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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 20.1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.13551#0097

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Diese Frage scheint man sich auffallender Weise gar nicht
vorgelegt, geschweige denn in bestimmter Weise beantwortet zu
haben, und doch scheint sie uns geradezu eine Lebensfrage
fiir das ganze Bau-Projekt zu sein. Denn wenn es
schon Bedenken erregen muß, daß die Gemälde der vierten Wand
nach den vorhandenen Cartons durch eine fremde Hand, ohne
den prüfenden Blick des Meisters, ausgesührt werden müßten,
so kann die Möglichkeit, daß es einer anderen Hand überlassen
werden könnte, auch die unvollendeten drei Vierthcile
der Kompositionen, lediglich auf Grund kleiner Umriß-
zeichnungen, nicht nur zu malen, sondern auch zu ko mp oni reu,
gar nicht in Frage kommen. Es wäre wenigstens eine eigen-
thümliche Art, dem großen Meister und seinen Werken, für
welche ausschließlich der große quadratische Raum des Campo
santo projektirt war, Pietät zu bezeugen, wenn drei Viertheile
dieses Raumes mit den Arbeiten eines oder mehrer andrer
Künstler ausgefüllt werden sollten. Und dann: welcher Künstler
würde dazu gewählt werden können? Künstler zweiten und
dritten Ranges, die sich etwa dazu herbeilassen würden, „im Styl
von Cornelius" das Ganze zu vollenden, für die Ausführung
dieses Werkes zu verwenden, hieße das Ganze verballhornisiren;
ein Künstler ersten Ranges aber dürfte sich zu solcher Aufgabe
schwerlich finden lassen, man müßte sich denn dazu entschließen,
die sämmtlichen Cornclins'schen Cartons zu kassiren und ganz
neue Kompositionen entwerfen zu lassen; eine Alternative, vor
der man doch wohl zurückschrecken dürfte!

Die Thatsache, durch welche das Campo santo seiner Be-
stimmung und Form nach zwecklos und unmöglich geworden, ist
der Tod des Meisters, d. h. die nur bis zum 4. Theil gediehene
Ausführung der Cartons zu dem Gesammtcyklus. Durch den
Tod von Cornelius ist die Campo-santo-Frage und damit
die ursprüngliche Dombaufrage überhaupt eine völlig
andere geworden. Nur die eine (vierte) Wand wäre im
äußersten Fall eine Nothwendigkeit oder doch eine Möglichkeit.
Wohlan, begnüge man sich doch mit dieser vierten Wand, d. h.
abstrahire man von der quadratischen, besonders aber von der
abgesonderten Form des Compo santo und — stelle ein
anderes Programm ans, welches eine organische Einheit des
ganzen Dombanes, einschließlich der fürstlichen Begräbnißkapellen,
zuläßt. Allerdings wäre es wünschenswerth gewesen, daß man
diese Nothwendigkeit vor der Eröffnung der Konkurrenz
in's Auge gefaßt hätte. Aber da jene erste Konkurrenz, in welcher
sich •— nach der Ansicht der Denkschrift — „trotz der großen Zahl
eingegangener Projekte keines zur Ausführung würdig erwiesen"
haben soll, so daß „zu einem zweiten ähnlichen Verfahren wird
geschritten werden müssen", erfolglos geblieben ist, so scheint es
jetzt Wohl geboten, auch die Frage in Erwägung zu ziehen, ob
die Ausführung des Campo-santo-Baues, vor definitiver Ent-
scheidung über die Doinbaufrage überhaupt, in Angriff genommen
werden könne, ohne weiter neue und unentwirrbare Schwierig-
keiten für die Ausführung des Gesammtbanes hervorzurufen.

(Schluß folgt.)

