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Dörpfeld, Wilhelm; Reisch, Emil
Das griechische Theater: Beiträge zur Geschichte des Dionysos-Theaters in Athen und anderer griechischer Theater — Athen, 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.5442#0290

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3. Der Spielplatz in den Dramen des IV. -I. Jahrhunderts. Das steinerne Proskenion. 275

Jahrhundert strenge Nachahmung der Wirklichkeit erstrebte, sondern einer mehr
phantastischen Richtung huldigte, wie die Geschichte, die Vitruv VII, 5, 5 von der
Skene des Apaturius erzählt, und pompejanische Wandgemälde, die unter dem
Einfluss der Theater maierei stehen (s. Abschnitt VI), erkennen lassen.

Das Proskenion mit Pinakes und die beweglichen Schmuckwände sind also aus
den gleichen Bedingungen heraus entstanden und dienen den gleichen Zwecken-
Im III. Jahrhundert hat man bald dieser, bald jener Einrichtung den Vorzug ge-
geben. Wenn in den Inschriften von Delos in den Jahren 290 und 282 Proske-
nia mit Pinakes genannt werden, dann aber im Jahre 274 das Spielhaus, wie es
scheint, wieder von Grund auf neu gebaut und darin mehrere ar.Yjvai hergestellt
werden, so ist das vielleicht dahin zu erklären, dass man erst einen Versuch
mit Pinakes-Proskenien gemacht hatte, dann aber zur Einrichtung beweglicher
Schmuckwände (uxyjval) übergegangen war, um in späthellenistischer Zeit das heute
noch teilweise erhaltene steinerne Proskenion zu errichten. Im II. und I. Jahrhun-
dert vor Chr. sind die steinernen Proskenien in den Städten Griechenlands fast
allgemein üblich geworden, weil sie dauerhafter und daher auch billiger waren
als die leicht abnutzbaren beweglichen Schmuckwände, für die man besondere
Magazine bauen musste. In den reichen hellenistischen Königsstädten haben sich
aber die verschiebbaren Schmuckwände, wie es scheint, noch länger erhalten;
denn von dort her sind sie vermutlich zu den Römern gelangt.

Es würde nun noch erübrigen, die Frage zu erörtern, in wie weit Vitruvs
Angabe über das Spiel oben auf dem Proskenion mit den Erfordernissen der
hellenistischen Dramen sich vereinigen lässt. Dass überall dort, wo den Chören
noch ein Anteil am dramatischen Spiel zufiel, ein derartig erhöhter Standplatz
der Schauspieler undenkbar ist, braucht nach dem Vorhergesagten nicht neuer-
dings nachgewiesen zu werden. Aber auch viele Auftritte der plautinischen Lust-
spiele, so namentlich die S. 269 erwähnten Symposien, lassen sich auf dem schma-
len hellenistischen Proskenion nicht durchführen, da der Vorplatz des Hauses
und die vor ihm hinlaufende Strasse zusammen einen Spielplatz von mindestens
4 — S Meter Tiefe erfordern. Diese Vorgänge wären aber auf dem Proskenion
auch dann nicht darstellbar, wenn sie, wie man angenommen hat, in den griechi-
schen Originalkomödien nicht auf der Strasse, sondern im Innern des Hauses
(das durch Wegziehen der Vorderwand sichtbar gemacht wurde) sich abgespielt
haben sollten; denn in diesem Falle würden die in der untersten Reihe in der
Nähe der Skene sitzenden Zuschauer bei einer Bühnenhöhe von 10 — 12 Fuss
von dem ganzen Symposion so gut wie nichts gesehen haben. Die aus anderen
Thatsachen abgeleiteten Erwägungen aber, welche Vitruvs Angabe zu widerlegen
oder doch wesentlich einzuschränken geeignet sind, werden wir besser im Zu-
sammenhang des VII. Abschnittes darlegen.

(E. R.)
 
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