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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 20.1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.13551#0173

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163

Korrespondenzen.

affel, Ende Mai. (Prof. Hassenpflug; Kunst-
haus; Permanente Ausstellung des Kunst-
vereins.) Die Eingangshalle des Kunsthauses hat
vor Kurzem durch die Aufstellung von drei weiblichen,
von Prof. Hassenpflug modellirten Gewandfiguren
einen bedeutenden, wenn auch nur provisorischen plasti-
schen Schmuck erhalten. Die Statuen, „Geschichte," „Philosophie"
und „Poesie" darstellend, gehören zu einer, zur Bekrönung des Ge-
bäudes bestimmten, von dem genannten Künstler entworfenen Kolossal-
gruppe der die Künste (diese repräsentirt durch Raphael und Michel-
angelo) bekränzenden Minerva und sind in einem sehr edlen Styl
ausgefllhrt.

Die Geschichte dieser Gruppe gereicht dem Kunstsinn unserer Stadt
nicht gerade zur Ehre. Nachdem schon vor längerer Zeit von Seite
der Kunsthausgesellschaft der Auftrag zur Ausführung derselben an
Hassenpflug erthcilt war, dieser auch mit großen Kosten und Mühen
das Material (Hildesheimer Sandstein) hatte herbeischaffen lassen
und die Gruppe selbst zum Theil schon vollendet hatte, schien das
leitende Comits, vielleicht in Folge ungünstiger finanzieller Verhält-
nisse der Gesellschaft, plötzlich anderen Sinnes geworden und die
Ausführung des ganzen Projektes, welches unserer an öffentlicheu
Monumenten ohnehin nicht reichen Stadt eine hervorragende plastische
Zierde in Aussicht stellt, damit ernstlich in Frage gekommen zu sein.
Nach allem Mißgeschick, welches das Kunsthaus seit seinem Bestehen
schon zu erfahren hatte, drohte demselben somit ein neues. Mit
Befriedigung vernahm man daher ans den Verhandlungen der letzten
Generalversammlung der Kunsthausgesellschaft, daß die finanzielle
Lage der letzteren keineswegs eine ungünstige und die Ausführung
des obigen Projektes noch nicht aufgegeben sei. Wir haben es ein-
fach als eine Ehrensache betrachtet und betrachten es noch als solche,
daß das Comitö seiner Verpflichtung gegenüber dem benachtheiligten
Künstler sobald als möglich nachkommt. Wie derselbe im anderen
Falle entschädigt und was aus der Gruppe der Minerva werden
solle, mögen deren Mitgötter wissen. Wir geben uns der Hoffnung
hin, daß es in letzter Stunde noch gelingen werde, einen kläglichen
Ausgang der Sache zu verhüten, was ebenso sehr im Interesse des
Künstlers wie des Kunsthauses selbst zu wünschen wäre. Letzteres,
an einem der schönsten Plätze der Stadt gelegen und selbst archi-
tektonisch recht geschmackvoll ausgeführt, hat zuletzt auch noch das
Unglück gehabt, daß, Dank unserer weisen Baupolizei, unmittelbar
daneben ein unverhältnißmäßig hoher Privatbau aufgeführt wurde,
durch den es fast völlig in den Boden gedrückt wird. Kämen nun
die obigen Figuren auf dem Gebäude an ihren Platz, so würde
dasselbe ohne Zweifel wieder bedeutend dadurch gehoben und so sein
monumentaler Charakter einigermaßen gerettet werden. Nachdem
die oben genannten Gewandstatuen seit Jahr und Tag mit abge-
tvendetem Angesicht, gleichsam wie die über den Kunstsinn der Stadt
Kassel trauernden Musen, in einer einsamen Ecke der Halle gestanden,
erhielten dieselben vor einiger Zeit eine geeignetere Aufstellung, so
daß ihre Vorzüge nun erst zur vollen Geltung kommen. Es sind
dieselben, die wir schon längst an den Werken des Künstlers ge-
schätzt haben. Nächst einer tiefen, innigen Auffaffung der Natur
zeigt^sich in ihnen ein idealer Zug, der in seiner edlen Einfachheit
rmdIin einer gänzlich ungesuchten Weise an die Antike erinnert.

