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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 20.1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.13551#0136

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daß sich der Dilettantismus, und besonders der weibliche, des
Aquarells als einer bequemen Technik, deren wenig umfang-
reiches Material überall mitgenommen werden könne, zur Be-
friedigung des seine (des Dilettantismus) eigentliche Basis bil-
denden Modegelüstes bemächtigt hat, und daß, dadurch zurückge-
schreckt, die besseren Künstler nur mit einer gewissen Scheu der-
gleichen Werke ihrer Hand an die Oeffentlichkeit bringen.

So ist es denn gekommen, daß man auf unfern Aus-
stellungen selten ein gutes Aqnarellbild erblickt und daß selbst
eine Sammlung von Aquarellen ersten Ranges, wie die vor
mehren Jahren zur Ausstellung gebrachten Aquarellen der „Reise
um die Erde" von Eduard Hildebrandt, fast mehr durch
die Anziehungskraft des Namens oder gar der dargestellten
Gegenden als durch ihre künstlerische Bedeutung die Beschauer an-
lockte. — Mit welcher Stiefmütterlichkeit die Aquarellmalerei ferner
auf unfern großen akademischen Kunstausstellungen be-
handelt wird, weiß Jedermann. Während eine Reihe von Sälen
den Oelgemälden eingeräumt ist, wird den Aquarellen ihr
Platz mitten unter mittelmäßigen Lithographien, Holzschnitten
von Maschinen und Naturprodukten in einem schlecht beleuchteten,
schmalen Seiteukorridor angewiesen, den das Publikum gewöhn-
lich erst, wenn es alle andern Säle durchwandert hat und ab-
gespannt nach Hause eilt, flüchtig hinunterschlendert. — Wie ist
es nun von dem — bei uns wie überall — im Allgemeinen wenig
kunstgebildeten Publikum zu verlangen, daß es seine Aufmerksam-
keit einer Kunstgattung widme, welche die königliche Akademie
selbst durch derartige Placirung von vorn herein als wenig be-
deutend kennzeichnet? Die natürliche Folge davon ist, daß man
unter den Aquarellen der großen akademischen Ausstellungen nur
selten zahlreichere Werke von anerkannten Meistern, wie Passini,
Werner u. A. m., dagegen viel mittelmäßige, dilettantische
Arbeiten, besonders von Damen, findet, welche nicht nur das
Vorurtheil gegen die Aquarellmalerei bestätigen, sondern auch
die Nichtachtung dieser herrlichen und ihrer Art einzigen, durch
keine andere Technik ersetzbaren Kunstgattung unterstützen.

Die Hebung der Aquarellmalerei in Deutsch-
land, d. h. die Anregung zu einer richtigen Würdigung der-
selben und, was damit zusammenfällt, zur Erweckung und Ver-
breitung des Interesses daran im kunstliebenden Publikum, scheint
daher eine Angelegenheit von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
In Belgien, Frankreich, England weiß man den hohen Werth
des Aquarells zu würdigen. In Brüssel besteht eine sooiete
des aquarellistes, welche jährlich regelmäßige Ausstellungen
von Aquarellen veranstaltet, ebenso in London und Paris.
Es lohnt sich also schon der Mühe, den Versuch zu machen, in
Deutschland ebenfalls Aquarellausstellungen zu veranstalten.
Aber einmal müßten dieselben, wenu sie zu einem wirklichen
Hebel des Interesses sowohl nach Seiten der Künstler wie des
Publikums werden sollen, nicht auf deutsche Werke beschränkt
bleiben, d. h. sie müßten als internationale Aquarell-
Ausstellungen, mit Ausschluß jeder andern Kunstgattung,
ausgefaßt werden; anderntheils müßten sie regelmäßig — allen-
falls unter Wechsel der vornehmsten und größten Städte — alle
Jahr wiederkehreu, d. h. als cyklis che Ausstellungen orgaui-
sirt werden.

Was zunächst und namentlich Berlin betrifft, so wäre es
sehr wünschenswerth, wenn neben der biennalen, hauptsächlich den
Werken der Oelmalerei gewidmeten officiellen Aus-
stellung der Akademie eine besondere Aquarellaus-
stellung, in einem von der Akademie nicht allzuweit abgelege-
nen, würdigen Ausstellungs-Lokal, veranstaltet würde, um die
durch die Akademie gelassene Lücke in diesem Punkte auszu-
fülleu. Das allseitige Interesse, welches die akademischen Aus-
stellungen immer Hervorrufen und das selbst viele Fremden zu
dieser Zeit nach Berlin zieht, würde, namentlich wenn man auf
diese internationale Aquarellausstellung als auf einen
Appendix zur akademischen Ausstellung hinwiese, mit
einem Schlage auch dieser so sehr vernachlässigten Kunstgattung
zu Gute kommen. Ist ein solches Interesse aber erst einmal
erregt, ist in unserem Publikum erst einmal eine klare Porstellnng
von der bewundernswürdigen Leistungsfähigkeit dieser mit einem
eigenthümlichen Reiz beseelten Kunstgattung erweckt worden, sv
wäre der Einfluß und die Tragweite eines solchen Ereignisses
für die Hebung der deutschen Aquarellmalerei gar nicht ab-
zusehen.

Aber auch für unsere Künstler ist eine internationale
Aquarellausstellung von der größten Bedeutung. Man kennt in
Deutschland so gut wie gar nicht die Werke der ausländischen
Aquarellisten, weil sie eben nicht zur öffentlichen Aufstellung
kommen, sondern meist aus den Mappen der wenigen sich damit
befassenden Kunsthändler direkt in die Mappen und Albums der
noch weniger zahlreichen Liebhaber und Sammler wandern. Eine
Zusammenstellung der Hauptleistungen in diesem Fache von
französischen, belgischen, namentlich aber von den gerade in dieser
Gattung ausgezeichneten englischen Aquarellisten und das durch
solche Zusammenstellung ermöglichte vergleichende Studium könnte
in künstlerischer und technischer Beziehung für die Vervollkommnung
der deutschen Aquarellisük nur sehr heilsam und förderlich sein.
— Was endlich die ausländischen Aquarellisten betrifft,
so dürften auch diese an der Veranstaltung solcher Aquarell-Aus-
stellungen ein wesentliches Interesse haben, nicht nur durch die Aus-
breitung ihres Künstlerruhms, sondern auch durch die Gründung
eines neuen und, wie wir überzeugt sind, sehr ergiebigen Marktes
für ihre Werke.

Von welcher Seite man daher auch die Idee einer regelmäßig
wiederkehrenden Aquarellausstellung betrachten möge, so gewährt
sie eine für den Erfolg durchaus günstige Aussicht.

Soviel über die Einrichtung von Aquarellausstellungen im
Allgemeinen. Es bleibt abzuwarten, ob und wie weit die be-
vorstehende Aquarellausstellung in Hamburg dein Grundgedanken
eines solchen Projekts entspricht. Jedenfalls wird sie dazu bei-
tragen, die Aufmerksamkeit des Publikums einmal wieder auf
die große Bedeutung des Aquarells hiuzulenken, und außerdem
Anlaß zur Sammlung von Erfahrungen geben, nach denen man
für künftige Ausstellungen dieser Art sich wird richten können,
um das vorgesteckte Ziel zu erreichen.

Schließlich ein paar Worte über die künstlerische Bedeutung
des Aquarells, welche zugleich als kritisches Programm für die
etwa über die Ausstellung selbst zu veröffentlichende kritische Be-
richterstattung dienen mögen. (Forts, folgt.)
 
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