sie doch überrumpelt. Ich steckte ein Fläschchen Maschinenöl zu mir und
goß es in die verrosteten Angeln. Ging über den Rasen bis an die Haustür
heran. Er war im schönsten Zuge, er brüllte, wie ein Berserker brüllte er.
Seine Stimme überschlug sich wie bei den Kastraten im Theater. Ich haßte
ihn furchtbar.Vielleicht aus dem Grunde, weil er das besaß und das tat,was mir
nie vergönnt gewesen war. Er besaß ein Wesen, das nur für ihn auf der
Welt war, und das er nach Belieben quälen konnte. Solches ist immer mein
Traum gewesen. Doch ich fürchtete mich vor mir selber, vor dem Aus#
schweifen meiner wahnsinnigen Schadenfreude. Habe mich immer gefürchtet
vor den Frauen — vor den sanften mit der durchsichtigen Haut, verstehst
du. Solch liebliche Geschöpfchen —ich hätte sie zu Tode gequält mit kaltem
Blute. Aus reiner Schadenfreude. Damals aber, als ich vor dem Hause stand
und horchte — damals zitterte ich für sie. Ich war so ganz anders. Vielleicht
war es nur Täuschung. Vielleicht — gleichviel. Es ist doch anders gekommen.
Er — der Mann der Frau Lydia — so heißt sie, der Name stand immer aus#
geschrieben auf den Briefen, weil es ein schöner Name ist, denke ich, — so
lieblich zum Hinschreiben — der Mann, sage ich, verstand sich aufs Quälen.
.Heuchlerin,' schrie er. ,Mit der Seele einer Dirne spielst du dieTugendhafte..
Ich hörte ein leises Wimmern, dann ein paar wütende Worte. Ein Schlag
folgte und ein jammervoller Aufschrei. .Heuchlerin,' brüllte er, .elende
Heuchlerin.' Er schlug ein höhnisches Gelächter auf, Stühle wurden um#
geworfen, und dann kam er herausgestürzt, ich hatte gerade noch Zeit auf
die Seite zu springen und harmlos auszusehen. Er sah schrecklich aus, seine
Augen waren vorgequollen, und er hielt gar nicht mehr an sich. .Hoffe nicht,
daß der Schleicher dir je einen Brief von mir bringt,' rief er in das Haus zu#
rück, indem er auf mich zeigte.
Am nächsten Tage wurden seine Koffer an den Bahnhof gefahren.
An diesem Tage begann mein eigentliches Unglück, das mich zerrütten
sollte.«
Klaus legte seine rechte Hand auf seine linke Brusttasche, wo der unter#
schlagene Brief steckte, und wo tiefer drinnen sein armes Herz schlug. Eine
Träne rollte aus seinen wasserblauen Augen.
»Ich glaube, ich habe sie geliebt,« sagte er, »wenn es so was geben kann von
einem armen Briefträger zu einer feinen Dame. Wenigstens war es so am
Anfang. Später hat sich dann alles in mir vermischt, und der Herrgott selber
hätte nicht mehr unterscheiden können in mir, was die Menschen Liebe
nennen und was sie Haß nennen. Vielleicht ist es gar nicht so mit den Din#
gen, wie es die Menschen meinen.
Mit dem Tage, wo ihr Mann sie verlassen hatte, war meine verbrecherische
Natur wieder aufgewacht. Von jenem Tage an begann ich in einem Rausch
zu leben.
Du denkst nun wohl, ich sei ein schmachtender Jüngling gewesen, all die
Jahre hindurch. Fehlgeschossen.«
Klaus nahm aus seiner linken Rocktasche ein schwarzes Büchlein, eine Bibel.
»Es hat meiner Mutter gehört,« sagte er. »Sie starb als ich acht Jahre war.« —
Er wies die Seite hinter dem Inhaltsverzeichnis. Melas erblickte einen Baum,
recht hübsch und sauber in Tusche gezeichnet, dessen Äste in Frauenköpfe
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goß es in die verrosteten Angeln. Ging über den Rasen bis an die Haustür
heran. Er war im schönsten Zuge, er brüllte, wie ein Berserker brüllte er.