Korrespondenzen.

j,eipzic;, Anfang März. (Leipzigs Monumente.) Ein
MU) cigenthümliches Verhängniß waltet über Leipzigs monu-
' ^ mentale» Erinnerungszeichen und kopfschüttelnd betrachtet
der kunstsinnige Fremde die Denkmäler, welche Pietät
und Dankbarkeit dem Andenken großer Ereignisse oder
hervorragender Persönlichkeiten widmete. Das Stand-
bild des franzosenfreundlichen Königs Friedrich August, den
man — horribile dictu — in römischer Jmperatorentracht dar-
stellte, ist ein künstlerisches Unicnm, falls man hier überhaupt noch
von Kunst reden darf, denn die winzige Figur des Königs prä-
sentirt sich auf dem massigen, fast formlosen Postamente wie ein
in einem Aschkuchen gestecktes Zündhölzchen. — Die sitzende Bronce-
gcstalt des Erfinders der Homöopathie, Hahnemann, ist, so
tüchtig sie auch an und für sich modellirt sein mag, längst der
Lächerlichkeit verfallen; die eigenthümliche Form des Sessels erinnert
gar zu sehr an ein für Krankenzimmer unentbehrliches Gcräth, als
daß sie nicht die Spottlust herausfordern sollte. Die im Jubiläums-
jahre der Völkerschlacht, 1813, errichteten Denkmäler sind
treffend mit berliner Kachelöfen verglichen worden, und das Monu-
ment des berühmten leipziger Kantors Johann Sebastian
Bach bezeichnet der Volkswitz wegen seiner cigenthümlichcn Form
mit der wenig schmeichelhaften Benennung „Kaspartheater". — Der
Schöpfer der berühmten leipziger Promenaden, Bürgernieister
Müller, muß sich mit einer Art steinernen Waschtisches begnügen
und die Kolossalbüste des Altmeisters deutschen Sanges, Karl
Zöllner, schaut wie von einem Schornstein, an dessen Seiten vier
aufgeschwärzte Essenkehrerjungen — Chorknaben vorstellend — an-
gebracht sind, auf die Spaziergänger des Rosenthales herab. Nur
ein Denkmal und, wenn man das Marmorstandbild Gellert's

hinzurechnen will, zwei, sind von diesem eigenthümlichen Fatum
nicht betroffen worden: die herrliche Thaer-Statue von Rietschel,
welche für manche künstlerische Mißgeburt entschädigen muß.

Im Bewußtsein dieses Mißgeschickes ist die leipziger Bürger-
schaft gegenwärtig, wo die seit Jahren unerledigt gebliebene Frage
wegen Errichtung eines Siegesdenkmals endlich in Fluß zu kom-
men scheint, in gelinde Aufregung versetzt, und in der That sind die
vorbereitenden Präliminarien für dieses Monument außergewöhnlicher
und nicht gerade ermuthigender Natur. Von den drei Konkurrenz-
entwürfen hat sich das Comitö kürzlich für den Siemering'scheu
entschieden, nachdem der Künstler in nicht unwesentliche, aus finan-
ziellen Gründen nöthig erscheinende Abänderungen und Verein-
fachungen gewilligt hat. Die Aufbringung der auf 93,000 Thaler
veranschlagten Kosten wird für die reiche Stadt Leipzig ivohl kaum
Schwierigkeiten bieten, nachdem zu diesem Zwecke durch freiwillige
Beiträge bereits 30,000 Thaler zusannnengebracht worden sind, da-
gegen dürfte die Wahl des Platzes noch manches geschriebene
und gesprochene Wort veranlassen. Unser in Vorschlag gekommener
verhältnißniäßig kleiner Marktplatz, ans welchem während der Messen
jeder Quadratzoll zinstragend ausgenutzt wird, ist sehr theures
Terrain, und der außerdem noch in Frage befindliche imposante
Angustusplatz wird durch die darüber führende Straße in zwei sehr-
ungleiche Hälften getheilt, ein Umstand, der die Symmetrie empfind-
lich stört. Um nun den guten Leipzigern ad oonlos zu demonstriren,
wie sich das Monument sowohl auf dem engen Markt als dein
weiten Angustusplatz ausnehmen wird, ist das praktische Comitö auf
den glücklichen Einfall gekommen, zunächst ein Modell aus — Pappe
und zwar in den natürlichen Dimensionen, anfertigcn und auf den
betreffenden Standorten aufstellen zu lassen; die öffentliche Meinung
 
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