauft worden. Dasselbe wurde 1852 von dem
Meister in Rom vollendet und wanderte bald daraus nach Boston.
Nach dem Tod des ersten Besitzers sandte die Familie das Gemälde
zum Verkauf an den Kunsthändler Arnold in Dresden, der es dort
und in Leipzig zur Ausstellung gebracht hat. Es ist ein Rundbild
und stellt die Madonna mit dem Kind in einer Landschaft dar.

Bremen. Der Künstlerverein beging am 28. v. M. das
16. Stiftungsfest durch ein Festmahl, dem sich Musik, Gesang und
ein für den Abend geschaffenes, von Vereinsmitgliedern ausgeführtes
Festspiel anschlossen. Bei dem Mahle brachte der Präsident der
Bürgerschaft, Dr. Meinertzhagen, einen Toast ans Se. Majestät
den Kaiser und das Deutsche Reich aus.

Urbino. Zum Andenken an Raphael ist neuerdings hier eine
k. Raphael-Akademie gegründet worden, deren Aufgabe nicht blos
darin besteht, den Raphael geweihten Arbeiten einen ehrenvollen
Mittelpunkt zu geben, sondern auch durch Herausgabe einer die kunst-
wissenschaftlichen Interessen im ganzen Umfang vertretenden Zeitschrift
wirksam in die Bewegung des heutigen künstlerischen Schaffens ein-
zugreifen.

Nom. Es erscheint fast wie eine ironische Illustration zu
unserem am Schluß des vorigen Jahres veröffentlichten Artikel
„Weihnachtsbilder" *), wenn wir in öffentlichen Blättern lesen, wie
„die Geburt Christi" in dem heutigen Rom vom gegenwärtigen
„Statthalter Christi" gefeiert worden ist: Den Papst zu zerstreuen
— so berichtet d. Voss. Ztg. — hatten die erfinderischsten unter den
Hofprälaten in der Nacht des Christfests eine Unterhaltung an-
geordnet, die sich des hohen Beifalls im vollsten Maaße zu erfreuen
gehabt haben soll. In einem großen Saale saß unter einem Taber-
nakel der Papst als „Gottvater" mit dem Kindlein in der Wiege
zu Füßen, vom Pater Beckx als künftiger „Statthalter Christi" ge-
segnet, welcher den der Kirche da und dort heute angethanen Un-
glimpf einst zu strafen habe. Die Kardinäle Panebianco und Patrizi
vertraten an der Krippe „Ochs" und „Esel". Ein langer Zug von
Klerikern als „Hirten" gekleidet, mit Lämmern, Kapaunen, Eiern,
Milch, Käse und Geschenken jeder Art beladen, bewegte sich aus
der Ferne heran, im Hintergründe zu Pferd „die Weisen des Morgen-
landes", schließlich — Fürst Bismarck, Remusat und Lanza mit den
übrigen italienischen Ministern in Pagen-Uniform (!) Dergleichen
Hosfeste waren dem Papste stets genehm, einst ging es dabei nicht
so still zu wie jetzt. Als Franz Liszt noch der Held des Vaticans
war, hatte er auf den Wunsch des Papstes sein Piano nach Castel-
gandolfo hinausschaffen lassen, wo eine Scene aufgeführt wurde, an
die Se. Heiligkeit selber in einer Unterhaltung neulich erinnert haben
soll. Liszt spielte eine Polka, welche die Prälaten Borromeo (da-
mals noch nicht Kardinal) und Pacca mit solcher Anmuth tanzten,
daß Se. Heiligkeit davon ganz hingenommen zu sein schien. Man
war damals auf dem Wege, während der päpstlichen Billeggiatur
eine Tagesordnung einzuführen, wie sie Kardinal Alessandro Albani
zu Winckelmann's Zeit für die beste hielt, doch andere fanden sie zu
materiell und zogen dafür die Feste vor, mit welchen die Kaiserin
Eugenie in Fontainebleau und Compiögne ihren Hof unterhielt.

*) Für unsere neu hinzugetretenen Abonnenten bemerken wir, daß wir
darin die Art und Weise schilderten, wie „die Geburt Christi" in älterer
und neuerer Zeit von der Kunst, und namentlich von der Malerei, aufge-
faßt und dargcstellt wurde.
 
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