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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 3.1921/​1922

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Benz, Richard: Das Testament der Romantik
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https://doi.org/10.11588/diglit.44743#0228

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Symbolismus an, haben ihn, der einer Innen#Schau lebte, nicht berührt: er
ist nicht hervorgetreten als irgend einen Zeitstil verherrlichend, und wird
auchjetzt nicht hervortreten als Expressionist; wenn er auch der erste Dichter
seit der Renaissance ist, der, sonderlich im Drama, nach Ausdrucksgesetzen
des Inhalts und nicht nach Darstellungsgesetzen irgend einer vorhandenen
äußeren Form und Technik geschaffen hat. Dennoch darf er gerade jetzt mit
der geistigen Bewegung, in der wir stehen, zusammen genannt werden: darf
er mit ihr zusammen gesehen werden, gleichwie wir die Romantik erst
mit Beethoven zusammen als ein sinnvolles Ganzes von Wille und Gestal#
tung sehen. Denn in ihm ist längst Gestalt und Wirklichkeit geworden, was
sonst, und heute noch, nur Wille und Sehnsucht der Zeit ist. In seinem
Werke erleben wir, daß aus der freien Kraft des Denkens und Dichtens
wieder ein geistiger Inhalt gesetzt wird; daß nur im Dienste am Geist, in der
Erfülltheit vom Geist Ausdruckskunst statt bloßen Ausdrucksprinzips er#
wächst. Es liegt dann an uns, ob wir auch die anderen Künste, voran die bil#
dende, zur Zeichen#Sprache des Geistes erheben, und in dieser Sprache,
deren äußere Mittel heute bereiteter sind denn je, von den Wundern und Er#
lebnissen künden wollen, die wir im romantischen Geisterreich der Poesie
erfahren; ob wir schließlich auch die andere prophetische Rede des Novalis
wahr machen wollen, und auch aus Naturwissenschaft und Physik, aus
Historie und Philiosophie den neuen Mythus formen, daß er, nicht als der
gotische, sondern gleich dem gotischen, über unserm irdischen Dasein
leuchte. Das gestaltete Wort und die geformte Vision des Denker#Dichters
wird uns zuletzt auch vor dem Chaos der Urtriebe und vor dem Untergang
in asiatischer Religion bewahren — wenn wir das Sinnbild endlich in unser
Bewußtsein aufnehmen, das er hingestellt hat, und in nun geisterfüllter Aus#
drucksgestaltung, dienend am Aufbau eines neuen Weltbilds, des ersten anti#
klassischen und antichristlichen Weltbilds, das Werk siegreich vollenden,
welchesalsunvergänglicheAufgabeunsdiezeitlose Rom antik vermachthat.


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