Daß Hassenpflug auch für die monumentale Kunstrichtung große
Begabung besitzt, hat derselbe schon früher durch seine für die Außen-
seiten des neuen Gemäldegallerie-Gebäudes gearbeiteten und schon
vor Jahresfrist dem Ort ihrer Bestimmung übergebenen Werke ge-
zeigt. Zwar die kleinen Giebelfelder boten hier nicht den ent-

sprechenden Raum zur freien Entfaltung größerer Gruppenkompo-
sitionen, uni so bedeutender aber wirken die beiden Kolossalstand-
bilder des „Rubens" und „Rembrandt", welche, in Nischen über dem
Haupteingang angebracht, sich in ihrem marmorähnlichen Ton vom
Mauerwerk kräftig abheben und mit einem von Genien bekränzten Re-
liefbild des Gründers der Gallerie, des „Landgrafen Wilhelm VIII.",
gleichfalls von Hassenpflug modellirt, den hervorragenden plastischen
Schmuck der östlichen Portalseite des Gebäudes bilden. Auch die
für die große Loggia desselben bestimmten, gleichfalls schon ausge-
führten Marmorbüsten berühmter Maler sind als sehr bedeutende
Leistungen des Künstlers zu bezeichnen. Ebenso verdienen feine für
die Außenseiten des Kunsthauses gearbeiteten Medaillonbilder, Por-
trätbüslen berühmter Künstler, mit Anerkennung hervorgehoben zu
werden. (Schluß folgt.)

-m- Prag, Mitte Mai. (Ausstellung des hiesigen Kunst-
Bereins. Schluß.) Bon Bildern mit historischem Stoff ist als das
Vorzüglichste hervorzuhebcn Hendrik I. Schaefels in Antwerpen
„Wegnahme der Flotte von Lissabon durch die Niederländer 1572".
Das echt niederländische Kolorit, die lebendige Jndividualisirung der
kämpfenden Bootsmannschaften, der Zauber der Luftperspektioe, in
der besonders das Admiralschisf schimmert, machen das Bild zu
einem hervorragenden Werke. Ferner ist zu erwähnen W. Brozik's
aus Prag, derzeit in München, „Dagmar, Tochter Premysl Otto-
kar I., verläßt mit Waldemar von Dänemark Meissen", ein Werk,
welches bei dem Fortschritte, den dieser Künstler in der Korrektheit
der Zeichnung gethan, weniger gemischte Gefühle hervorbringt und
mehr das Gute zur Geltung kommen läßt. Zu wünschen wäre
dem Bilde nur mehr Haltung und weniger mosaikartige Zersplitterung.
Endlich ist zu erwähnen Karl Zavurek's in Prag „Unverhoffte Ab-
urtheilung des Mutina von Vesovec und seiner zwei Söhne durch
Herzog Svatopluk 1108".

Von Portraits und bildnißartigen Studien ist außer dem schon
besprochenen Portrait von Guffens ein zweites ähnliches desselben
Künstlers zu erwähnen; ferner eine lebensgroße „weibliche Studie
in venetianischem Kostüm" von Hans Makart, worin er die ganze
Kraft seiner Farbe entwickelt; sodann ein fein charakterisirtes und
geistreich behandeltes Prälatenportrait von Schafarovic in Prag,
ein kleineres mit ganzer Figur von Zenisek in Prag in elegantem
Vortrag, ein älterer Studienkopf von Benczur in München, eine
„Theater-Erinnerung" von Jean Portaels in Brüssel, eine „Kinder-
gruppe" von Louise v. Ehrler in Prag, endlich eine „Jsabella
Orsini" von Gustav Gaul in Wien. — Von Genrebildern sind
die besten eine märchenhafte „Elfenfahrt" von Emil Lanffer in
Prag, ein „Daheim" von Ludw. Vollmar in München, „Trauliche
Stunde" von Julius Walter in Brünn, „Weinprobe" von Reinh.
Seb. Zimmermann, „Der Toast" von P. Koerle in München,
„Mädchen am Fenster" und „Genrebild" von Eugen Blaas in
Venedig, „Muschelsischer in den Lagunen" von Franz Rüben in
Wien, „Klosterbibliothek" von Klemt. Eine liebliche und vollendet
schöne Vereinigung von Genrebild, Landschaft und Thierbild ist
E. Bosch's in Düsseldorf „Mädchen mit weidender Kuh". Zu
erwähnen sind noch zwei kleine Genrebilder von Knöchel aus Prag,
derzeit in München, und eins von Kozakiewicz, ebenfalls in
München.

Die Landschaft erscheint numerisch am stärksten vertreten. Von
wunderbarer Lichtwirkung ist der „Wasserfall" von CH. W. Piepen-
hagen in Prag, dem sich ein zweites Bild: „Partie aus Südtirol" der-
selben Künstlerin durch den poetischen Duft, der eine charakteristische
Eigenthümlichkeit der Piepenhagen'schen Landschaften ist, würdig an-
 
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