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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 3.1921/​1922

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KUNSTBRIEFE

POTSDAMER KUNSTSOMMER 1921. Nach
dem unzweifelhaften Fiasko der in den Räumen
der großen Kunstausstellung abgehaltenen Som*
merschau der Freien Sezession, dessen Ursachen
der Eingeweihte nicht nur auf rein künstle*
rischem Gebiet suchen konnte, durfte man auf
die Potsdamer Kunstausstellung in der Orangerie
gespannt sein. Sie wurde von den gleichen Quel*
len gespeist, die im Moabiter Palast so erstaun*
lieh versagten und schlechterdings nicht zum
Fließen gebracht werden konnten. Man kann
den Veranstaltern der Ausstellung die Anerken*
nung nicht versagen, daß sie es tatsächlich ver*
standen haben, von den bekannten Größen eine
Reihe repräsentativer Stücke zusammenzubrin*
gen, ebenso bestimmte jüngere Künstler, heut*
zutage sehr umworben und von jungfräulicher
Sprödigkeit, zur Herausgabe schöner Bilder zu
bewegen. Es handelt sich dabei wohlgemerkt
fast ausschließlich um Mitglieder der Freien
Sezession, unter denen Willy Jaeckel als Kon*
zessionsschulze wirkt. Um so unverständlicher

'geführt wird, bis zu einem jüngst vollendeten
Bild, dem Porträt der Frau L., das mit so un*
vergleichlicher Sinnlichkeit gemalt ist, daß der
Gedanke, es stamme von der Hand eines Greises,
kaum auftaucht. In der Nebenkoje ist Corinth
zu sehen in seinem ganzen Saft. Die beiden
feindlichen Brüder sind hier für die Potsdamer

friedlich nebeneinander gestellt, ein imposanter
Anblick, dessen man sich höchst bedauerlicher*
weise schon lange in Berlin nicht mehr erfreuen
durfte. Was sind das doch für zwei Kerle! Es

ist schön, sie wieder einmal nebeneinander zu
sehen, um sich ihrer urhaften Kraft zu freuen.
Nichts ist dümmer, als sie gegeneinander aus*
zuspielen. Corinth zeigt den geschlachteten
Ochsen, einen bekannten liegenden Akt, und ein
großes fleischliches Blumenstilleben als Haupt*
akzente. Slevogt flankiert auf der anderen Seite.
Der Versuch, seine Entwicklung zu weisen, ist mit
Hilfe von 14 Bildern nicht ohne Geschmack ge*
löst. Auf der Freien Sezession fehlte er ganz 'Eine
Abteilung für sich bildenTrübner,Thoma, Leibi
und Marees, etwas zusammengeholt, um auch
dieses Stadium der deutschen Kunst zu haben.

und bedenklicher erscheint es, daß es so ganz
unmöglich gewesen ist, auf der Ausstellung der
Freien Sezession im Sommer ein paar vernünf*
tige Bilder von eben jenen Leuten zusammen*
zubekommen, die in Potsdam in voller Glorie
gezeigt werden können. Fast will es bedünken,
als ob die Orangerie*Ausstellung sich zu einer
gefährlichen Konkurrenz der Berliner ausge*
wachsen habe. Der Schreiber dieses ist senti*
mental genug, mit Hinblick auf die große Ver*
gangenheit der Ausstellungen der Freien Sezes*
sion, es recht zu bedauern, daß ihr auf diese
Weise das Grab geschaufelt wird. —
Man ist bei der Herrichtung der Ausstellung
diplomatisch zu Werke gegangen. Man machte
eine Verbeugung vor der Frederizianischen Ver*
gangenheit, sicherlich günstig aufgenommen von
bestimmten Kreisen, und zeigte neben den Spezi*
mina von Blechen und Krüger Menzels präch*
tigen »Überfall von Hochkirch«, der bisher der
Öffentlichkeit nicht zugänglich war. Dann geht
es mit großem Sprung zu Liebermann, heute
sogar in Potsdam nicht mehr angefeindet, dessen
Entwicklung in gut gewählten Beispielen vor*

Der Clou der Ausstellung ist unzweifelhaft die
Kollektion der »Brücke«. Erich Heckel, den
man gleichzeitig im Berliner Salon Goldschmidt*
Wallerstein in einer gut gewählten Serie be*
wundern konnte, beweist wieder einmal in seiner
verhaltenen Art, daß er einer der größten Künst*
ler der neueren Malerei ist. Schmidt*Rottluff
steht neben ihm, wenn auch nicht so gut ver*
treten. Man sah unlängst im Berliner Salon
Heller Schöneres von ihm.
Mit Kirchner ist es eine eigene Sache. Er wirkt
entschieden am besten, wenn man nichts von
ihm sieht. Sein selbstgewähltes Exil und die
vielfachen (vielstelligen) Mauern, mit denen er
sich von der profanen Menge trennt, machen
ihn zu einer gesuchten, vielbesprochenen Per*
sönlichkeit. Vor seinen farbig sehr geschmack*
vollen, doch im Grunde recht süßlichen Bildern,
hält das Renomee nicht stand. Es ist trotzdem
dankenswert, daß wieder einmal 3 Bilder von
ihm ausgestellt sind.
Der nie genug gewürdigte Karl Hofer, den ein
faustisches Ringen zu immer neuen Problemen
treibt, deshalb Publikum und Kritik höchst un*

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