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Dörpfeld, Wilhelm; Reisch, Emil
Das griechische Theater: Beiträge zur Geschichte des Dionysos-Theaters in Athen und anderer griechischer Theater — Athen, 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.5442#0389

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VIII. Abschnitt. Die Entwickelungsgeschichte des griechischen Theaters.

Schauspielers die dargestellte Handlung lebhafter wurde, wird öfter der Fall ein-
getreten sein, dass einer von ihnen nicht auf den Tritt stieg. Wenn er z. B
als Bote eine Meldung zu machen hatte, blieb er auf dem Boden der Orchestra
zwischen der Parodos und dem Altare stehen, um nach erfolgter Meldung sofort
wieder abzutreten. Je lebhafter die dargestellte Handlung wurde, um so öfter
werden die Schauspieler in der Orchestra geblieben und nicht mehr auf die
Thymele getreten sein. Dies wurde zur Regel, als die Skene erfunden war, und
die Schauspieler nunmehr oft in die Skene hineingingen und wieder aus ihr
heraustraten. Damals gewöhnten sie sich daran, in der Nähe der Skenenthür
zu bleiben und vor dem Hause (erci axY]vvj$) zu spielen. So wurde der Raum
zwischen der Skene, den beiden Parodoi und der Thymele der gewöhnliche
Standplatz der Schauspieler und ist es auch immer geblieben.

. • Trotz Einführung eines und mehrerer Schauspieler und trotz Errichtung der
Skene veränderte der Chor seine Stellung nicht.-Für seine Tänze stand ihm noch
der ganze Orchestrakreis zur Verfügung. Bei den Wechselreden mit den Schau-
spielern Avird er geschlossen oder in zwei und mehrere Gruppen geteilt, an denje-
nigen Stellen der Orchestra gestanden haben, welche die Handlung des Dramas,
an der er teilnahm, als die natürlichste erscheinen liess. Dass er dabei die Schau-
spieler für die Zuschauer nicht verdeckte, haben wir im VII. Abschnitt gezeigt.
Hierzu trug wahrscheinlich noch die Gestalt der Skene insofern bei, als diese
zuweilen eine mit Stufen versehene Vorhalle eines Tempels und Hauses, oder ein
etwas höher gelegenes Thor darstellte, sodass der Schauspieler selbst für die in
der untersten Reihe sitzenden Zuschauer über den Köpfen der Choreuten sichtbar
war. In der aus dem IV. Jahrhundert stammenden Vorhalle des Thersilion in
Megalopolis fanden wir eine solche ursprünglich zweistufige, später fünfstufige
steinerne Skene, auf deren Stufen die Schauspieler zuweilen stehen konnten.

Ausdrücklich mag schliesslich betont werden, dass für die Epoche des V. Jahr-
hunderts auch nicht der geringste Anhaltspunkt zur Ergänzung einer ständigen
erhöhten Bühne vor der Skene vorhanden ist.

Das Bild, welches uns das griechische Theater am Schlüsse seiner zweiten
Entwickelungsperiode (Ende des V. und Anfang des IV. Jahrhunderts) bietet, lässt
sich hiernach in folgender Weise skizziren :

Eine kreisrunde Orchestra, ein einfacher, mit einem Erdfussboden versehener
Tanzplatz, bildet die Mitte des Theaters. In ihrem Centrum steht gewöhnlich der
Altar. Mehr als die Hälfte der Orchestra ist von einem grossen Zuschauerraum
umgeben, der zwar hölzerne Sitze hat, aber durch Erdanschüttungen und grosse
Stützmauern hergestellt ist. An der freien Seite der Orchestra liegt die Skene,
ein aus Holz aufgeführtes Gebäude, welches den Ort der Handlung bezeichnet
und als Hintergrund für das Spiel dient. Zuweilen hat es eine, zuweilen auch
mehrere Thüren. Ist es ein festes Gebäude, so hat es vielfach rechts und links
Vorsprünge (Paraskenien), zwischen denen eine bewegliche Schmuckwand (Pro-
skenion) aufgeschlagen wird. Zwischen dem Zuschauerraum und der Skene be-
 
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