Märchenhaften und Zusammenhanglosen. Man erzählt nicht literarische
Wunder, sondern man malt traumhafte Farben und verkehrt die Gesetze
des Räumlichen zu Hemmungslosigkeiten und am Ende zu Abstraktionen.
Muche ist ein Beispiel dafür, wie das Unendlichkeitsempfinden des Raums
sich in Farbenvisionen ausdrückt; Molzahn für die echt romantische
Durchdringung des Mechanischen und Überdeutlichen mit der feierlich#
sten UnWirklichkeit farbiger Traumspiele (womit man E. Th. A. Hoffmann
vergleichen mag). Paul Klee bedeutet uns schlechthin den Weltenträumer
und Schöpfer von Scheerbartschen Dimensionen auf kleinsten Blättchen.
Marc hatte die Tierwelt, Campendonk das Leben simpelster Menschen,
Bäume und Häuser in Wunderfarben poetisiert, und Maria Uhden war
ihnen mit den lieblichsten Legenden aus dem Dasein von Zirkusleuten ge#
folgt, bis ein allzufrüher Tod sie (wie Marc) uns entriß. Daß ein erstes
Ringen um Formprobleme von beinahe klassizistischer Strenge mit einer
hellsichtigen Bewußtheit romantischer Empfindung sich paaren kann, be#
weist endlich das merkwürdige und tief deutsche Phänomen Willy Bau#
meisters. Sein lyrisches Sehnsuchtsgefühl hat sich eigentlich von Anfang
an, da er noch einigermaßen »korrekte« Figuren gebrauchte, bis zu der
letzten Entwicklung des abstrakten, streng gegliederten, rein flächenmäßigen
»Mauerbildes« unverwandt und gleichmäßig ausgesprochen: sogar eine
Form des Bildes, die am meisten Verwandtschaft zeigt mit der »Skulpto#
malerei« Archipenkos und der »Bauplastik« Schlemmers, enthält als Wesen
und bewegendes Geistige jenes romantische Gefühl vom Fragmentarischen,
das sich zur Vollendung sehnt; vergleichbar der Sage von Adams Traum
und der Androgyne, die sich in der Schwindschen Zeichnung so naiv un#
mittelbar ausdrückte. Allerdings: wer ohne Erkenntnis des langen Zwischen#
weges jenes Aquarell und ein Mauerbild Baumeisters nebeneinander sähe,
könnte niemals auf den Gedanken eines tiefen Zusammenhangs geraten. Es
wird hier offenbar, daß nicht in der Materie und in der Zufallserscheinung
persönlicher Formung das Wesen des Künstlerischen und seine Verwandt#
schäften liegen, sondern im Geistigen, das freilich allzumal auch nur mit
Geist erkannt werden kann.
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Wunder, sondern man malt traumhafte Farben und verkehrt die Gesetze
des Räumlichen zu Hemmungslosigkeiten und am Ende zu Abstraktionen.
Muche ist ein Beispiel dafür, wie das Unendlichkeitsempfinden des Raums
sich in Farbenvisionen ausdrückt; Molzahn für die echt romantische
Durchdringung des Mechanischen und Überdeutlichen mit der feierlich#
sten UnWirklichkeit farbiger Traumspiele (womit man E. Th. A. Hoffmann
vergleichen mag). Paul Klee bedeutet uns schlechthin den Weltenträumer
und Schöpfer von Scheerbartschen Dimensionen auf kleinsten Blättchen.
Marc hatte die Tierwelt, Campendonk das Leben simpelster Menschen,
Bäume und Häuser in Wunderfarben poetisiert, und Maria Uhden war
ihnen mit den lieblichsten Legenden aus dem Dasein von Zirkusleuten ge#
folgt, bis ein allzufrüher Tod sie (wie Marc) uns entriß. Daß ein erstes
Ringen um Formprobleme von beinahe klassizistischer Strenge mit einer
hellsichtigen Bewußtheit romantischer Empfindung sich paaren kann, be#
weist endlich das merkwürdige und tief deutsche Phänomen Willy Bau#
meisters. Sein lyrisches Sehnsuchtsgefühl hat sich eigentlich von Anfang
an, da er noch einigermaßen »korrekte« Figuren gebrauchte, bis zu der
letzten Entwicklung des abstrakten, streng gegliederten, rein flächenmäßigen
»Mauerbildes« unverwandt und gleichmäßig ausgesprochen: sogar eine
Form des Bildes, die am meisten Verwandtschaft zeigt mit der »Skulpto#
malerei« Archipenkos und der »Bauplastik« Schlemmers, enthält als Wesen
und bewegendes Geistige jenes romantische Gefühl vom Fragmentarischen,
das sich zur Vollendung sehnt; vergleichbar der Sage von Adams Traum
und der Androgyne, die sich in der Schwindschen Zeichnung so naiv un#
mittelbar ausdrückte. Allerdings: wer ohne Erkenntnis des langen Zwischen#
weges jenes Aquarell und ein Mauerbild Baumeisters nebeneinander sähe,
könnte niemals auf den Gedanken eines tiefen Zusammenhangs geraten. Es
wird hier offenbar, daß nicht in der Materie und in der Zufallserscheinung
persönlicher Formung das Wesen des Künstlerischen und seine Verwandt#
schäften liegen, sondern im Geistigen, das freilich allzumal auch nur mit
Geist erkannt werden kann.
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