Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dörpfeld, Wilhelm; Reisch, Emil
Das griechische Theater: Beiträge zur Geschichte des Dionysos-Theaters in Athen und anderer griechischer Theater — Athen, 1896

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5442#0037

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
22

I. Abschnitt. Das Dionysos - Theater in Athen.

delt und den Zeitabschnitt von 421—415 für die Anfertigung des Bildes und
die Erbauung des Tempels ermittelt. Indem ich im Allgemeinen seinen Ausfüh-
rungen beitrete, möchte ich es doch wenigstens als denkbar bezeichnen, dass
Tempel und Bild erst im Anfange des IV. Jahrhunderts entstanden sind. Wenn
Alkamenes noch im Jahre 403 für Thrasybulos arbeitet, so kann er meines
Erachtens auch noch etwa 10 Jahre später das Bild des Dionysos geschaffen
haben. Unmittelbar nach dem pcloponnesischen Kriege werden die Athener aller-
dings schwerlich einen neuen Dionysos-Tempel gebaut und ein grosses Goldelfen-
beinbild gemacht haben. Aber am Ende der neunziger Jahre des IV. Jahrhun-
derts waren die schlimmen Zeiten so weit vorüber, dass die Erbauung des
Tempels möglich erscheint.

Obwohl sichere Beweise fehlen, ist andrerseits der Gedanke nicht ganz
abzuweisen, dass Nikias, der Sohn des Nikeratos, der bekannte athenische
Feldherr des pcloponnesischen Krieges, den Tempel erbaut habe. Da nämlich
von Plutarch (Nikias 3) unter den 'Weihgeschenken des Nikias auch 6 xot?
yoprflv/.oXq Tpi-ociv ÜTCoy.si'ijtsvcx; ev Aiovuuou vew; genannt wird, hatte zuerst E.
Reisch die Vermutung ausgesprochen (Griech. Weihgeschenke, S. 100), dass hiermit
unser Tempel gemeint sei. Obwohl die obige Ansetzung (421—415) sehr gut
hierzu passt, hat er sie neuerdings (Eranos Vindobon. 1893, S. 2) zurückgezogen,
weil ihr der Wortlaut des Plutarch entgegenstehe, « da man in der Zeit des
Plutarch einer solchen Umschreibung nicht bedurft haben wird, um den gröss-
ten Culttempel des Gottes zu bezeichnen ». Indessen scheint mir dieser Ge-
gengrund nicht durchschlagend. Aus den erhaltenen Ruinen und den. beim
Theater gefundenen Baugliedern geht hervor, dass Dreifüsse nicht nur auf dem
Burgfelsen in der Nähe des Theaters, sondern auch auf den Dächern der
beim Theater liegenden Gebäude, z. B. auf der Stoa im Asklepieion, aufgestellt
waren. Ist es da nicht fast selbstverständlich, dass in erster Linie auf dem
Dache des grössten Dionysos-Tempels solche Weihgeschenke standen? Wenn
aber der Tempel mit Dreifüssen überladen war, so scheint es mir sehr
wohl denkbar, dass Plutarch jene Bezeichnung wählte, anstatt den Bau «den
jüngeren Tempel» zu nennen. Fraglich könnte sein, ob Nikias die Mittel be-
sessen habe, um auf eigene Kosten einen solchen Tempel zu bauen, aber
nach den Worten Plutarchs über die Pracht seiner öffentlichen Leistungen zwei-
fle ich nicht, dass sein Vermögen dazu ausreichte. War Nikias wirklich der
Erbauer und Stifter, so muss die Errichtung des Baues natürlich vor die siei-
lische Expedition fallen, bei der Nikias seinen Tod fand. Der oben, nachge-
wiesene Zeitraum von 421—415 würde also sehr gut passen.

Besondere Beachtung verdient noch die Lage des neueren Tempels im
Verhältniss zu dem älteren. Beide liegen in dem westlichen Teile des Bezirks,
wie es wegen ihrer nach Osten gerichteten Vorhallen zur erwarten war. Sie
haben unzweifelhaft gleichzeitig bestanden; der ältere ist nicht etwa durch
den jüngeren ersetzt worden. Dazu stimmt, dass sie nicht unmittelbar neben-
 
Annotationen