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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 3.1921/​1922

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Redslob, Edwin: Gemeinschaft und Persönlichkeit: ein Grundproblem der religiösen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.44743#0077

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GEMEINSCHAFT UND
PERSÖNLICHKEIT
EIN GRUNDPROBLEM DER RELIGIÖSEN KUNST
EDWIN REDSLOB
olange die Kirche das ganze menschliche Leben gestaltend zu durch#
dringen vermochte, wußte sie sich alle Äußerungen künstlerischen
Schaffens auf das festeste zu verbinden. Kein Baumeister, Maler, Bild#
Schnitzer, kein Goldschmied, kein Kupferstecher, kein Gießer, der nicht ge#
rade um des Neuen willen, was nur er zu geben hatte, gewollt und verwendet
Wurde, kein Meister, kein Pfarrer, für den sich nicht die Einheit von Kunst und
Religion von selbst verstanden hätte. »Die Kunst des Malens wird gebraucht
im Dienste der Kirchen und dadurch angezeigt das Leiden Christi, behält
auch die Gestalt des Menschen nach ihrem Absterben« so versinnbildlicht
sich Albrecht Dürer die geistliche und weltliche Aufgabe seines Schaffens.
Über die heutigen Möglichkeiten religiöser Kunst aber kann man sich
nur dann klar werden, wenn man sich eingesteht, daß die Entfremdung zwi#
sehen Kirche und Kunst im Verlauf des 19. Jahrhunderts bis aufs äußerste
getrieben wurde, ja daß die Kirche immer mehr dazu gekommen ist, die
Kraft des seelischen Ringens, wie sie im Kunstwerk erscheint, als fremd und
feindlich abzulehnen und zu bekämpfen.
Solange die Schuld an diesem, das geistige Leben der Zeit zerreißenden Zwie#
spalt von den Vertretern der Kirche nur der Kunst, von seifen der Künstler
nur den Vertretern der Kirche zugewiesen wird, ist an ein Überbrücken der
schädlichen Kluft nicht zu denken. Nur Eingeständnis, daß die Fehler auch
auf der eigenen Seite liegen, kann zu gerechter Würdigung führen. Man
wird dabei vor allem erkennen müssen, daß man der hinter uns liegenden
Zeit keinen Vorwurf über die Verschärfung der Gegensätze machen darf,
daß aber heute den Möglichkeiten einer neuen Entwicklung gegenüber jedes
Verstockte Ablehnen und Nichtverstehenwollen unentschuldbar ist.
Die Leistungen des 19. Jahrhunderts wurden durch strengste Spezialisierung
erreicht. Aus Technik und exakter Forschung vermochte fachlich diszipli#
uierte Arbeit das Äußerste an Entfaltung herauszuholen. Alles war auf Selbst#
Behauptung, auf Kampf und Konkurrenz gestellt. Die seelisch und kulturell
wirkenden Kräfte mußten dabei verkümmern. Denn Religion und Kunst
können ihren tiefsten Wert nicht in sich selbst erfüllen: sie wirken am rein#
sten, wenn sie alle Formen menschlicher Gemeinschaft durchdringen und


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