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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 3.1921/​1922

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Weisbach, Werner: Barockkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.44743#0186

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BAROCKKUNST
WERNER WEISBACH
Der Barock ist der letzte der großen europäischen Stile, der von dem
retrospektiven und historisch gerichteten 19. Jahrhundert wieder ent#
deckt worden ist. In seinen alten Tagen, als es mit seiner Schwungs
kraft zu Ende gegangen war, hat die Aufklärung ihn in Acht und Bann getan,
und das Verdikt, das sie über ihn verhängte, bestimmte auf lange hinaus das
Urteil der ästhetischen Kreise. Winckelmann bekämpft in seiner berühmten
programmatischen Erstlingsschrift den »Gedanken über die Nachahmung
der griechischen Werke«, den Barock und entwickelt im Gegensatz zu ihm
sein aus der Antike abgeleitetes klassisches Kunstideal. Der italienische
Architekt und Theoretiker Francesco Milizia definiert in seinem »Lexikon
der schönen Künste« (1797) den Begriff Barock als »Superlativ des Bizarren,
Ausbund des Lächerlichen«. Das wurde die für den Klassizismus und die
nächsten Generationen richtunggebende Auffassung.
Bevor es zu einer Revision dieser Anschauung kam, hat sich das neuzeitliche
Europa erst mit den anderen Stilen der Vergangenheit auseinandergesetzt.
Die Romantik hat das bis dahin in einem unbestimmten Dunkel liegende
und wenig geachtete Mittelalter den Zeitgenossen nahegerückt, es gegen die
bisher immer erhobenen Vorwürfe der Barbarei in Schutz genommen, den
Begriff des Gotischen, der gleich wie ein Schimpfwort gebraucht wurde, zu
Ehren gebracht und in seinem positiven Wert herausgestellt. Eine derartige
Betrachtungsweise hat sich allmählich durchgesetzt, die Grundlagen für die
Erforschung und Veranschaulichung mittelalterlicher Kultur und Kunst ge#
legt und auch die zeitgenössische Kunst durch die allerdings nicht sehr glück#
liehen Versuche einer Wiederbelebung des gotischen Stils beeinflußt. Eine
einseitige Verhimmelung des Mittelalters, wie sie die Romantik betrieb, und
die damit verbundenen Sentimentalitäten konnten nicht ohne Widerspruch
und Gegenschlag andauern. Um die Mitte des Jahrhunderts wurde Europa
von einer neuen Leidenschaft, für die Renaissance, ergriffen. Schon vor
Jacob Burckhardt hat der in Paris lebende ausgezeichnete und geistvolle
deutsche Kunstforscher Eduard Kolloff, in einem 1840 in Räumers Histo#
rischem Taschenbuch erschienenen Aufsatz für die Renaissance zu werben
begonnen, indem er sich teils gegen den sich auf Winckelmann berufenden
einseitigen Klassizismus, teils gegen die einseitige Vorliebe der Romantik
für das Mittelalter wandte. Burckhardt, der genialste Propagandist der Re#
naissance, war bekanntlich noch so voreingenommen, daß er den Barock zu#
gunsten der Renaissance und von einem klassischen Standpunkt aus herab#

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