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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 20.1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.13551#0278

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burger Thor aus, Athene, einen jungen Krieger im Gebrauch
der Waffen unterrichtend, stammt von seiner Hand. — Das
berliner Opernhaus, die königlichen Schlösser zu Berlin und
Potsdam, das kronprinzliche Palais, das berliner Museum ver-
danken ihm gleichfalls einen Theil ihres Schmuckes; namentlich
das neue Orangeriehaus in Sanssouci sechs Figuren der Monate,
das Dach des alten Museums eine „Muse, den Pegasus tränkend",
die Gedenkhalle des kronprinzlichen Palais ein vortreffliches Me-
daillonbild von Felix Mendelssohn-Bartholdy und das Dach des
berliner Schlosses Figuren der „Tugenden", die zugleich Portrait-
Figuren von Mitgliedern der königl. Familie sind.

Von einer großen Anzahl von Portraitbüsten, die aus seiner
Hand hervorgingen, seien namentlich die von Stüler, Stein und
v. Olsers genannt. Auch ein Medaillonbild des Erstürmers des
Grimmaischen Thores in Leipzig, Major Friccius, rührt von
ihm her. Für die National-Akademie in Pesth schuf er einen 3 Meter
hohen „Raphael", für die Borsig'sche Fabrik am Oranienburger
Thor in Berlin eine der beiden Gruppen am Eingänge der-
selben, einen Ingenieur darstellend, der das Modell einer Loko-
motive trägt.

Eines seiner umfangreichsten und genialsten Werke besitzen
wir in einem etwa 65 Meter langen Fries, „die Zerstörung
Pompeji's", im griechischen Hof des neuen Museums, wodurch
er als Meister der Reliefkomposition sich hervorthat.

Ein bedeutungsvolles Werk ist ferner sein Kolossal-Relief
für das Ostportal der dirschauer Weichselbrücke. Der Stoff
zu dieser Komposition ist der Geschichte des Mittelalters, speciell
der Geschichte von Marienburg, entlehnt, und bezieht sich auf
das Wirken des Hochmeisters Winrich von Kniprode, welcher
die heidnischen Litthauer besiegt und zum Christenthum bekehrt
hat. Hinter dem hoch zu Roß sitzenden Ordensmeister, welcher,
hinwegschreitend über zertrümmerte Götzenbilder, seine Hand
segnend über freundliche Gruppen des beglückten Volkes aus-
breitet, steht der gefesselte Kynstutte, der erbittertste Gegner
Winrich's, mit zu Boden gesenktem Blick. Ein Bischof heißt
ein gläubiges litthauisches Weib, welches inbrünstig den Schaft
des Kreuzes in seiner linken Hand küßt, mit einladender Be-
wegung des rechten Armes willkommen. Gegen diese Gruppen
tritt dann das kriegerische Gefolge Winrich's, das sich im Hinter-
gründe in der Länge des Bildes vertheilt, perspektivisch zurück.

Aus ähnlichen Motiven entstand die Statue des Hermann
von Salza für die Nogatbrücke zu Marienburg, Luther und
Melanchthon für die Universität in Königsberg.

Von dem Verein für religiöse Kunst in der evangelischen
Kirche wurden einige gelungene Schöpfungen des Meisters ver-
anlaßt, die aber leider nicht zur Ausführung gelangt sind.

Hierher gehören der Johannisbrunnen, für den Werder-
schen Markt in Berlin bestimmt; nur als Skizze vorhanden.
Auf vorspringenden Sockeln sitzen 4 Figuren, welche den reuigen
Zöllner, den sich unterrichtenden Krieger, die unbedingt gläubige
Mutter und den forschenden Pharisäer darstellen. Ueber ihnen
erhebt sich auf einer Säule, an deren oberem Ende 4 wasser-
speiende Köpfe angebracht sind, mit der symbolischen Bedeutung
des von den 4 Evangelisten ausgehenden Bronnens des wahren
Glaubens, Johannes der Täufer, in der Linken das Glaubens-
kreuz, mit der Rechten heilkündend gen Himmel weisend.

Ferner für denselben Verein: Eine, etwa 70 Ctm. hohe,
sehr schöne Gestalt des verspotteten Christus, leider nur in
wenigen Gypsabgüssen verbreitet, und ein Medaillonrelief, „der
Winterabend", eine Alte darstellend, die einer Schaar von Kindern
die Namen der Finger herzählt.

Zu den Konkurrenten für das Denkmal Friedrich Wil-
helm III. im Lustgarten zu Berlin gehörte auch Schievelbein.
A. Wolff wurde zwar mit der Ausführung betraut, aber Schievel-
bein gleichzeitig der nächste Staatsauftrag zugesichert. Und diesen
erhielt er im Jahre 1863, die Ausführung des Stein-Denkmals
für Berlin.

Die Kolossalfigur Stein's steht auf einem Postament, an
dessen vier Kanten auf hervortretenden Sockeln die vorzüglichsten
Tugenden des großen Staatsmannes angebracht sind: die Vater-
landsliebe, die Energie, die Wahrheit und die Frömmigkeit.
Hinter diesen schmücken 4 kleinere Reliefs die 4 Seiten des
Würfels, nämlich:

1. Preußens Trübsale: die Hoffnung enthüllt der trauern-
den Borussia die siegreiche Zukunft.

2. Preußens Erhebung: Borussia führt ihre Kinder in den
Kampf, voran Jork.

3. Opferwilligkeit des Volks: Frauen und Greise opfern
ihre Habe zu Füßen Deutschlands.

4. Sieg: die vereinigten Mächte, Rußland, Deutschland,
England.

Unterhalb der vier allegorischen Figuren umzieht ein aus-
gedehnter Fries fortlaufend das Denkmal. Dieser war bei
Schievelbein's Tode noch nicht modellirt, aber in genauen Zeich-
nungen vorhanden, mit deren Benutzung er später von Hagen:
ausgeführt worden ist. Der Inhalt dieser Reliefkomposition ist
folgender:

1. Verfassung und Gesetzgebung 1807—8.

2. Stein's Flucht nach Böhmen, in Folge der Acht-Er-
klärung Napoleon's.

3. Einzug der siegreichen Heere in Leipzig. Stein wird
mit der Verwaltung der eroberten Lande beauftragt.

4. Stein legt den Ministern in Chaumont die deutsche
Verfassung vor. (10. März 1814.) Die deutschen:
Heere ziehen nach Paris.

Die letzte große Aufgabe, welche dem Künstler 1865 zw
Theil wurde, die Ausführung des Postaments für das Denk-
mal Friedrich Wilhelm III. in Köln ist leider zum größtem
Theil ungelöst geblieben. Nach Schievelbein's Tode wurde die
Ausführung des ganzen Werkes an Bläser, welchem ursprüng-
lich die Arbeit des Reiterstandbildes des Königs zugefallen war,,
übertragen und ihm die begonnenen Arbeiten Schievelbein's zur
Benutzung überlassen. Manches hat Bläser in sein Werk hin-
übergenommen.

Von Schülern Schievelbein's sind Johannes Pfuhl, der
Schöpfer des Stein-Denkmals für Nassau, Geyer und Schwei-
nitz allgemeiner bekannt geworden.

Schievelbein war eine ideal angelegte, specifisch deutsche
Künstlernatur. Seine Werke durchdringt neben Wahrheit und
Charaktertiefe ein Hauch deutschen Gemüths, ein seelenhaftes
Element, das ihn zum Lyriker im Bereich der Bildhauerkunst
stempelt. Seine Bewerbungen bei einigen großen Aufgaben dev
 
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