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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 20.1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.13551#0269

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M" Jahrgang.

M 35.

HZu^torZan der Arutsr^sn HlmsiuLi'Ltno.

Herausgegeben und redigirt
von

vr. Mar Schasler.

Preis des Journals pro guartal IV, Thlr. — Kreuzband-Abonnements werden nur bei Pränumeration auf den ganzen Jahrgang angenommen.

(Redaction und Expedition der Dioskuren: Villa Schasler bei Wilmersdorf, Berlin.)

Inhalt.

Abhandlung: Ucbsr die nationalen Unterschiede der Graphik. (Schluß.) ünnst-Thronili: Lokalnachrichtcn aus Berlin, Stettin, Breslau, Dresden, Köln,

üorrrst>ondrn!c»: (I München, Mitte September. (Heinrich Merz, Heinrich Rüdesheim, Crefeld, Darmstadt, Stuttgart, München, Nom, Sevilla.
Spieß und Simon Braun f rc.) — R. Florenz, Mitte September. Lunjl-Änstitiite und-Vereine: Die Vorarbeiten zu dem Gesetzentwurf über das
(Die Michelangelo-Feier in Florenz.) Urheberrecht auf den Gebieten der Kunst und Kunstindustrie.

Ueber die nationalen Unterschiede der Hrapljik.

(Schluß.)

jas nun die französischen Holzzeichner betrifft,
so ist ihre Bedeutung und ihre Menge so
groß, daß, sollen wir anders die Grenzen
dieser Abhandlung nicht überschreiten, wir
uns auf das Nothwendigste beschränken
müssen.

Grandville ist ohne Widerspruch Frank-
reichs, ja, wenn man nicht nur die geniale Be-
deutsamkeit seines Crayons überhaupt, sondern
daneben die ungemeine Fruchtbarkeit und die
in dieser Fruchtbarkeit obwaltende Mannigfaltigkeit desselben in
betracht zieht, Enropa's ausgezeichnetster Charakterzeichner. Er
5* Eben so schwer zu charakterisiren wie Menzel, aber es
nst bei ihm nicht die kapriciöse Schrankenlosigkeit der Manier,
sondern die phantasiereiche Originalität seines Gedankens, die
sich der kritischen Regel entzieht. Diese Originalität liegt in
Teiner dem konventionellen Leben der modernen Gesellschaft
U'einden Idealität und erscheint bei ihm daher durchaus ohne
alle Affektation. Es folgt aus dieser seiner Stellung außerhalb
Er gewöhnlichen Welt und der gewöhnlichen Natur ganz von
iE bst, daß er sich dagegen entweder satyrisch oder ideali-

sirend verhält. Will man daher seine Anschauungsweise scharf
charakterisiren, so kann man sie, d. h. den Inhalt seiner stets
tiefen und genialen Komposition, als die poetische Meta-
morphose bezeichnen. In dieser Metamorphose liegt das
Räthsel, wie so viel liebliche Sinnigkeit mit so haarscharfer
Satyre, solche Tiefe der Naturanschauung und duftige Zartheit
der Empfindung mit so energischer Kraft der Phantasie, deren
groteske Schöpfungen uns oft mitten in die geisterhaften Gebilde
einer dunkeln und unbekannten Welt versetzen, verbunden sein
können. Denn ob Grandville die Thorheit und Krankhaftigkeit
der Gesellschaft, die Eitelkeit und Lasterhaftigkeit der Menschen
mit einem Zuge seiner genialen Feder in wirkliche Fratzen ver-
wandelt, welche jedoch durch alle karrikaturartige Metamorphose
hindurch die frappanten Züge ihrer Originale tragen, oder ob
er die unschuldigen Kinder der Natur aus bewußtlosen Pro-
dukten der Vegetation in eine Welt voll poetischer Gestalten
metamorphosirt, in deren menschlichen Zügen das dämmernde
Blumengefühl, das Sehnen und Lieben und Fürchten der träu-
menden Pflanzenseele zu einem scheinbaren Selbstbewußtsein
verklärt wird: immer ist es die poetische Metamorphose,
welche die Quelle dieser satyrischen oder idealisirenden Phan-
 
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