Jahre 1915 fehlten; denn diesen Spätbildern
fehlt der Halt; sie verschwimmen, sind irgend*
wie verdunstet und ersetzen die farbige Struktur
durch eine überbetonte Empfindsamkeit. In
jenen Bildern aber — wohl hauptsächlich zwi*
sehen 1910 und 1913 — ist Nolde auf der Höhe.
Breit und wuchtig konnte der große Altar sich
entfalten; in seinem unerbittlichen Ringen um
sicht. Osthaus aber verließ unbestechlich und
unter Protest die Ausstellung. Ob man wohl
jetzt Hoffnung haben darf, daß der Altar in
der Katharinenkirche wird bleiben können?
Wie sehr dies Werk trotz aller Bedrängtheit und
inneren Schwere eine besondere und bevorzugte
Aufstellung verdient, zeigt erst jetzt wieder die
Ausstellung kirchlicher Kunst in Köln, wo nicht
DAS BEHNSCHE HAUS
LÜBECK
Einfalt und der unverdrossenenZähigkeit,Geist,
Glauben und Licht zur Materie zu kneten; ganz
im Bann einer dämonischen Ergriffenheit. Lange
Zeit hat man diesen Altar nicht sehen können.
Er stand früher einmal im Keller des Folkwang
und erschreckte harmlose Gemüter, kam dann
nach Brüssel zur Ausstellung moderner reli*
giöser Kunst im Cinquantenaire und wurde ent*
gegen den Zusicherungen in letzter Stunde ab*
gelehnt. Osthaus, den ich damals als Assistent
begleitete, hatte die Jury für die deutschen
Werke. Man suchte ihn zu bestimmen, das Bild
wenigstens während des Besuches des Königs
und der Geistlichkeit abzuhängen (!); stellte ihm
allerlei schöne »Anerkennung« dafür in Aus*
eine einzige moderne Arbeit ist, die von innerer
Qualität getragen wird.
Die übrigen Bilder gaben einen reichen Über*
blick über die gesamte religiöse Malerei Noldes.
Da war das heitere, weit ausholende Bild »Jesus
in Bethanien«; das schwer bedrängte, ja be*
lastete Tryptychon — ich glaube der Maria
Aegyptiaca —, gleich wild und heiß im Flehen
wie in der Sünde; schonungslos offen und dabei
so voll seliger Unvergänglichkeit. Dann der
stille und zärtliche Einzug in Jerusalem oder das
thematisch reiche Bild der klugen und törichten
Jungfrauen, dessen Ausdrucksfülle hier so viel
unmittelbarer zur Geltung kam als im Folkwang,
wo es von Munch, Matisse und Marc zu sehr
17
fehlt der Halt; sie verschwimmen, sind irgend*
wie verdunstet und ersetzen die farbige Struktur
durch eine überbetonte Empfindsamkeit. In
jenen Bildern aber — wohl hauptsächlich zwi*
sehen 1910 und 1913 — ist Nolde auf der Höhe.
Breit und wuchtig konnte der große Altar sich
entfalten; in seinem unerbittlichen Ringen um
sicht. Osthaus aber verließ unbestechlich und
unter Protest die Ausstellung. Ob man wohl
jetzt Hoffnung haben darf, daß der Altar in
der Katharinenkirche wird bleiben können?
Wie sehr dies Werk trotz aller Bedrängtheit und
inneren Schwere eine besondere und bevorzugte
Aufstellung verdient, zeigt erst jetzt wieder die
Ausstellung kirchlicher Kunst in Köln, wo nicht
DAS BEHNSCHE HAUS
LÜBECK
Einfalt und der unverdrossenenZähigkeit,Geist,
Glauben und Licht zur Materie zu kneten; ganz
im Bann einer dämonischen Ergriffenheit. Lange
Zeit hat man diesen Altar nicht sehen können.
Er stand früher einmal im Keller des Folkwang
und erschreckte harmlose Gemüter, kam dann
nach Brüssel zur Ausstellung moderner reli*
giöser Kunst im Cinquantenaire und wurde ent*
gegen den Zusicherungen in letzter Stunde ab*
gelehnt. Osthaus, den ich damals als Assistent
begleitete, hatte die Jury für die deutschen
Werke. Man suchte ihn zu bestimmen, das Bild
wenigstens während des Besuches des Königs
und der Geistlichkeit abzuhängen (!); stellte ihm
allerlei schöne »Anerkennung« dafür in Aus*
eine einzige moderne Arbeit ist, die von innerer
Qualität getragen wird.
Die übrigen Bilder gaben einen reichen Über*
blick über die gesamte religiöse Malerei Noldes.
Da war das heitere, weit ausholende Bild »Jesus
in Bethanien«; das schwer bedrängte, ja be*
lastete Tryptychon — ich glaube der Maria
Aegyptiaca —, gleich wild und heiß im Flehen
wie in der Sünde; schonungslos offen und dabei
so voll seliger Unvergänglichkeit. Dann der
stille und zärtliche Einzug in Jerusalem oder das
thematisch reiche Bild der klugen und törichten
Jungfrauen, dessen Ausdrucksfülle hier so viel
unmittelbarer zur Geltung kam als im Folkwang,
wo es von Munch, Matisse und Marc zu sehr
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