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b edeutend fein. Faßt man dies Wort im prägnanten Sinne, so
liegt darin ein Doppeltes; nämlich einmal, daß der Inhalt
einer Deutung fähig, d. h. symbolischer Art ist, sodann, daß
solche Deutung einen gewichtigen Gedankeninhalt habe: Beides
liegt in dem Ausdruck „bedeutend". In diesem Sinne kann
man im Grunde von jeder Kunst behaupten, daß sie symbolisch
sei, im Besondern aber von derjenigen, welche die Bedeutung
nicht in direkter Weise, d. h. in einer der Wirklichkeit adäquaten
Form, sondern durch eine bloße Beziehung ausdrückt. Denn
das Symbol im specifischen Sinne des Worts ist eben nichts
Anderes als Beziehungssorm. Daß die Engel mit Flügeln
dargestellt werden, soll nicht „bedeuten", daß etwa im Himmel
die unsterblichen Seelen in Form geflügelter Kinderfiguren umher-
flattern, sondern es liegt lediglich darin die Beziehung auf den
vom irdischen Körper und dessen Schwere unabhängigen Zustand
geistiger Befreiung. Die Flügel deuten auf die Luft, den Aether,
als Gegensatz gegen das durch das Gesetz der Schwere bedingte
Kleben an der irdischen Scholle. Aus solchen symbolischen Be-
ziehungen besteht der gesammte Vorstellungskreis religiöser Wahr-
heiten; ja das Bedürfniß dafür ist in diesem Gebiete so vor-
herrschend, daß selbst da, wo ein direkter Ausdruck möglich
wäre, doch lieber zum Symbol gegriffen wird, weil damit die
poetische Form bewahrt bleibt. Solcher Art ist z. B. die Parabel.
Dian erinnere sich beispielsweise an die Parabeln vom guten
Hirten, vom Säemann, von den Arbeitern im Weinberge des
Herrn u. s. f., welche fast alle ethischer (nicht dogmatischer) Art
sind und als solche einfache moralische Reflexionen enthalten, die
mit Leichtigkeit in verständiger Form ausgedrückt werden könnten.
Aehnlich verhält es sich mit den Allegorien, die auch meist ihrem
eigentlichen Inhalt nach der blos verständigen Reflexion an-
gehören.
Damit berühren wir zugleich die Grenze der künstlerischen
Darstellbarkeit, und wir wollen hier sogleich, den Beweis uns
vorbehaltend, den Satz aufstellen, daß in allen Fällen, wo die
Abweichung von der Naturwirklichkeit lediglich die Form, nicht
den Inhalt der Vorstellung selbst, betrifft, wo also letztere nichts
weiter als eine verständige Reflexion, die ebenso gut oder besser
ohne Transposition in's Symbolische auszudrücken wäre, eine
künstlerische Berechtigung zur Darstellung nicht zugegeben werden
kann. Deshalb sind alle Allegorien, wenn sie mehr als bei-
läufige, gleichsam ornamentale Bedeutung haben (wie z. B. bei
Denkmälern großer Männer), sondern das eigentliche Haupt-
Motiv der Darstellung bilden, zu verwerfen; unbedingt wenig-
stens für diejenigen Kunstgattungen, welche sich, wie die Malerei,
vorzugsweise realistischer Darstellungsmittel bedienen.
So entschieden wir daher für die allgemeine Berechtigung
der Kunst zur Wahl abstrakter Motive — um diesen Ausdruck,
der hier mehr umfaßt als das blos Uebernatürliche, zu wählen
— eintreten zu müssen glauben, so unbedingt müssen wir den
Satz ansechten, daß die Künste in sehr verschiedenem Grade an
dieser Berechtigung participiren, d. h. daß für die eine Kunst-
gattung viel engere Grenzen in Rücksicht auf die Verwendung
des Symbols zu ziehen sind als für eine andere Kunstgattung.
