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Dörpfeld, Wilhelm; Reisch, Emil
Das griechische Theater: Beiträge zur Geschichte des Dionysos-Theaters in Athen und anderer griechischer Theater — Athen, 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.5442#0089

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I. Abschnitt. Das Dionysos-Theater in Athen.

Der Zuschauerraum hat die Gestalt, welche er damals erhalten hat, für alle
Zeiten beibehalten, und die Orchestra ist erst zur Zeit Neros verändert worden;
nur das Spielhaus (Skene) erfuhr schon in der späthellenistischen Zeit einen
Umbau, der aber kein wesentlicher genannt werden kann : an Stelle der ver-
änderlichen Schmuckwand wurde ein festes Proskenion aus steinernen Säulen
mit zwischengestellten Holztafeln errichtet.

Die Gestalt, welche das Theater nach dem letzteren Uxnbau zeigt, ist für
unsere Untersuchung von hervorragender Wichtigkeit, weil sie derjenigen Form
des griechischen Theaters entspricht, welche Vitruv beschreibt. Die Angabe,
welche der römische Architekt über den Standplatz der Skeniker und Thyme-
liker im griechischen Theater macht, bezieht sich also auf diese Entwicke-
lungsstufe des griechischen Theaters.

Zu den zahlreichen Theatern, in welchen ein festes steinernes Proskenion
in den von Vitruv angegebenen Abmessungen und in der von ihm bezeichne-
ten Lage gefunden ist, wie z. B. in Epidauros, Piräus, Oropos, Eretria, Thes-
piä, Megalopolis, Sikyon und Assos, gesellt sich auch der hellenistische Umbau
des athenischen Theaters. Zwar sind in Athen, Avie wir sehen werden, einige
Einzelheiten der Einrichtung nicht so gut erhalten wie in anderen Theatern,
aber die vorhandenen Baureste genügen vollständig, um ein ziemlich genaues
Bild von der Gestalt des Theaters nach dem hellenistischen Umbau entwerfen
zu können.

Zwischen der kreisrunden Orchestra und dem Skenengebäude des Lykurg
ist eine Mauer aus Hymettos-Marmor erhalten, welche der Vorderwand der
Skene parallel läuft und seitlich nicht ganz bis an die beiden vorspringenden
Paraskenien heranreicht (vcrgl. den Grundriss der erhaltenen Mauern auf Tafel
III). Sie besteht aus einem Fundament, das aus Kieselsteinen, Steinbrocken
und einigen grösseren Quadern mit Lehmmörtel zusammengefügt ist, und einer
darüber liegenden Schwelle von bläulichem Marmor. Wie das Fundament keine
sorgfältige Bauweise zeigt, so ist auch an den Marmorplatten Bearbeitung und
Fügung lange nicht so gut wie an den Mauern des Lykurg. Die Oberfläche der
Platten ist nicht geglättet, die Vorderfläche, welche ganz roh geblieben ist,
zeigt nur an ihrer oberen Kante einen glatten Rand, die Stossfugen schliessen
nicht genau. Die Längen der einzelnen Platten sind nicht gleich, wie beim
lykurgischen Bau, sondern schwanken zwischen 1,10 und 1,80m. An der hin-
teren Seite sind die Steine von verschiedener Breite, nur eine in gerader Linie
durchlaufende Kante ist angearbeitet. Form und Bearbeitung der Plattenschicht
beweisen sicher, dass nur ihre Oberfläche und der obere Rand der Vorder-
fläche sichtbar waren ; sie bildete also keine sichtbare Stufe, sondern nur eine
kaum über den Erdboden herausragende Schwelle. Ihre Höhe, und damit auch
die Höhe des Fussbodens unmittelbar vor ihr, stimmt nun — und das ist von
besonderer Wichtigkeit — einerseits gerade mit der Oberfläche der Orchestra
und andrerseits" mit dem Fussboden im Inneren der Skene überein. Wir be-
 
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