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Dörpfeld, Wilhelm; Reisch, Emil
Das griechische Theater: Beiträge zur Geschichte des Dionysos-Theaters in Athen und anderer griechischer Theater — Athen, 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.5442#0005

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VORWORT.

Lange Zeit beruhte unser Wissen von dem altgriechischen Theater fast aus-
schliesslich auf Nachrichten römischer Zeit und auf den Überresten römischer
Theater. Erst die Ausgrabungen der beiden letzten Jahrzehnte haben uns auch
griechische Theatergebäude geliefert und so die Augen geöffnet über die Ver-
schiedenheiten des griechischen und römischen Schauspielwesens. Wie diese Un-
terschiede zuerst dem Architekten bei der genauen Erforschung der Theater
von Athen und Epidauros bemerkbar wurden, ist im ersten Abschnitt ausführ-
lich erzählt. Anfangs schien ein unüberbrückbarer Widerspruch zu bestehen zwi-
schen den Aussagen der Baureste und den Nachrichten der Literatur. In das
scheinbar wohlgefügte System, das die Altertumswissenschaft im Laufe der Jahr-
hunderte von den «Bühnenaltertümern» aufgebaut hatte, wollten die neugewonne-
nen Thatsachen und Erkenntnisse sich nicht einfügen. Aber eine nähere Prüfung
zeigte, dass die Stützen dieses Systems trügerisch und innerlich morsch waren.
Und schon war, unabhängig von diesen baulichen Funden, lediglich auf Grund
der literarischen Nachrichten der Versuch gemacht worden, Bresche in jenes
System zu legen und den Gedanken zu verfechten, dass Schauspieler und Chor
im griechischen Theater auf demselben Boden gespielt haben müssten. Da die
Resultate der Ausgrabungen denselben Gedanken nahelegten, musste die literari-
sche Überlieferung von Neuem untersucht werden. Eine genaue Durchforschung
der Dramen ergab auf Schritt und Tritt, dass in der That eine «erhöhte Bühne»
als besonderer Sprechplatz der Schauspieler für 'das V. Jahrhundert undenkbar ist.
Allmählich löste sich der dichte Schleier von Missverständnissen, der sich um
die wenigen anderen literarischen Zeugnisse gelegt hatte. Und immer klarer trat
ein neues Bild vom altgriechischen Theater hervor,— es war Zeit, die Welt der
Antike von jenem wunderlichen Zerrbilde zu befreien, das uns als «griechisches
Theater» geläufig geworden war.

In den Mittelpunkt unserer Darlegungen ist, wie billig, das Dionysos -Theater
von Athen gestellt worden. Wie es im Altertum die Wiege des Dramas war, so
ist es auch für uns der Ausgangspunkt einer richtigeren Beurteilung des antiken
Schauspielwesens geworden. Überdies Hessen sich an ihm alle Stufen seiner Ent-
wickelung noch nachweisen, und wichtige Wendepunkte zeitlich festlegen. Von
hier ausgehend, haben wir versucht, nach allen Richtungen hin die literarische
und monumentale Überlieferung zu durchforschen.

Der grössere Teil der Untersuchungen, die wir hier vorlegen, ist schon in
den Jahren 1884-1888 seinem wesentlichen Inhalt nach abgeschlossen worden.
Aber einerseits der Wunsch, durch Verwertung der im Gange befindlichen Aus-
grabungen das Bild des Theaters voller und richtiger zu gestalten, und anderer-
seits äussere Umstände, die mit der Sache nicht in innerem Zusammenhange
 
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