Und es wäre also nur noch die Frage zu erledigen, nach welchem
Princip diese Begrenzung zu bestimmen ist. Eine Andeutung
haben wir eben schon gegeben, nämlich daß die Enge oder Weite
der Begrenzung von der mehr oder weniger realistischen Natur
der Darstellungsmittel abhängt*). Dies scheint so selbstver-
ständlich zu sein, daß ein näherer Nachweis von der Wahrheit
des Satzes fast überflüssig dünkt; und doch werden von den
Künstlern gegen keinen zahlreichere und frappantere Sünden
begangen als gerade gegen diesen scheinbar selbstverständlichen
Satz. Wir sind daher genöthigt, die Frage etwas gründlicher
anzufassen.
Jener Zwiespalt, den wir oben als eine „Differenz zwischen
der Realität der Natur und dem poetischen Stoff"
bezeichneten, müßte jede einheitliche Wirkung des Kunstwerks un-
möglich machen und damit jede poetische sowohl wie reale Wahr-
heit der Darstellung völlig aufheben, wenn er nicht in dieser
selbst zu einer künstlerischen Versöhnung von Inhalt
und Form gebracht werden könnte.
Es ist nun die Frage, auf welchem Wege diese Versöhnung
zu erreichen ist? Offenbar nur dadurch, daß seitens eines der
beiden einander widerstrebenden Elemente — Inhalt und Form
— eine Koncession an das andere gemacht wird, um sie ein-
ander zu nähern und eins dem andern adäquater zu machen.
Nun aber kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, daß eine
solche Koncession nur seitens desjenigen Elements verlangt wer-
den kann, welches, als Mittel für den künstlerischen Zweck, zu
diesem, als dem andern, in einer natürlichen Unterordnung steht,
da es ihm dienstbar ist. Es entspringt hieraus die unbedingte und
unabweisbare Forderung an den darzustellenden Künstler, bei
allen Motiven, die einen außernatürlichen Inhalt
haben, die Darstellungsmittel in einer dieser Außer-
natürlichkeit adäquaten Weise zu beh andeln, d. h. sie
soviel es möglich ihrer blos realen Natürlichkeit und kon-
kreten Natur Wahrheit zu entkleiden. Wo, wie in der Plastik
und der reinen Zeichnung, die von dem vollen Ausdruck der
realen Erscheinung (da ihnen die Farbe mangelt) abstrahiren,
die Darstellungsmittel sich ohnehin als abstraktere hinstellen, ist
die Angemessenheit von selbst dargeboten. Es ist darum keines-
wegs zufällig oder gar als traditionelle Geschmacksrichtung zu
betrachten, daß die Plastik sich hauptsächlich und auf eine ihrer
Natur ganz angemessene Weise in der Behandlung idealistischer
Motive gefällt und daß uns in solcher Form ein derartiger und
selbst ein symbolisirender Inhalt nicht im Geringsten auffällt.
Ebenso gut könnte uns die Weiße des Marmors auffallen, weil
sie „nicht natürlich" sei. Anders in der Malerei. Diese, durch
ihre realistische Darstellungsweise wesentlich auf reale Motive
angewiesen, muß, wenn sie die Grenze des idealistischen
Darstellungsgebiets überschreitet, ihre Mittel dem Wesen der
letzteren nothwendiger Weise anpassen, wenn jene Differenz zwischen
Form und Inhalt nicht als Widerspruch zur Erscheinung kommen
soll. Dies geschieht nun nach zwei Richtungen hin, nämlich
durch besondere Modifikation einerseits des Inhalts, andrerseits
der Form, d. h. dort nach Seiten der Komposition, hier nach
Seiten des Kolorits: und zwar steht Beides im allerinnigsten
Kausalzusammenhänge. Solche Modifikation der (kompositionellen
wie koloristischen) Darstellungsmittel behufs Anpassung derselben
*) Vergleiche auch den betreffenden Abschnitt in den „Bemerkungen über
Thiermalerei und Thierplastik" in Nr. 21 (namentlich S. 155).
