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Dörpfeld, Wilhelm; Reisch, Emil
Das griechische Theater: Beiträge zur Geschichte des Dionysos-Theaters in Athen und anderer griechischer Theater — Athen, 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.5442#0396

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4. Das hellenistische Theater.

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sten oder Säulen gewöhnt, so behielt man sie naturgemäss auch bei, als die Wand
in Stein ausgeführt wurde.

Sodann besass das athenische Theater des IV. Jahrhunderts im undekorir-
ten Zustande wahrscheinlich eine Säulenstellung an der Vorderwand der Skene
und sicher an den Paraskenien. Bei den im Theater stattfindenden Volksversamm-
lungen sahen die Athener also das Skenenhaus mit Säulen geschmückt. Wurde
ein Drama aufgeführt und zwischen den Paraskenien irgend ein Proskenion auf-
geschlagen, so waren die Säulen der Skene zwar oft verdeckt, die der Paraske-
nien aber blieben wohl stets sichtbar. Wenn nun später das Proskenion in Stein
ausgeführt werden sollte, was lag da näher, als es ebenso wie die Paraskenien
und die Skene als Säulenstellung auszubilden ? Dass auch in Megalopolis eine
grosse Säulenhalle den gewöhnlichen Hintergrund bildete, mag hier nicht uner-
wähnt bleiben.

Ferner bot eine Stützenstellung den grossen Vorteil, dass durch einen
Wechsel der die Intercolumnien ausfüllenden, bemalten Pinakes verschiedenartige
Schmuckwände hergestellt werden konnten, ohne dass die ganze Wand mit einer
Dekoration verdeckt wurde. Durch Gemälde mit Figuren oder Gartenanlagen
oder Gebäude konnte man dem Hintergrunde einen sehr verschiedenen Charakter
geben. Zwischen den Säulen der Paraskenien hatte man schon im IV. Jahrhundert
und vielleicht in noch früherer Zeit solche bemalte Pinakes gehabt. Dadurch war
es nahe gelegt, diese Art der Dekoration auch beim Proskenion anzuwenden.

Ausserdem ist beachtenswert, dass auf dem in Figur 82 (S. 329) abgebil-
deten Terrakotta-Relief eine ganz ähnliche Säulendekoration, wie sie die helle-
nistischen Proskenien zeigen, an dem ein Wohnhaus darstellenden Hintergrunde
vorhanden ist. Schliesslich darf auch nicht vergessen werden, dass die Skenen
und Proskenien zwar ursprünglich denjenigen Bauwerken, welche sie darstellen
sollten, wirklich ähnlich waren, aber allmählich zu einer typischen Schmuckwand
wurden, welche den einfachen Wohnhäusern nur noch wenig glich und vielfach
mit einem Luxus ausgeführt war, der bei den Fassaden der gewöhnlichen Wohn-
häuser nicht üblich war.

Die einfache Säulenwand der hellenistischen festen Proskenien dürfen wir
aber noch als Darstellung eines oder mehrerer Häuser auffassen, deren Formen
und Masse sie ungefähr wiedergab. Wie bei dem vorher erwähnten Terrakotta-
Relief bisher Niemand daran gezweifelt hat, dass die hinter dem Schauspieler
befindliche Wand mit ihren Halbsäulen ein Haus vorstellen solle, so werden die
Theaterbesucher auch im Altertum in der Säulenwand des Proskenion ohne Wei-
teres ein Wohnhaus gesehen haben.

Ist aber die Höhe des Proskenion von durchschnittlich 3,00 — 3,SOm
nicht zu niedrig für ein griechisches Wohnhaus? Gewiss hat es in der hellenisti-
schen Zeit viele höhere Wohnhäuser gegeben, aber die Abmessungen des Pro-
skenion sind in früherer Zeit bestimmt worden, als die Häuser durchschnittlich
nicht höher waren. Sodann kommt noch ein anderer Umstand für den Höhen-
 
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