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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 3.1921/​1922

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Bagier, Guido: Primitive und ursprüngliche Musik
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https://doi.org/10.11588/diglit.44743#0043

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ideale, die klassische Ursprünglichkeit, nie vorher, nie nachdem erreicht:
Symbol vollendeten Menschentums in vollendeter Form.
Was für die Allgemeinheit gilt, die »Heimkehr in den eigenen Kraftkreis«,
lst für die Tonkunst unerläßlich. Nachdem sich die Musik des Bewußten
steigerte zum negierenden Höhepunkt, nachdem falsche Primitivität der
Exoten schal und bitter wurde, heißt es vorzudringen zu einer Einfalt, die
vorerst in der Abwehr des Vielfältigen sich bekundet. Der Hemmungen
durch eigene und fremde Rede sind so viele, daß es sich darum handelt
hemmungslos, das heißt ohne falsche Götzen zu leben und zu schaffen. Nur
dann kann die Musik zum Ursprung zurückkehren, wenn ein gereinigtes
Menschentum ihr diesen Sprung ermöglicht, wenn der freie und reine Mensch
die beiden Gesetze des alternden Beethoven befolgt: die Weisung zur Natur
des festumrissenen melodischen Einfalles, die Verbindung mit dem Unend#
bchen als vergeistigendes Prinzip jener elementaren und primitiven Erfah#
rung. Welches Schlagwort, welche Richtung hier gelte, ist völlig belanglos.
Wesentlich ist das restlose Aufgehen des Ich aus innerster Nötigung im er#
wählten, eingegebenen Stoffe. Dann deckt sich das Ergebnis überraschend
mit den Wundern des ehrfürchtigen Immanuel Kant: dem gestirnten Himmel
über uns, dem Sittengesetz in uns, — eine Bindung, die je und je als Funda#
ment alles irdischen Schaffens wird gelten müssen.


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