Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dörpfeld, Wilhelm; Reisch, Emil
Das griechische Theater: Beiträge zur Geschichte des Dionysos-Theaters in Athen und anderer griechischer Theater — Athen, 1896

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5442#0024

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die verschiedenen Bezirke und Feste des Dionysos.

9

nach den Worten des Demosrhenes die steinerne Stele mit dem Gesetz über die
Basilinna beim Altar, der gewöhnlich neben dem Tempel frei im Bezirk stand,
aufgestellt war. Wäre nun das Heiligtum des Dionysos in den Limnai mit dem-
jenigen des Eleuthereus beim Theater identisch, wie man früher meinte, so
hätte weder das Bild des Eleuthereus an den städtischen Dionysien aus dem
Tempel zur Akademie und später in die Orchestra gebracht, noch überhaupt
an diesem Feste der Tempel und Bezirk des Gottes betreten werden können.
Die Nachricht des Demosthenes zwingt uns also, zwei getrennte Bezirke des
Dionysos anzunehmen.

Mit der Frage nach der Zahl und Lage der Dionysos-Heiligtümer eng ver-
bunden ist die andere nach der Zahl und dem Namen der Feste des Gottes.

Seitdem A. Böckh in seiner epochemachenden Abhandlung «Vom Unter-
schiede der Lenaien, Anthesterien und ländlichen Dionysien» (Kleine Schriften
V, 65) das Vorhandensein von vier verschiedenen Festen des Dionysos für Athen
bewiesen hatte, betrachtete man gewöhnlich als feststehend, dass es folgende
Dionysos-Feste in Athen gegeben habe:

1. die ländlichen Dionysien,

2. die Lenaien,

3. die Anthesterien und

4. die orossen oder städtischen Dionysien.

Ich habe mich aber von der Richtigkeit dieser Ansetzung nicht überzeugen
können, sondern bin der Ansicht, dass die drei ersten Feste, wenigstens für die
ältere Zeit, identisch sind. Das älteste Dionysos-Fest waren die Anthesterien,
welche dem Dionysos in den Limnai gefeiert wurden. Der skenische Agon an
diesem Feste fand auf der Orchestra am Areopag statt und wurde b eist Avjvaiw
«ywv oder ta AVjvaia genannt. Als er im IV. Jahrhundert ins Theater des Eleuthe-
reus verlegt wurde, durfte der erstere Name nicht beibehalten werden, sondern
wurde ganz durch den zweiten ersetzt. Die Anthesterien waren das ländliche
Fest der Stadt Athen; sie stammten aus der Zeit, als die alte Polis sich auf
den Umfang der pelargischen Mauer beschränkte. Viele Deinen haben daneben
noch ihre besonderen ländlichen Dionysien gehabt, wie wir von einigen (Piräus,
Salamis, Ikaria usw.) sicher wissen. Neben dem uralten Feste der Anthesterien
waren die grossen Dionysien als rein städtisches Fest gegründet worden.

Ich trete damit in der Hauptsache einer Ansicht bei, welche O. Gilbert in
der Schrift «Über die Festzeit der attischen Dionysien» zuerst eingehend ent-
wickelt hat. Obwohl ich ihm in manchen Punkten nicht beistimmen kann, halte
ich das Resultat seiner Untersuchung im Wesentlichen für richtig. Die Beweis-
führung konnte schon deshalb nicht ganz richtig sein, weil Gilbert noch von der
irrtümlichen Voraussetzung ausgeht, dass die Limnai im Südosten der Burg lägen.
Es würde mich zu weit führen, hier auch nur die wichtigsten Gründe für meine
Auffassung anzuführen. Ich muss mich damit begnügen, meine Ansicht ange-
deutet zu haben.
 
Annotationen