b edeutend fein. Faßt man dies Wort im prägnanten Sinne, so
liegt darin ein Doppeltes; nämlich einmal, daß der Inhalt
einer Deutung fähig, d. h. symbolischer Art ist, sodann, daß
solche Deutung einen gewichtigen Gedankeninhalt habe: Beides
liegt in dem Ausdruck „bedeutend". In diesem Sinne kann
man im Grunde von jeder Kunst behaupten, daß sie symbolisch
sei, im Besondern aber von derjenigen, welche die Bedeutung
nicht in direkter Weise, d. h. in einer der Wirklichkeit adäquaten
Form, sondern durch eine bloße Beziehung ausdrückt. Denn
das Symbol im specifischen Sinne des Worts ist eben nichts
Anderes als Beziehungssorm. Daß die Engel mit Flügeln
dargestellt werden, soll nicht „bedeuten", daß etwa im Himmel
die unsterblichen Seelen in Form geflügelter Kinderfiguren umher-
flattern, sondern es liegt lediglich darin die Beziehung auf den
vom irdischen Körper und dessen Schwere unabhängigen Zustand
geistiger Befreiung. Die Flügel deuten auf die Luft, den Aether,
als Gegensatz gegen das durch das Gesetz der Schwere bedingte
Kleben an der irdischen Scholle. Aus solchen symbolischen Be-
ziehungen besteht der gesammte Vorstellungskreis religiöser Wahr-
heiten; ja das Bedürfniß dafür ist in diesem Gebiete so vor-
herrschend, daß selbst da, wo ein direkter Ausdruck möglich
wäre, doch lieber zum Symbol gegriffen wird, weil damit die
poetische Form bewahrt bleibt. Solcher Art ist z. B. die Parabel.
Dian erinnere sich beispielsweise an die Parabeln vom guten
Hirten, vom Säemann, von den Arbeitern im Weinberge des
Herrn u. s. f., welche fast alle ethischer (nicht dogmatischer) Art
sind und als solche einfache moralische Reflexionen enthalten, die
mit Leichtigkeit in verständiger Form ausgedrückt werden könnten.
Aehnlich verhält es sich mit den Allegorien, die auch meist ihrem
eigentlichen Inhalt nach der blos verständigen Reflexion an-
gehören.
Damit berühren wir zugleich die Grenze der künstlerischen
Darstellbarkeit, und wir wollen hier sogleich, den Beweis uns
vorbehaltend, den Satz aufstellen, daß in allen Fällen, wo die
Abweichung von der Naturwirklichkeit lediglich die Form, nicht
den Inhalt der Vorstellung selbst, betrifft, wo also letztere nichts
weiter als eine verständige Reflexion, die ebenso gut oder besser
ohne Transposition in's Symbolische auszudrücken wäre, eine
künstlerische Berechtigung zur Darstellung nicht zugegeben werden
kann. Deshalb sind alle Allegorien, wenn sie mehr als bei-
läufige, gleichsam ornamentale Bedeutung haben (wie z. B. bei
Denkmälern großer Männer), sondern das eigentliche Haupt-
Motiv der Darstellung bilden, zu verwerfen; unbedingt wenig-
stens für diejenigen Kunstgattungen, welche sich, wie die Malerei,
vorzugsweise realistischer Darstellungsmittel bedienen.
So entschieden wir daher für die allgemeine Berechtigung
der Kunst zur Wahl abstrakter Motive — um diesen Ausdruck,
der hier mehr umfaßt als das blos Uebernatürliche, zu wählen
— eintreten zu müssen glauben, so unbedingt müssen wir den
Satz ansechten, daß die Künste in sehr verschiedenem Grade an
dieser Berechtigung participiren, d. h. daß für die eine Kunst-
gattung viel engere Grenzen in Rücksicht auf die Verwendung
des Symbols zu ziehen sind als für eine andere Kunstgattung.
