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Dörpfeld, Wilhelm; Reisch, Emil
Das griechische Theater: Beiträge zur Geschichte des Dionysos-Theaters in Athen und anderer griechischer Theater — Athen, 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.5442#0288

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3. Der Spielplatz in den Dramen des IV. -1. Jahrhunderts. Die erhaltenen Bauten. 273

Proskenion errichtet worden war (Bull. hell. XVIII, 162), im Jahre 279 an den
Aufführungen der Komödien und Tragödien nachweislich ein Chor teilgenommen
hat (Bull. hell. XIV, 397), so muss dieses mit einem Pinakes - Proskenion versehene
Theater den gleichen Zweck erfüllt haben wie das lykurgische Theater, d. h. man
muss in Delos wie in Athen vor dem Proskenion gespielt haben. Dazu kommt,
dass ungefähr in der gleichen Epoche in Megalopolis vor einer «scaena ductilis»
gespielt worden ist (S. 139), und es ist klar, dass die Schauspieler nicht in dem
einen Theater in der Höhe auf dem Proskenion, in dem anderen in der Orchestra
vor der Schmuckwand aufgetreten sein können.

Entspricht aber, so wird man fragen, jene steinerne Pinakeswand, deren
Aufbau wir in Oropos, Delos und Epidauros noch bis in alle Einzelheiten ken-
nen lernen, den von uns soeben dargelegten Anforderungen, die von den helle-
nistischen Dramen an die Ausstattung des Spielplatzes gestellt werden ? Da be-
darf es wohl zunächst kaum eines Beweises, dass jener hallenartige Vorbau den
Erfordernissen der neueren Komödie sich auf das Beste anpassen lässt. Wir sahen
vorhin, dass eine Gruppe von Häusern —in der Regel drei— der üblichste Spiel-
hintergrund der Komödie ist. Das Stein-Proskenion aber lässt sich sehr wohl
als Nachbildung mehrerer kleiner, flachdachiger Spielhäuser auffassen, die vorne
mit Halbsäulen geschmückt sind. In der That hat eine neue Untersuchung des
Proskenion von Delos ergeben (s. Abschnitt VIII), dass die Vorderwand in drei
Teile, deren jeder eine Thüre hat, gegliedert werden konnte, so dass der ganze
Bau in diesem Falle ein grösseres Mittelhaus und zwei etwas kleinere Nachbar-
häuser darstellte. Das delische Stein-Proskenion giebt also jenes typische Stadt-
bild wieder, das die plautinischen Prologe als Spielhintergrund der jüngeren Ko-
mödie erschliessen lassen, Menaechm. 72 : haec urbs Epidamnus est, dum haec
agitur fabula: quando alia agetur, aliud fiet oppidum ; Trucul. 1 : perparvam
partem postulat Plautus loci de vostris magnis atquc amoenis moenibus, Athenas
quo sine arcJütectis conferat. . . Athenis tracto (f) ita ut hoc est proscaenium,
tantisper dum transigimus haue comoediam, vgl. Rud. 32 ; Mil. glor. 88. Die Ta-
feln an den Ecken der Proskenien mochten in den griechischen Theatern Bilder
tragen, die für die einzelnen Städte verschieden waren und die Aufgabe der
Periakten erfüllten. Ob die den Wänden vorgesetzten Säulen genau den Bürger-
häusern der Wirklichkeit nachgebildet waren, brauchen wir hier nicht zu unter-
suchen, denn dass die im Theater dargestellten Häuser wirklich mit Säulen ver-
sehen waren, ist durch das Terracottarelief, das in einem ergänzten Exemplar
bei Schreiber, Culturhist. Bilderatlas I, Tafel III, 4 und auch sonst oft abgebildet
ist (s. Abschnitt VI), gegen jeden Zweifel sichergestellt.

Das steinerne Proskenion ist in einer Zeit geschaffen worden, wo Komö-
dien weitaus häufiger aufgeführt worden sind als Tragödien (s. o.). Darum ist
es natürlich, dass der Bau in erster Linie den Erfordernissen der Komödie ent-
sprechen soll. Aber es sind doch auch gerade für Delos Tragödienaufführungen
während des ganzen III. und II. Jahrhunderts bezeugt, vgl. Bull. hell. VII, 113 nr.

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