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Dörpfeld, Wilhelm; Reisch, Emil
Das griechische Theater: Beiträge zur Geschichte des Dionysos-Theaters in Athen und anderer griechischer Theater — Athen, 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.5442#0272

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Gesamtbild der Skene in der Zeit des Euripides.

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Vorderwand des Proskenion, das meist ein körperlich aufgebautes Haus ist, tritt
noch um ein Beträchtliches hinter die Flucht der Paraskenien zurück. Uber dem
Schauspielersaal wird für die Tragödienaufführungen fast regelmässig, für die
Komödien nur ausnahmsweise ein Obergeschoss errichtet, dessen Vorderwand
dann entsprechend geschmückt oder auch mit einem besonderen Proskenion ver-
sehen wird. Dieser Oberbau erstreckt sich manchmal oder immer auch über die
Paraskenien, die dann vielleicht ebenfalls mit Schmuckwänden oder Vorhängen
verkleidet wurden. Zur Bestimmung der Lage der inneren Thüren und Treppen
fehlt es in den Dramen an Anhaltspunkten. Eine ständige Bühne ist nicht vorhanden.

Wenn wir oben (S. 177) betont haben, dass den Vermutungen über die Be-
schaffenheit des hölzernen Spielhauses feste Grenzen gezogen seien, weil uns die Ge-
stalt der steinernen Skene des IV. Jahrhunderts bekannt ist, und diese sich aus den
ältesten Vorstufen ohne Zwang ableiten lassen muss, so dürfen wir jetzt darauf
hinweisen, dass in dem Bilde, das wir hier von der Skene des Euripides und
Aristophanes zu zeichnen versucht haben, sich kein Zug findet, der dieser For-
derung nicht entsprechen würde. Oder, um es mit anderen Worten zu sagen,
die lykurgische Skene entspricht so genau den Bedingungen, die für das Spiel-
haus des V. Jahrhunderts gestellt werden, dass man ohne Weiteres alle Dra-
men, von der Orestie des Aischylos an, vor der Skene des Lykurgos sich auf-
geführt denken könnte. Wir werden das als einen durchschlagenden Beweis
für die Richtigkeit unserer Annahmen über das Spiel des V. Jahrhunderts be-
trachten dürfen, wenn es uns gelingt, die bisher als selbstverständlich hinge-
stellte Thatsache zu erweisen, dass die Aufführungen im lykurgischen Theater
denen des V. Jahrhunderts gleichartig gewesen sind. Das wollen wir im Fol-
genden klar zu stellen suchen.

3. Der Spielplatz in den Dramen des IV.— I. Jahrhunderts.

Für die Geschichte des Theaterspiels in der Zeit vom IV. bis I. Jahrhundert
haben wir, so sollte man meinen, unzweideutige Zeugnisse in den Bauwerken
dieser Epoche. Die Gestalt des Spielhauses um die Mitte des IV. Jahrhunderts
kennen wir durch das lykurgische Theater in Athen. Eine etwas jüngere Abart,
die Skene mit steinernem Proskenion, dessen Vorläufer, das hölzerne Pinakes -
Proskenion, wir durch die Inschriften von Delos bis in den Anfang des III. Jahr-
hunderts zurückverfolgen können, ist uns durch die Theater von Epidauros,
Oropos und anderen Orten bekannt. Was diese architektonischen Zeugen über
d'e Art der Aufführung erschliessen lassen, ist oben S. 69 und 79 dargelegt.

Aber diese aus den Denkmälern abgeleiteten Ergebnisse sind jenen nicht
unanfechtbar erschienen, die sich auf Grund litterarischer Nachrichten eine be-
stimmte Anschauung von dem Schauspiele in der späteren Zeit gebildet haben
und dieser Anschauung entsprechend auch die erhaltenen Bauten auszudeuten
Ersuchen. Wir können uns daher der Aufgabe nicht entziehen, aus den spär-
 
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