Und es wäre also nur noch die Frage zu erledigen, nach welchem
Princip diese Begrenzung zu bestimmen ist. Eine Andeutung
haben wir eben schon gegeben, nämlich daß die Enge oder Weite
der Begrenzung von der mehr oder weniger realistischen Natur
der Darstellungsmittel abhängt*). Dies scheint so selbstver-
ständlich zu sein, daß ein näherer Nachweis von der Wahrheit
des Satzes fast überflüssig dünkt; und doch werden von den
Künstlern gegen keinen zahlreichere und frappantere Sünden
begangen als gerade gegen diesen scheinbar selbstverständlichen
Satz. Wir sind daher genöthigt, die Frage etwas gründlicher
anzufassen.
Jener Zwiespalt, den wir oben als eine „Differenz zwischen
der Realität der Natur und dem poetischen Stoff"
bezeichneten, müßte jede einheitliche Wirkung des Kunstwerks un-
möglich machen und damit jede poetische sowohl wie reale Wahr-
heit der Darstellung völlig aufheben, wenn er nicht in dieser
selbst zu einer künstlerischen Versöhnung von Inhalt
und Form gebracht werden könnte.
Es ist nun die Frage, auf welchem Wege diese Versöhnung
zu erreichen ist? Offenbar nur dadurch, daß seitens eines der
beiden einander widerstrebenden Elemente — Inhalt und Form
— eine Koncession an das andere gemacht wird, um sie ein-
ander zu nähern und eins dem andern adäquater zu machen.
Nun aber kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, daß eine
solche Koncession nur seitens desjenigen Elements verlangt wer-
den kann, welches, als Mittel für den künstlerischen Zweck, zu
diesem, als dem andern, in einer natürlichen Unterordnung steht,
da es ihm dienstbar ist. Es entspringt hieraus die unbedingte und
unabweisbare Forderung an den darzustellenden Künstler, bei
allen Motiven, die einen außernatürlichen Inhalt
haben, die Darstellungsmittel in einer dieser Außer-
natürlichkeit adäquaten Weise zu beh andeln, d. h. sie
soviel es möglich ihrer blos realen Natürlichkeit und kon-
kreten Natur Wahrheit zu entkleiden. Wo, wie in der Plastik
und der reinen Zeichnung, die von dem vollen Ausdruck der
realen Erscheinung (da ihnen die Farbe mangelt) abstrahiren,
die Darstellungsmittel sich ohnehin als abstraktere hinstellen, ist
die Angemessenheit von selbst dargeboten. Es ist darum keines-
wegs zufällig oder gar als traditionelle Geschmacksrichtung zu
betrachten, daß die Plastik sich hauptsächlich und auf eine ihrer
Natur ganz angemessene Weise in der Behandlung idealistischer
Motive gefällt und daß uns in solcher Form ein derartiger und
selbst ein symbolisirender Inhalt nicht im Geringsten auffällt.
Ebenso gut könnte uns die Weiße des Marmors auffallen, weil
sie „nicht natürlich" sei. Anders in der Malerei. Diese, durch
ihre realistische Darstellungsweise wesentlich auf reale Motive
angewiesen, muß, wenn sie die Grenze des idealistischen
Darstellungsgebiets überschreitet, ihre Mittel dem Wesen der
letzteren nothwendiger Weise anpassen, wenn jene Differenz zwischen
Form und Inhalt nicht als Widerspruch zur Erscheinung kommen
soll. Dies geschieht nun nach zwei Richtungen hin, nämlich
durch besondere Modifikation einerseits des Inhalts, andrerseits
der Form, d. h. dort nach Seiten der Komposition, hier nach
Seiten des Kolorits: und zwar steht Beides im allerinnigsten
Kausalzusammenhänge. Solche Modifikation der (kompositionellen
wie koloristischen) Darstellungsmittel behufs Anpassung derselben
*) Vergleiche auch den betreffenden Abschnitt in den „Bemerkungen über
Thiermalerei und Thierplastik" in Nr. 21 (namentlich S. 155).