Seine Stimme überschlug sich wie bei den Kastraten im Theater. Ich haßte
ihn furchtbar.Vielleicht aus dem Grunde, weil er das besaß und das tat,was mir
nie vergönnt gewesen war. Er besaß ein Wesen, das nur für ihn auf der
Welt war, und das er nach Belieben quälen konnte. Solches ist immer mein
Traum gewesen. Doch ich fürchtete mich vor mir selber, vor dem Aus#
schweifen meiner wahnsinnigen Schadenfreude. Habe mich immer gefürchtet
vor den Frauen — vor den sanften mit der durchsichtigen Haut, verstehst
du. Solch liebliche Geschöpfchen —ich hätte sie zu Tode gequält mit kaltem
Blute. Aus reiner Schadenfreude. Damals aber, als ich vor dem Hause stand
und horchte — damals zitterte ich für sie. Ich war so ganz anders. Vielleicht
war es nur Täuschung. Vielleicht — gleichviel. Es ist doch anders gekommen.
Er — der Mann der Frau Lydia — so heißt sie, der Name stand immer aus#
geschrieben auf den Briefen, weil es ein schöner Name ist, denke ich, — so
lieblich zum Hinschreiben — der Mann, sage ich, verstand sich aufs Quälen.
.Heuchlerin,' schrie er. ,Mit der Seele einer Dirne spielst du dieTugendhafte..
Ich hörte ein leises Wimmern, dann ein paar wütende Worte. Ein Schlag
folgte und ein jammervoller Aufschrei. .Heuchlerin,' brüllte er, .elende
Heuchlerin.' Er schlug ein höhnisches Gelächter auf, Stühle wurden um#
geworfen, und dann kam er herausgestürzt, ich hatte gerade noch Zeit auf
die Seite zu springen und harmlos auszusehen. Er sah schrecklich aus, seine
Augen waren vorgequollen, und er hielt gar nicht mehr an sich. .Hoffe nicht,
daß der Schleicher dir je einen Brief von mir bringt,' rief er in das Haus zu#
rück, indem er auf mich zeigte.
Am nächsten Tage wurden seine Koffer an den Bahnhof gefahren.
An diesem Tage begann mein eigentliches Unglück, das mich zerrütten
sollte.«
Klaus legte seine rechte Hand auf seine linke Brusttasche, wo der unter#
schlagene Brief steckte, und wo tiefer drinnen sein armes Herz schlug. Eine
Träne rollte aus seinen wasserblauen Augen.
»Ich glaube, ich habe sie geliebt,« sagte er, »wenn es so was geben kann von
einem armen Briefträger zu einer feinen Dame. Wenigstens war es so am
Anfang. Später hat sich dann alles in mir vermischt, und der Herrgott selber
hätte nicht mehr unterscheiden können in mir, was die Menschen Liebe
nennen und was sie Haß nennen. Vielleicht ist es gar nicht so mit den Din#
gen, wie es die Menschen meinen.
Mit dem Tage, wo ihr Mann sie verlassen hatte, war meine verbrecherische
Natur wieder aufgewacht. Von jenem Tage an begann ich in einem Rausch
zu leben.
Du denkst nun wohl, ich sei ein schmachtender Jüngling gewesen, all die
Jahre hindurch. Fehlgeschossen.«
Klaus nahm aus seiner linken Rocktasche ein schwarzes Büchlein, eine Bibel.
»Es hat meiner Mutter gehört,« sagte er. »Sie starb als ich acht Jahre war.« —
Er wies die Seite hinter dem Inhaltsverzeichnis. Melas erblickte einen Baum,
recht hübsch und sauber in Tusche gezeichnet, dessen Äste in Frauenköpfe
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